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Alle Fotos (3)Biografie
Egon Günther wurde am 30. März 1927 in der Erzgebirgsstadt Schneeberg geboren. Als Arbeiterkind machte er zunächst eine Schlosserlehre und arbeitete danach als technischer Zeichner in einem Konstruktionsbüro.
Günther wurde als Teenager in den späten Kriegsjahren noch eingezogen und geriet als Fallschirmspringer in den Niederlanden in Kriegsgefangenschaft, aus der er jedoch fliehen konnte. Nach Kriegsende ging er in die Sowjetische Besatzungszone, um in Leipzig Pädagogik, Germanistik sowie Philosophie unter anderem unter Ernst Bloch und Hans Mayer zu studieren (1948-1951). Nachdem er für kurze Zeit nach dem Studium als Neulehrer tätig war, trat er eine Stelle als Verlagslektor in Halle/Saale an. In dieser Zeit veröffentlichte er erste literarische Werke wie die Gedichtsammlung "Die Zukunft sitzt am Tisch" (1955) die beiden Romane "Flandrisches Finale" (1955) und "Der kretische Krieg" (1957) sowie die Novelle "Dem Erdboden gleich" (1958), die stark autobiographisch gefärbt sind.
Ab 1958 arbeitete Günther als Drehbuchautor, Dramaturg und Szenarist für das DEFA-Studio Babelsberg. Im Zuge dieser Tätigkeiten trat sein literarisches Schaffen in den Hintergrund. Insbesondere in den Jahren ab 1961 rückte der Film in den Mittelpunkt. Für "Das Kleid" (1961), Konrad Petzolds Variation des Märchens "Des Kaisers neue Kleider", steuerte Egon Günther das bissige Drehbuch bei und erregte damit erstmals Aufsehen. Der systemkritische Film wurde von der DDR-Obrigkeit prompt verboten und kam erst nach der Wende zur Aufführung.
Günthers Regiedebüt "Lots Weib" (1964) hingegen, der auf einem Szenario seiner damaligen Frau Helga Schütz beruhte, setzte sich zwar kritisch mit damaligen Wertvorstellungen auseinander, fand aber zu regulärer Aufführung. Doch schon sein zweiter Film als Regisseur, die subversive Komödie "Wenn du groß bist, lieber Adam" (1965), fiel erneut in Ungnade und wurde noch vor der Fertigstellung verboten. Der "Kellerfilm" schaffte es erst im Herbst 1990 zur Uraufführung – und wurde mit einer Ehrenhaften Erwähnung beim FIPRESCI-Preis des Forums der Berlinale ausgezeichnet.
Früh zeichnete sich also das stets spannungsgeladene Verhältnis des Regisseurs zu seinem politischen und gesellschaftlichen Umfeld ab. Obwohl Günther kritisch beobachtet wurde, wurde er gleichzeitig für seine durchweg zeitgemäßen Inszenierungen und seine innovative Bildsprache, wie beispielsweise in seinem ersten nationalen Erfolg, der Literaturverfilmung "Abschied" (1968) zu sehen, wertgeschätzt.
Seinen internationalen Durchbruch schaffte Egon Günther schließlich mit "Der Dritte" mit dem er 1972 den Hauptpreis des Internationalen Filmfestivals von Karlovy Vary gewann, und mit dem Hauptdarstellerin Jutta Hoffmann schlagartig bekannt wurde. Darüber hinaus wurde Günther 1972 der DDR Nationalpreis III. Klasse für Kunst und Literatur verliehen.
Nur wenig später erlebte der streitbare Regisseur dann jedoch wieder einen Rückschlag. Sein impressionistischer Gegenwartsfilm "Die Schlüssel", den er selbst als "Happening" bezeichnet und in dem erneut Jutta Hoffmann neben Jaeckie Schwarz eine Hauptrolle spielte, kam beim Publikum nicht an und durfte nach Protesten von polnischer Seite, die ihr Land falsch dargestellt sah, nicht mehr außerhalb der DDR gezeigt werden.
