Jenny Jugo
Jenny Jugo (bürgerlich Eugenie Walter) wurde am 14. Juni 1904 in Mürzzuschlag in der Steiermark (damals Österreich-Ungarn) geboren. Nach dem Besuch der Grazer Klosterschule heiratete sie mit nur 16 Jahren den Schauspieler Emo Jugo und zog 1922 mit ihm nach Berlin. Ein Jahr später erfolgte die Trennung. Jenny Jugo blieb in Berlin und lernte bei einer Abendveranstaltung zufällig den amerikanischen Produzenten Ben Blumenthal kennen. Er erkannte ihr Talent und vermittelte einen Kontakt zu Erich Pommer, durch den sie wiederum einen Drei-Jahres-Vertrag bei der Ufa erhielt. Die ungelernte Schauspielerin bekam zunächst Statistenrollen, dann größere Nebenrollen an der Seite etablierter Stars. Vereinzelt erregte sie die Aufmerksamkeit des Publikums. So schrieb ein Kritiker über ihren Part in Rochus Glieses "Die gefundene Braut" (1925): "Ein wirksamer Gegensatz zur Blondheit von Xenia Desni ist die tief brünette Jenny Jugo."
Auf Dauer schien es für das aufstrebende Starlet jedoch wenig aussichtsreich, gegen die populären Stars der Ufa anzutreten, weshalb sie – mit Erlaubnis der Ufa – ein Angebot der wesentlich kleineren Produktionsfirma Phoebus annahm. Dort erhielt sie sehr schnell Hauptrollen, so etwa in dem Actionfilm "Der Kampf gegen Berlin" (1925), dem Drama "Wenn die Liebe nicht wär!" (1925), Carl Boeses Schwank "Ledige Töchter" (1926) und dem Historiendrama "Prinz Louis Ferdinand" (1927).
Nach zahlreichen ernsten Parts zeigte Jugo in der Gesellschaftssatire "Die Hose" (1927) ihr größtes Talent: als charismatische Komödiantin. Sie spielte die Ehefrau eines Kanzleisekretärs, die auf dem Marktplatz vor aller Augen ihre Unterhosen verliert und damit eine Spirale männlicher Begehrlichkeiten auslöst. Der Kritiker des Film-Kurier zeigte sich nicht zuletzt von Jugos Spiel begeistert: "Wenn Jenny Jugo mit ihren großen, fragenden, dummen Kinderaugen in die Welt schaut, ist sie manchmal unwiderstehlich. Sie war noch nie, auch nur annähernd, so gut am Platze wie hier. Man wird sich in der weiteren Rollenauswahl für sie an dieses Experiment halten müssen, wenn man sie wirklich hinaufbringen will."
Das tat man zwar nicht wirklich, doch immerhin spielte Jugo in den nächsten Jahren – nun auch bei der Ufa – Hauptrollen in so unterschiedlichen Filmen wie der modernen Bizet-Adaption "Die Carmen von St. Pauli" (1928), der Verwechslungs- und Liebeskomödie "Die blaue Maus" (1928), dem Abenteuerfilm "Die Schmugglerbraut von Mallorca" (1929) und der Romantikkomödie "Heute Nacht - eventuell" (1930). Bei "Die Carmen von St. Pauli" lernte sie den italienischen Schauspieler Enrico Benfer kennen, den sie wenig später heiratete; bis Mitte der 1930er Jahre drehten die beiden noch acht gemeinsame Filme.
Erst mit Beginn der Tonfilmzeit nahm Jenny Jugo Sprech- und Schauspielunterricht, um sich weiterhin behaupten zu können – mit Erfolg: bald war sie der Star charakteristischer "Jenny-Jugo-Filme" und gehörte neben Zarah Leander und Paula Wessely zu den bestbezahlten Schauspielerinnen der Ufa. Eine besondere Zusammenarbeit verband sie mit dem Regisseur Erich Engel, mit dem sie zwischen 1931 und 1941 elf Filme drehte (teils mit Benfer als Co-Star). Engel besetzte sie in anspielungsreichen Alltagskomödien ("Wer nimmt die Liebe ernst?"; "Pechmarie"), als Eliza in "Pygmalion", sowie in Kostümfilmen ("Mädchenjahre einer Königin"; "Die Nacht mit dem Kaiser"). Sie wirkte in den Filmen gleichermaßen charmant und burschikos, intelligent und keck, womit sie auf ideale Weise den aufgeklärten Humor des Regisseurs transponierte.
Wenngleich die Arbeiten mit Engel prägend für Jugos Laufbahn und Image waren, drehte sie gelegentlich auch mit anderen Regisseuren. Mit Carl Boese etwa die Liebeskomödien "...heute Abend bei mir", "Fräulein Frau" und "Herz ist Trumpf" (alle 1934). Weitere Erfolgsfilme waren Willi Forsts "Allotria" (1936) mit Heinz Rühmann und Josef von Bakys romantische Komödie "Die kleine und die große Liebe" (1938) mit Gustav Fröhlich.
