Jetzt und in der Stunde meines Todes

DDR 1963 Spielfilm

Inhalt

Ella Conradi, eine engagierte Journalistin aus Westdeutschland, berichtet in Jerusalem vom Prozess gegen den Nazi-Verbrecher Eichmann. Angewidert von den Ungeheuerlichkeiten, die während der Verhandlung offen gelegt werden, kehrt sie schließlich nach Deutschland zurück. Hier will sie sich wieder ganz gewöhnlichen Fällen und Gerichtsverhandlungen widmen. Ihr erster Auftrag betrifft den Mordprozess gegen einen Mann namens Ralf Jordan, der fortwährend seine Unschuld beteuert.

Conradi, die ihm glaubt und ihm helfen will, beginnt zu recherchieren – und sticht in ein politisches Wespennest. Denn die Hintergründe des Falls reichen bis in die Nazizeit zurück und betreffen Funktionäre des Dritten Reichs, die in Westdeutschland mittlerweile wieder zu Amt und Würden gekommen sind. Und auch Jordan ist nicht der Unschuldige, der er zu sein vorgibt. Als die Betroffenen erkennen, dass Evas Enthüllungen ihre Machtpositionen gefährden könnten, versuchen sie, die Journalistin einzuschüchtern – ohne Erfolg. Am Ende bezahlt Eva ihre Unbeugsamkeit mit dem Leben

Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.

 

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
Westdeutschland zu Beginn der 1960er Jahre. Der Bahnhof Frankfurt/Main ist zu sehen, verwackelt und angeschnitten: Mit Siegfried Hönickes subjektiver Kamera sehen wir das Treiben im Bahnhofsviertel des westdeutschen Wirtschaftszentrums aus den Augen der Mörder, die in einem Auto sitzen und ihr Opfer, das zu Fuß unterwegs ist, verfolgen. Es ist ein politischer Auftragsmord, dessen Hintergründe, wie erst viel später herauskommt, in die NS-Zeit zurückreichen.

Schnitt. Das bundesdeutsche Fernsehen überträgt den Jerusalemer Eichmann-Prozess. Der Angeklagte spricht gerade über Verbrechen in Ungarn, die – allerdings nur für Eingeweihte – mit einem Mann zusammenhängen, der im Nachkriegs-Westdeutschland unbehelligt als Geschäftsmann in Bremen lebt. Es ist nur ein kurzer O-Ton-Ausschnitt, bevor Frank Müller zu sehen ist, der vom Schreibtisch aus auf den kleinen Bildschirm blickt. Der Verleger des Wochenmagazins „Weltbild“ wartet auf ein Telefongespräch mit Jerusalem.

Am anderen Ende der Leitung ist „seine“ Journalistin Ella Conradi, die darum bittet, von ihrer Aufgabe, über den Eichmann-Prozess zu berichten, entbunden zu werden. Die junge Frau ist entsetzt über die dort zur Sprache gekommenen Ungeheuerlichkeiten aus den Konzentrationslagern und meint, nervlich nicht mehr in der Lage zu sein, weiterhin dem Verfahren zu folgen. In einer Bar, dessen Besitzer aus Wien stammt, verabschiedet sie sich von einem liebgewonnenen Kollegen, Mosche. Der dem Holocaust in den USA entkommene Journalist, bereits auf dem Sprung nach Paris, wo er sich mit Sartre und Picasso trifft, ist mit der Führung dieses Schauprozesses nicht einverstanden und sensibilisiert die offenbar in ihn verliebte Deutsche für das Thema: Es reiche nicht, so Mosche, eine Symbolfigur wie Adolf Eichmann zu verurteilen, die ganzen Mittäter müssten ebenfalls vor Gericht gestellt werden – und zwar in Deutschland.

Alles auf Anfang. Adrian Haupt fühlt sich verfolgt. Und das hat explizit mit dem Jerusalemer Eichmann-Prozess zu tun. In Ost-Berlin hat es eine Pressekonferenz gegeben, wo Dokumente vorgelegt und Namen genannt worden sind. Plötzlich herrscht große Nervosität in führenden westdeutschen Politik- und Wirtschaftskreisen, auch und gerade in Frankfurt. Wo die Nachtausgaben der Zeitungen gerade vom Mord an einem Georg Kirchner berichten. Haupt versucht alles, noch in der Nacht ins Ausland fliegen zu können. Die einzige erreichbare Destination ist Amsterdam – allerdings erst um fünf Uhr in der Frühe. Bis dahin versucht er, sich möglichst unter Leuten aufzuhalten, etwa am Tresen eines Nachtclubs (mit Rolf Hoppe als Portier!). Sein Plan misslingt – seine Verfolger haben in besagtem Auto auf ihn gewartet...