Egon Günther wurden in der Folge nunmehr ausschließlich Literaturverfilmungen angeboten. "Lotte in Weimar", der 1975 für eine goldene Palme in Cannes nominiert wurde, lässt sich in diesem Zusammenhang als der Beginn eines Goethe-Zyklus betrachten, in dem er "Die Leiden des jungen Werthers" (1976), die Dokumentation "Weimar, du Wunderbare" (1978) sowie das Fernsehspiel "Euch darf ich's wohl gestehen" (1981) folgen ließ.
Unterdes hatte Egon Günther auch selbst das Schreiben nie aufgegeben. So veröffentlichte er unter anderem 1971 den Roman "Rückkehr aus großer Entfernung", in dem ein ehemaliger KZ-Häftling einen Kriegsverbrecher jagt, 1974 dann "Einmal Karthago und zurück", ein wieder deutlich autobiografisch gefärbtes Werk über die Filmszene der DDR sowie 1981 den Roman "Reitschule", in dem er familiäre Erfahrungen verarbeitet. Man merke seinen Büchern stets an, dass sie von einem Filmemacher geschrieben seien, hält Günther 1976 fest.
Mit seinem nächsten nicht-literarischen Stoff beim Film eckte Egon Günther erneut an: "Ursula" war 1977 die erste Koproduktion des Schweizer und des DDR-Fernsehens, stieß jedoch in beiden Ländern auf Ablehnung durch das Publikum. Stein des Anstoßes waren unter anderem sexuell freizügige Szenen, die sehr naturalistische Bildsprache sowie die polarisierende Thematisierung von Religion.
In der Folge trat SED-Mitglied Günther aus dem Verband der Filmschaffenden der DDR aus und verließ das Land, wenngleich er seinen ostdeutschen Pass sowie sein Haus in der Nähe von Potsdam behielt. Seiner weiteren Regiearbeiten entstanden jedoch nunmehr ausschließlich in Westdeutschland, und er sollte erst 1990 wieder in die späte DDR zurückkehren.
Im Westen arbeitete er sowohl für den Film als auch fürs Fernsehen, wo er mit der siebenteiligen Filmreihe "Exil" (1980) Erfolg hatte, eine Romanverfilmung nach Lion Feuchtwanger, die vom WDR ausgestrahlt wurde. In "Morenga", einer Uwe-Thimm-Adaption, die auf der Berlinale 1985 uraufgeführt wurde, setzte er sich kritisch mit der deutschen Kolonialgeschichte im heutigen Namibia auseinander und war überdies selbst in einer kleinen Rolle als Kolonialoffizier zu sehen. 1987 wird der TV-Dreiteiler "Heimatmuseum" nach dem Siegfried-Lenz-Bestseller ein großer Zuschauererfolg.
Mit "Stein" inszeniert Günther 1990/91 schließlich eine der letzten DEFA-Produktionen, diese bleibt jedoch ohne Publikumsresonanz. Für "Lenz. Ich aber werde dunkel sein" (1992) einem essayistischen Fernsehfilm über das Leben des deutsch-baltischen Schauspielers und Dichters wurde Egon Günther dann beim Grimme-Preis 1993 mit dem Sonderpreis des Kultusministers von Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.
In den Folgejahren zog sich der Regisseur immer mehr aus dem Filmgeschäft zurück, widmete sich aber der Weitergabe seines Wissens an der Filmhochschule Babelsberg, wo er seit 1992 als Professor tätig war. 1999 erschien mit "Die Braut" sein letzter großer Film, in dem er, passend zum Goethejahr abermals auf des Dichters Spuren, das Leben der Christiane Vulpius in den Mittelpunkt rückte. Im Juni desselben Jahres erhielt Egon Günther beim Deutschen Filmpreis dann schließlich den Ehrenpreis in Gold für sein Gesamtwerk.
Weitere Ehrungen folgten im neuen Jahrtausend: 2002 erhielt er den Preis der DEFA-Stiftung für seine Verdienste um den deutschen Film. Seit 2014 trägt ein Stern auf dem Berliner "Boulevard der Stars" den Namen Egon Günthers, und im Herbst 2016 wurde Günther, der mit seiner Frau Franziska in Groß Glienicke bei Berlin lebte, nach mehrfachen Vorschlägen und längerer Anbahnungszeit schließlich zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Schneeberg ernannt.
Am 31. August 2017 starb Egon Günther im Alter von 90 Jahren nach langer, schwerer Krankheit in Potsdam.