Interview mit Corinna Belz
Quelle: Dokumentarfilminitiative, © Mathis Hanspach |
Corinna Belz |
Einige Fragen an Corinna Belz, Regisseurin ("Gerhard Richter Painting")
Worin besteht für Sie die Faszination des dokumentarischen Porträts?
Mich fasziniert die oder der Andere.
Wie entwickeln Sie in Ihrer neuen Arbeit über Peter Handke die Umsetzung von Literatur in Bilder?
Peter Handkes Prosa ist sehr reich an Bildern, die man als Leser auch wie extreme Nahaufnahmen oder Totalen auffassen kann. Eine der Nebenwirkungen beim Lesen ist ja das Entstehen innerer Bilder; der Text visualisiert sich wie von selbst vor dem inneren Auge. Es handelt sich dabei um einen sehr individuellen, subjektiven Vorgang, der unter anderem den Reiz und die identitätsstiftende Faszination des Lesens ausmacht. Die Bedeutung des Lesens ist ein Thema meines Films, das über ein Porträt hinausweist. Während der Vorbereitung und Drehphase habe ich einiges ausprobiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass bei dem Versuch, einen Text direkt umzusetzen, oft falsche Analogien entstehen. Sprachbilder und Filmbilder stören dann einander. Ich versuche diese Konkurrenz auf eine Weise zu lösen, die ganz auf die Stimme des Schriftstellers setzt und eine Bildebene schafft, die im Raum bleibt, oder aber durch die grafische Gestaltung von Schrift den Betrachter vom Zuschauer zum Leser werden lässt. So dass man dieses Kippen von einer Kulturtechnik in die andere, vom Lesen zum Schauen und umgekehrt bewusst und lustvoll erleben kann.
Wie entgeht man in der Arbeit mit prominenten und medienerfahrenen Protagonisten der Gefahr einen Film der Selbstdarstellung zu machen?
Quelle: Piffl Medien, DIF, © Piffl Medien |
"Gerhard Richter - Painting" (2011) |
Dem kann man nicht entgehen, man kann es nur thematisieren. Außerdem sehe ich Selbstdarstellung nicht pejorativ. Ein gutes Beispiel dafür ist Gustave Courbet, der sich oft auf seinen Bildern dargestellt hat, so wie ja auch viele andere Künstler Selbstporträts gemalt haben.
Und es gibt von Louise Bourgeois einen schönen Satz, wovon ihrer Kunst handelt: "The thrill of looking and being looked at".
Ist das nicht der Kern des Dokumentarfilms? Denn schon Nanouk, wenn auch nicht 'medienerfahren', wusste ja, dass er aufgenommen wird und etwas darstellt.
Mit dem digitalen Foto / Film und deren Verbreitung im Internet ist sozusagen eine Demokratisierung der Selbstdarstellung und eine Vielzahl von Medienerfahrungen ausgelöst worden, die täglich eine Flut von Selbstporträts erzeugt, egal ob jemand prominent ist oder nicht. Bloß, wer soll sich das alles anschauen?
Es gibt ja auch Leute, die einzig prominent sind, weil andere ihre Selfies anschauen. Vielleicht muss man auch die Bedeutung von Prominenz neu definieren.
Was kann ein Porträt als filmische Form heute noch leisten? Was kann es im Umgang mit prominenten und öffentlich durchleuchteten Protagonisten noch zeigen?
Zunächst glaube ich nicht, dass Prominente "durchleuchtet" werden. Es gibt bestimmte Bilder, wie auch Meinungen und Anekdoten, die ab einem gewissen öffentlichen Interesse, einer gewissen Prominenz endlos recycelt werden.
Das sieht man besonders, wenn man sich in den Fernseharchiven Beiträge zu einem prominenten Namen ab Mitte der Siebziger anschaut. Jeder schreibt und filmt vom anderen ab und so geht es endlos weiter. Die Beiträge werden immer kürzer und das vermittelte Wissen immer schmalbrüstiger. (Heute fängt fast jeder Beitrag, Artikel über Richter damit an, dass er der teuerste lebende Künstler ist. Darin besteht in Bezug auf Richter die Wissenserweiterung seit Ende der Neunziger.)
Jenseits der Medien sind wissenschaftliche Arbeiten zum Werk interessant. Natürlich kann auch Archivmaterial wichtig sein, um zu sehen, wie damals gefragt wurde und wie jemand sich zu Beginn seiner Laufbahn geäußert hat. Aber die Person wird da meist auch nicht durchleuchtet. Auch ich durchleuchte nicht, ich bin ja keine Röntgenologin.
Was man zeigen kann (und was nicht) merkt man, wenn man sich ein paar Jahre mit einem Werk, einem Künstler / Schriftsteller beschäftigt. Es gibt formale und inhaltliche Grenzen, auch solche, die man sich selbst setzt. Und manchmal auch überschreitet. Dann kann man nur hoffen, dass etwas dabei herauskommt, was auch ein paar andere Menschen interessiert.
Wenn es niemanden interessiert, so hat man zumindest, wenn man lang genug gedreht hat, interessantes und eventuell wichtiges Archivmaterial geschaffen.