Nicht unproblematisch war Jugos Verhältnis zu den Nazi-Machthabern. So gehörte sie zum engen Freundeskreis der Familie von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (wie man den 2005 veröffentlichten Goebbels-Tagebüchern entnehmen konnte). Der Kurator Guido Altendorf vom Filmmuseum Potsdam gab in einem überaus detailreichen Jugo-Porträt (2007) jedoch zu bedenken, dass man ihr dennoch "eines zugutehalten" müsse, nämlich dass sie den Linksintellektuellen Erich Engel schützte, "indem sie darauf beharrt, dass ausschließlich er ihre Filme inszenieren darf".
Tatsächlich war Engel ab 1939 Jugos einziger Regisseur: Es entstanden die Komödien "Ein hoffnungsloser Fall" (1939), "Nanette" (1940), und "Unser Fräulein Doktor" (1940). "Viel Lärm um Nixi" war 1941 der letzte gemeinsame Film (unter dem Titel "Non mi sposo più" entstand auch eine italienische Version). Im selben Jahr trennte Jugo sich von Enrico Benfer, aufgrund ihrer Beziehung zu ihrem Produzenten Eberhard Klagemann; alle drei blieben jedoch zeitlebens gut befreundet. (Die offizielle Scheidung von Benfer erfolgte erst 1957, als dieser eine neue feste Partnerin fand.)
Bis Kriegsende sah man Jenny Jugo nur noch in der Liebeskomödie "Die Gattin" (1943); Helmut Weiß' "Sag’ endlich ja" (1945, produziert von Klagemann) blieb unvollendet. Nach dem Krieg und der Befreiung Deutschlands zog sie sich auf ihren Gutshof in Oberbayern zurück – sie litt an Depressionen, die gar zu einem Selbstmordversuch führten.
Nach mehreren gescheiterten Projekten konnte Klagemann sie 1948 zurück vor die Kamera holen, um in eigener Regie "Sag’ endlich ja" fertigzustellen. Der Film startete unter dem neuen Titel "Träum' nicht, Annette", bedeutete für Jugo aber nicht das erhoffte Comeback, da das Prestigeprojekt von der DEFA plötzlich aus ideologischen Gründen nur stiefmütterlich vermarket wurde. Danach bekam Jugo eine Hauptrolle in Helmut Käutners Trümmerfilm "Königskinder" (1950). Während der Dreharbeiten schrieb Klagemann an Enrico Benfer: "Du wirst es kaum für möglich halten. Käutner und Jenny sind ein Herz und eine Seele. Sie fragt mich bereits, wann eine Möglichkeit besteht, den nächsten Film mit ihm zu machen." Doch dazu kam es nicht, denn "Königskinder" war kein nennenswerter Erfolg.
Erich Engel, selbst auf der Suche nach einer Comeback-Chance, besetzte seinen einstigen Star 1950 in der deutsch-italienischen Produktion "Land der Sehnsucht" – doch die Dreharbeiten fanden nach langwierigen Finanzproblemen der italienischen Produzenten ein jähes Ende. Nach diesem Desaster beendete Jenny Jugo ihre Filmkarriere endgültig und zog sich mit Klagemann auf ihren Bauernhof zurück. 1971 wurde sie beim Deutschen Filmpreis mit einem Ehrenpreis für "langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film" geehrt.
Eine tragische Wendung nahm Jugos Leben 1975, als sie nach einem Behandlungsfehler im Institut des prominenten Münchner Heilpraktikers Manfred Köhnlechner an den Rollstuhl gefesselt blieb. Trotz des dadurch entfachten Medieninteresses lehnte sie jegliche Interviews und Fotoanfragen ab. Mehr denn je mied Jugo die Öffentlichkeit und verließ ihren Hof im oberbayerischen Schönrain nie wieder. Als die Frauenzeitschrift "Das neue Blatt" sie in den 1980er Jahren zu einer Nostalgie-Gala einlud, antwortete sie: "Kinder, lasst mich aus. Ich tanze nicht, ich singe nicht, ich kann keine Witze erzählen und lese auch nicht aus Rilkebänden. Ich habe nur gefilmt." (Zitiert nach Guido Altendorf).
Ihr Gefährte Eberhard Klagemann produzierte bis Mitte der 1960er Jahre noch einige Unterhaltungsfilme; er starb 1990. Im hohen Alter heirateten Jugo und Enrico Benfer erneut – und trennten sich 1992 endgültig; Benfer starb 1996. Fünf Jahre später, am 30. September 2001, starb Jenny Jugo im Alter von 97 Jahren auf ihrem Bauernhof in Schönrain. Ihr umfangreicher Nachlass befindet sich im Filmmuseum Potsdam.