Zwangsarbeit in einem Filmstudio

Das Babelsberger Studio konnte den Betrieb während des Zweiten Weltkriegs nur deshalb wie geschehen aufrechterhalten, weil zwangsverpflichtete Arbeiterinnen und Arbeiter zwölf bis fünfzehn Stunden am Tag auf dem Gelände des Babelsberger Filmstudios eingesetzt wurden. Als Bühnenarbeiter/in und als Beleuchter/in, in der Ton- oder Elektrowerkstatt, in der Schlosserei oder an der Instandsetzung des Geländes haben hunderte von Menschen gearbeitet, die aus von den deutschen Truppen besetzten Gebieten rekrutiert wurden.

Noch ist dazu viel Forschungsarbeit zu leisten, die Anzahl der Zwangsbeschäftigten im Studio Babelsberg ist noch nicht verbindlich für jedes Jahr ermittelt – sicher ist gleichwohl, dass die Ufa im Jahr 1942 ein eigenes Lager auf dem Babelsberger Gelände errichten ließ. Dieses soll eine Kapazität von bis zu 610 Personen gehabt haben, wobei die sogenannten "Westarbeiter" zusätzlich auch in Potsdamer Privathäusern untergebracht waren. Den Forschungen der Historikerin Almuth Püschel zufolge waren die ersten im Filmstudio beschäftigten Zwangsarbeiter französische Kriegsgefangene. Danach kamen niederländische Studenten, die sich nach der Besetzung der Niederlande geweigert hatten, eine Loyalitätserklärung gegenüber der Besatzungsmacht zu unterzeichnen. Die meisten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter kamen jedoch aus Russland und Polen beziehungsweise aus der Ukraine und Weißrussland nach Potsdam (die so genannten "Ostarbeiter"). Sie und ihre Familien wurden in der Regel gewaltsam nach Deutschland verschleppt.

"Särge sind nicht vorgeschrieben"
Obschon die Ufa bereits 1939 als Wehrwirtschaftsbetrieb eingestuft worden war, wurden ihre Mitarbeiter auch in anderen Wehrwirtschaftsbetrieben und an der Front eingesetzt, so dass der Ufa-Vorstand den Mangel an Arbeitskräften beklagte. Zu den Gründen für diesen Mangel zählen überdies die systematische Verfolgung der jüdischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und konsequente Berufsverbote, die bereits in den frühen 1930er Jahren auch in Babelsberg durchgesetzt wurden. Die Regierung reagierte auf die Forderungen des Ufa-Vorstandes nach mehr Arbeitskräften und ließ je nach Bedarf immer wieder neue Zwangsbeschäftigte nach Potsdam kommen.

So erhielt der Babelsberger Ufa-Betrieb im November 1943 einen Neuzugang von 123 Männern, 90 Frauen und 45 Kindern aus der Sowjetunion. Nach den Recherchen des Filmhistorikers Rainer Rother lebten im Februar 1944 im Babelsberger Lager für Zwangsarbeiter "241 Ost- und 289 Westarbeiter" und am 20. Juli wurde 1944 mitgeteilt, dass "für den Babelsberger Betrieb 100 Russen zugesagt sind, die jedoch erst in etwa drei Wochen einsatzfähig werden"; am 23. Oktober wurden dem "Betrieb Babelsberg 200 Polinnen zur Arbeitsleistung zugeteilt". Almuth Püschel hat darauf hingewiesen, dass auch externe Firmen, die im Auftrag der Ufa arbeiteten, Zwangsarbeiter beschäftigten – so ließ zum Beispiel die Berliner Firma Polensky Luftschutzanlagen für das Filmstudio durch KZ-Häftlinge aus Sachsenhausen errichten, die in einem Außenlager unweit von Ufa und DRK untergebracht waren.

