Die 1970er Jahre

Dieses Jahrzehnt brachte den Niedergang der großen Kinosäle, ihre Zersplitterung in sogenannte "Kinocenter". Warnungen, die Vorführungen auf kleiner Leinwand in engen, niedrigen Räumen bringe die Besucher um das eigentliche Kinoerlebnis und zerstöre jene magische Atmosphäre, die Teil der Attraktivität dieses Mediums sei, verhallten ungehört. Balkone wurden abgetrennt und in kleine Kinos verwandelt, Säle im Souterrain ausgebaut. Darüber hinaus betonten die Theaterbetreiber in vielen dieser "Schachtelkinos" den Wohnzimmercharakter noch durch sofabreite Doppelsessel. Nur wenige Innenstadtkinos blieben in ihrer Größe und einstigen Pracht erhalten, die Mehrzahl verkleinerte sich bis hin zur Unansehnlichkeit. Die wenigen noch verbliebenen Stadtteilkinos sahen sich ebenfalls zu Änderungen gezwungen: Aus ihnen wurden in vielen Fällen Pornokinos.

 

Programmkino

Quelle: DIF
Ein "Schachtelkino" der 1970er Jahre
 

Als Gegentrend brachten die 1970er Jahre auch vermehrte Anstrengungen der etablierten Filmkunsttheater in den Großstädten sowie das Aufblühen der Kommunalen und der Programmkinos, die sich in der AG Kino zusammenschlossen. Diese spielten sowohl Filmklassiker als auch neueste Produktionen, womit sie dem Neuen Deutschen Film, dem europäischen Autorenkino, dem unabhängigen Hollywood-Film und dem Film aus Asien und Osteuropa eine Plattform boten. Durch eigene Programmzeitungen, Veranstaltungen und Szenetreffs konnten sie ein Stammpublikum an sich binden, auch alteingesessene Theaterbesitzer (oder deren Kinder) widmeten nicht selten eines ihrer Kinos der Filmkunst.

Ketten

Quelle: Film-Echo/Filmwoche Nr. 17 v. 24.3.1971
Das Scala Filmtheater in Saarbrücken
 

Zum Schrittmacher der Zellteilung von Kinos wurde vor allem Heinz Riech, der 1971 die Ufa-Kinokette mit 35 Häusern gekauft hatte und sogleich mit der Aufteilung des Hamburger "Ufa-Palasts" begann: zuerst in vier Säle, dann in acht, dann in zwölf und schließlich sogar in 16. Die erwartete Flexibilität beim Abspiel in Zeiten stetig sinkender Besucherzahlen und die weitere Zersplitterung von Publikumsinteressen waren die Hauptgründe für die Verkleinerung. Dies führte dazu, dass 1974, 1976 und 1978 die Zahl der Leinwände im Vergleich zu den Vorjahren zwar stieg, die Zahl der Sitzplätze jedoch ständig abnahm und 1978 erstmals unter eine Million fiel. Zugleich setzte sich der Konzentrationsprozess in der Branche weiter fort, da viele Theaterbesitzer die Mittel für die notwendigen Umbauarbeiten nicht aufbringen konnten. Die "Süddeutschen Filmbetriebe" von Hubertus Wald wurden nach der Ufa die zweitgrößte Kinokette in der Bundesrepublik.

Neuer Deutscher Film

Quelle: BArch, DFM, FMD
Plakat "Die Blechtrommel" (1979)
 

Während ab Mitte der 1970er Jahre der Neue Deutsche Film mit Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Werner Herzog und Volker Schlöndorff auch international von sich Reden machte und mit Filmen wie "Die Ehe der Maria Braun", "Der amerikanische Freund", "Nosferatu" oder "Die Blechtrommel" ein breiteres Publikum suchte, versank die übrige bundesdeutsche Spielfilmproduktion zusehends in der Bedeutungslosigkeit. Dass auch sogenannte "Dödel-Filme" wie z.B. "Laß jucken, Kumpel" weder Produktion noch Verleih am Leben halten konnten, bewies der Konkurs der "Constantin Film" 1977. Zwei Jahre später reiften in der Bavaria erste Pläne für zukünftige Großfilme Made in Germany.

Blockbuster

Auch Hollywood startete eine neue Offensive mit Katastrophen- und Science-Fiction-Filmen. Die großen Studios, die US-Majors, hatten ihre Politik der Beschränkung auf wenige, kassenstarke Filme, deren Start sie mit erheblichem Werbeaufwand begleiteten, bereits Ende der 1950er Jahre angekündigt und im folgenden Jahrzehnt erprobt: Während sie die Zahl der neu in die Kinos kommenden Filme senkten, erhöhten sie ihren Anteil am Verleihumsatz. Aber erst mit Beginn der 1970er Jahre hatte sich in der US-Produktion das Blockbuster-System (wenige, teuer ausgestattete, aufwendig hergestellte Filme) eingespielt, und die Majors setzten es nunmehr auch im Verleih durch – mit entsprechend erhöhter Leihmiete."Der weiße Hai" brach 1974 alle Kassenrekorde und wurde erst drei Jahre später durch "Krieg der Sterne" von Platz eins der Hitliste verdrängt. Solche Filme brauchten jedoch zur Entfaltung ihrer Effekte die große Leinwand und gute Technik. 1978 wurde das Arri-Kino in München als erstes der Bundesrepublik mit einer Dolby-Stereo-Anlage ausgestattet, ein Jahr später verfügten 100 Kinos über die Anlage, um den James-Bond-Film "Moonraker - Streng geheim" angemessen spielen zu können. Die Zwickmühle war absehbar: Blockbuster-Filme mobilisierten die Massen – aber für die gab es kaum noch geeignete Kinos.

 

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Dieser Artikel basiert auf den Texten von Claudia Dillmann und Thomas Möller zur Kinogeschichte des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater e. V. (HDF) "50 Jahre Kino in Deutschland"