In die „Weltbild“-Redaktion zurückgekehrt, beauftragt Müller die „schöne Ella“, wie sie in Kollegenkreisen durchaus anerkennend genannt wird, sich um beide Mordfälle zu kümmern. Die bald als „Doppelmord“ gehandelt werden, da sie mit der gleichen Waffe begangen wurden. Kommissar Martin Hendrik und sein Assistent sind sich sicher, mit dem bis dahin unbescholtenen Industriekaufmann Ralf Jordan den Täter verhaftet zu haben. Weshalb Staatsanwalt Dr. Becker bereits an seinem Plädoyer arbeitet.

Vorschnell, wie nicht nur Ella Conradi meint, die bei ihren Recherchen auf merkwürdige Zusammenhänge stößt. So wurden mit fadenscheinigen Argumenten in letzten Augenblick Geschworene ausgetauscht. Ella spricht mit zahllosen Zeitzeugen, so mit Georg Kirchners Verlobter Beate. Sie glaubt inzwischen den Unschuldsbeteuerungen Jordans. Das tut der Polizeipräsident Max Gamme zwar nicht, rät Dr. Becker aber dennoch dazu, die Beweisführung nicht mit allzuviel Material zu befrachten, wo es doch am besten wäre, Jordan laufen zu lassen. Als Georg Kirchner plötzlich wieder auftaucht, er hatte bei dem Attentat nur einen Streifschuss abbekommen und war in die Schweiz geflüchtet, ist die These vom Doppelmord geplatzt – und damit bricht das Kartenhaus der Anklage völlig in sich zusammen. So mutiert das vom Gerichtsvorsitzenden geleitete Verfahren zum Schauprozess und Jordans Rechtsanwalt Dr. Welk hat leichtes Spiel, seinen Mandanten freizubekommen.

Ella Conradis Recherchen ergeben, dass von einer erfolgreichen Entnazifizierung nicht gesprochen werden kann. Zahllose NS-Verbrecher sind inzwischen wieder in Amt und Würden. Und haben die Mittel, um Ella zu kidnappen und zusammenzuschlagen. Max Gamme kennt die Täter, behält aber aus eigenem Interesse sein Wissen für sich. Und zieht Martin Hendrik sicherheitshalber vom Fall ab, der offen seine Sympathie für Ella zeigt, welche sich nicht einschüchtern lässt. Auch nicht von ihrem Chef Frank Müller, der sie nach einem entsprechenden Wink von ganz oben entlässt: „Ich habe kein Talent zum Untergang, ich habe eine Zeitung.“

Nach einer weiteren Pressekonferenz in Ost-Berlin muss Max Gamme seinen Rücktritt einreichen. Ella Conradi und der sie heimlich unterstützende Martin Hendrik bekommen heraus, dass der gescheiterte Anschlag auf Georg Kirchner nur dazu dienen sollte, einen Doppelmord im kriminellen Milieu vorzutäuschen, um politische Motive leichter ausschließen zu können. Ralf Jordan dringt in die Wohnung der Journalistin ein, um sie wie Adrian Haupt zuvor im Auftrag der gleichen Hintermänner zu töten. Es gelingt Ella Conradi nur noch, den Namen ihres Mörders in ein in der Schreibmaschine steckendes Manuskript zu schreiben. Martin Hendrick kommt zu spät. Als auch Jordan, als unbequemer Mitwisser, sein Leben lässt, gibt es für ihn nur noch eines: seinem Gewissen zu folgen und auf eigene Faust weiter zu ermitteln...

Der in Totalvision gedrehte, knapp einhundertminütige Schwarzweiß-Film reiht sich bei oberflächlicher Betrachtung in die parteilichen Defa-Kampagnenfilme ein, die nach dem Mauerbau den Kalten Krieg medial begleiten wenn nicht gar emotional befeuern sollten. Wozu der offene Schluss freilich nicht so recht passen will, nachdem es doch noch aufrechte, nur ihrem Gewissen verpflichtete Kriminalisten in Westdeutschland gibt, die nicht alle Ideale auf dem Altar der Karriere opfern. Naturgemäß hat sich der SED-Staat als das – zumindest moralisch – bessere Deutschland in Szene zu setzen versucht, wozu die auf den Jerusalemer Eichmann-Prozess folgenden Nazi-Verfahren in der Bundesrepublik gern als Argumentationshilfe genutzt worden sind.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Schnitt

Musik

Darsteller

Alle Credits

Regie-Assistenz

Drehbuch

Dramaturgie

Requisite

Kostüme

Schnitt

Musik

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
2660 m, 987 min
Format:
35mm, 1:2,35 (Totalvision)
Bild/Ton:
s/w
Aufführung:

Uraufführung (DD): 31.10.1963, Berlin, Colosseum

Titel

  • Originaltitel (DD) Jetzt und in der Stunde meines Todes
  • Arbeitstitel (DD) Anschrift und Gesicht
  • Titelübersetzung (eng) Now and in the Hour of Death

Fassungen

Original

Länge:
2660 m, 987 min
Format:
35mm, 1:2,35 (Totalvision)
Bild/Ton:
s/w
Aufführung:

Uraufführung (DD): 31.10.1963, Berlin, Colosseum