Die höchste Kindersterblichkeit gab es in Potsdam in den Lagern der ARADO-Werke und der Ufa – ein Indiz für die grausamen Bedingungen, unter denen die Menschen in diesen Lagern gelebt haben. Als Todesursachen wurden meistens Infektionskrankheiten sowie Unterernährung verzeichnet. Die Kinder wurden wie auch die zu Tode gekommenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter namenlos in Reihengräbern bestattet. "Särge sind", wie es in den Vorschriften hieß, "nicht vorgeschrieben, jedoch ist jede Leiche (ohne Bekleidungsstücke, sofern diese noch anderweitig verwendbar sind) mit starkem Papier oder sonst geeignetem Material vollständig einzuhüllen." Grabstätten sind heute, so Almuth Püschel, "in Potsdam auf dem Neuen Friedhof in der Heinrich-Mann-Allee und auf dem Friedhof in der Goethestraße in Babelsberg" zu finden.

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
"Germanin": Szene mit Luis Trenker (vorne) und Komparsen aus dem Lager Luckenwalde

Komparsen aus dem Lager
Die meisten der Zwangsbeschäftigten blieben in Filmproduktionen unsichtbar. Ausnahmen bildeten Filme wie "Tiefland" (1940-1944, Uraufführung 1954) von Leni Riefenstahl und "Germanin" (1942/1943) von Max W. Kimmich, in denen Lagerinsassen als Statisten eingesetzt wurden. In beiden Fällen sind die Einsätze mit rassistischen Stereotypen verbunden: So ließ Riefenstahl Sinti und Roma für ihren Film verpflichten, "um das spanische Kolorit zu verstärken", wie sie später in ihren Memoiren schrieb. "Germanin" präsentierte als "Geschichte einer kolonialen Tat" die revisionistische Variante der Erfindung des Medikaments Bayer 205 gegen die Schlafkrankheit in Afrika. Dafür erwirkte Regisseur Kimmich, mit Hilfe des Reichspropagandaleiters Dr. Goebbels persönlich, "die Zurverfügungstellung" von 300 aus dem Straflager Luckenwalde bei Berlin inhaftierten französischen Kriegsgefangenen als, wie es in der Korrespondenz hieß, "Negerkomparsen". Wie aus der entsprechenden "Vorlage für Reichsleiter Bormann" hervorgeht, sollten sie "statt nach Südfrankreich", wie ursprünglich von Hitler angeordnet, der keine Schwarzen im Deutschen Reich wünschte, "nach Italien gebracht werden, um dort dem staatspolitisch wichtigen Film 'Bayer 205' [Arbeitstitel für "Germanin"] für etwa 8-12 Wochen zur Verfügung zu stehen".

"Afrika zeigen, wie es leibt und lebt"
Zusätzlich zu den 300 Kriegsgefangenen aus dem Straflager Luckenwalde wurden auch 100 weibliche Statistinnen für "Germanin" benötigt. Luis Trenker, einer der Stars dieses Films, notierte dazu in seiner Autobiografie: "Der Film sollte Afrika zeigen, wie es leibt und lebt, und dazu gehörten außer Affen, Palmen, Elefanten und Leoparden […] eben Neger – und zwar auch Frauen und Kinder." Deswegen schickte man, so Trenker, den Aufnahmeleiter Raffaele Delago nach Paris, der dort persönlich Frauen "aller Farbschattierungen und Stände auf[trieb], die bereit waren, mit ihren Kindern gegen entsprechende Bedingungen ein mehrwöchiges Filmgastspiel in Rom zu geben". Nach den Dreharbeiten zu "Germanin" wurden die französischen Gefangenen aus Luckenwalde in die Lager nach Bordeaux in Südfrankreich gebracht, wie auch ursprünglich von Hitler geplant. Ihr weiteres Schicksal ist bis heute weitgehend ungeklärt.

Leni Riefenstahl ließ für ihren Film "Tiefland" 68 Sinti und Roma aus dem Lager Marzahn bei Berlin verpflichten; die Wahl resultierte nicht zuletzt aus der Nähe des Lagers zum Filmstudio in Babelsberg. Etliche weitere kamen aus dem Lager Maxglan in der Nähe von Salzburg, um an Dreharbeiten in Mittenwald und den Dolomiten teilzunehmen, wohin auch die 68 Zwangsbeschäftigten aus Marzahn verbracht wurden. Obwohl Riefenstahl immer wieder behauptete, sie habe "ihre" Komparsen "nach dem Krieg fast alle wiedergesehen", haben Historiker wie auch der Sinti- und Roma-Verein KETANI das Gegenteil belegen können: Fast alle "Tiefland"-Komparsen wurden nach den Dreharbeiten in Auschwitz ermordet.

Den wenigen Überlebenden gelang es aufgrund der 50 Fotografien, die die Fotografin Erika Groth-Schmachtenberger 1940 während der Dreharbeiten in Krün aufnahm, ihre Angehörigen zu identifizieren. Der Schriftsteller Reimar Gilsenbach hat diese Spur bis in die Totenbücher von Auschwitz verfolgt. "Eine Arbeit, die für die Statisten aus Maxglan noch nicht geleistet worden ist", wie Filmemacherin Nina Gladitz in einem Interview bezüglich ihres Films "Zeit des Schweigens und der Dunkelheit" (1981/1982) und der damit verbundenen Prozesse Riefenstahl gegen Gladitz (1983 und 1987) anmerkt.

Theresienstadt
"Tiefland" und "Germanin" waren nicht die einzigen Filme, für deren Herstellung die Zwangsbeschäftigten aus den Arbeitslagern und KZs eingesetzt wurden – so konnten zum Beispiel auch zwei weitere im Nationalsozialismus realisierte Kolonialepen "Ohm Krüger" (1941) und "Carl Peters" (1940/1941) nur durch Zwangsverpflichtung von Statistinnen und Statisten realisiert werden.

Das wohl perfideste Beispiel für den Einsatz von Zwangsarbeitenden und KZ-Häftlingen im NS-Film ist jedoch der vermeintliche Dokumentarfilm "Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet" (1944). Von der SS in Auftrag gegeben und für ein ganz bestimmtes Publikum – das Internationale Rote Kreuz – gedacht, zeigt der Film ein gezielt verfälschtes Bild vom Leben im KZ Theresienstadt, zu dem hier Arbeit, Sport, Erholung und diverse Kulturveranstaltungen gehören. Fast alle Mitwirkenden waren Häftlinge.

"Zweck dieses Films war es," so der Historiker Karel Margry, "ein falsches Bild von Theresienstadt zu geben und die Außenwelt darüber zu täuschen, was wirklich mit den europäischen Juden geschah. Der Film wurde im August und September 1944 gedreht; seine Darsteller waren die jüdischen Häftlinge des Lagers selbst: Hunderte wurden als Statisten eingesetzt oder mußten eine spezielle Rolle übernehmen. Die SS-Lagerkommandantur machte den Berliner Kabarettisten, Schauspieler und Regisseur Kurt Gerron, selbst Häftling in Theresienstadt, zum Leiter eines jüdischen Produktionsstabes. Ein Kamerateam der Prager Wochenschau-Gesellschaft Aktualita kam nach Theresienstadt, um die eigentlichen Dreharbeiten im Lager durchzuführen. Der Film wurde in Prag geschnitten und im März 1945 fertiggestellt."

Gerron hatte dabei unter anderem Tagesberichte an die SS-Kommandantur zu liefern sowie Befehlen des Lagerkommandanten Karl Rahm zu folgen und kann, wie Karel Margry gezeigt hat, keineswegs leichthin als "der Regisseur" dieses Films bezeichnet werden. Tatsächlich wurde die Regie im August 1944 von Karel Pecený übernommen, dem Direktor der Aktualita, und Gerron zunächst zum Regieassistenten degradiert, bevor schließlich Ivan Fric, ein Angestellter der Aktualita, den Schnitt und die Vertonung übernahm, ohne sich dabei an die Vorlage Gerrons zu halten. Noch vor Fertigstellung des Films wurde Kurt Gerron am 28. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.