Harald Leipnitz
Harald Leipnitz wurde am 22. April 1926 in Elberfeld (heute: Wuppertal-Elberfeld) geboren. Unmittelbar nach dem Abitur während des Zweiten Weltkriegs wurde er praktisch von der Schulbank weg direkt zum Kriegsdienst eingezogen. Nach Kriegsende und Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft im Oktober 1945 wollte er eigentlich Medizin studieren. Er traf jedoch einen alten Schulfreund wieder, der in Wuppertal die Künstlergruppe "Der Turm" gegründet hatte; über diese kam Leipnitz zur Laien-Schauspielgruppe der Wuppertaler Bühnen – und fand zu seiner wahren Berufung. Er erhielt Unterricht von Hans Caninenberg und debütierte 1948 in Georg Büchners "Leonce und Lena". In den folgenden zwölf Jahren wirkte er an den Wuppertaler Bühnen in zahlreichen Inszenierungen mit. Ab 1958 übernahm er auch kleinere Fernsehrollen.
1960 ging Leipnitz nach München, wo er ein Engagement am Bayerischen Staatsschauspiel erhielt; in den kommenden Jahrzehnten stand er in München auch an Trude Kolmans Kleiner Freiheit sowie am 'Großen Haus' der Kleinen Komödie auf der Bühne. Weitere Stationen seiner Theaterlaufbahn waren die Ruhrfestspiele in Recklinghausen und Baden-Baden, sowie Engagements in Berlin, Düsseldorf und Stuttgart.
Zugleich kam Anfang der 60er Jahre auch seine Kino- und Fernsehkarriere in Schwung. Nach zahlreichen Fernsehspielen, darunter Arbeiten von Peter Zadek, Rainer Erler, Franz Peter Wirth und Wilhelm Dieterle, gab Leipnitz 1963 sein Kinodebüt in Will Trempers Ensemble-Drama "Die endlose Nacht" – und erhielt für seine Verkörperung eines jungen, am Berliner Flughafen Tempelhof gestrandeten Geschäftsmanns prompt den Deutschen Filmpreis. Will Tremper besetzte ihn noch zweimal in großen Rollen: in "Playgirl" (1966) als Verehrer von Eva Renzis Titelfigur, und in "Sperrbezirk" (1966) als Ganoven mit Herz, dem die Liebe zum Verhängnis wird.
Größere Berühmtheit erlangte Leipnitz allerdings durch seine Hauptrollen in mehreren Edgar-Wallace-Filmen: in "Die Gruft mit dem Rätselschloss" (1964) gab er den Helden Jimmy Flynn, in "Der unheimliche Mönch" (1965) den Inspektor Bratt und in "Die blaue Hand" den Inspektor Craig. Ebenfalls bedeutend für Leipnitz' Ruhm waren zwei Karl-May-Filme dieser Jahre: in "Der Ölprinz" (1965) spielte er die Titelrolle, in "Winnetou und sein Freund Old Firehand" (1966) den Schurken Silers. Ein weiterer Western war Helmuth M. Backhaus' "Die Banditen vom Rio Grande" (1965), in dem er eine Hauptrolle als Leibarzt eines Banditenanführers (Wolfgang Kieling) hatte.
Daneben spielte Leipnitz häufig in Abenteuerfilmen wie "Agent 505 - Todesfalle Beirut" (1965), "Die dreizehn Sklavinnen des Dr. Fu Man Chu" (1965) oder "Fünf vor zwölf in Caracas" (1966). Eine überaus populäre Rolle beim Fernsehen hatte er 1965 neben Albert Lieven in dem dreiteiligen Durbridge-Straßenfeger "Die Schlüssel", als Modefotograf, der in mysteriöse Mordfälle verwickelt wird.
Gleichwohl blieb bis Anfang der 1970er Jahre das Kino sein wichtigstes Arbeitsfeld. Mit Kurt Hoffmann drehte er "Liselotte von der Pfalz" (1966), "Herrliche Zeiten im Spessart" (1967) und - als Erzählerstimme - "Rheinsberg" (1967); mit Marran Gosov die frivole Komödie "Bengelchen liebt kreuz und quer" (1968), das romantische Gangsterdrama "Zuckerbrot und Peitsche" (1968) und die Liebeskomödie "Der Kerl liebt mich - und das soll ich glauben?" (1969) mit Uschi Glas – allesamt Filme, die auch als zeitgeschichtliche Gesellschafts- und Milieustudien relevant sind. Aber auch für schlichte Softsexfilme der "Wirtinnen"-Filmreihe war er sich nicht zu schade. So adelte er "Die Wirtin von der Lahn" (1967), "Frau Wirtin hat auch einen Grafen" (1968), "Frau Wirtin hat auch eine Nichte" (1968) und "Frau Wirtin bläst auch gern Trompete" (1970) mit seiner Präsenz.
In den 1970er Jahren wirkte Leipnitz unter anderem in Alfred Vohrers Simmel-Verfilmungen "Alle Menschen werden Brüder" (1973) und "Gott schützt die Liebenden" (1973) mit. Harald Reinl besetzte ihn in der Hauptrolle des Abenteuerfilms "Die blutigen Geier von Alaska" (1973); an der Seite von Christian Kohlund, Senta Berger und Heinz Rühmann gehörte er zum Hauptensemble von Wolfgang Liebeneiners "Das chinesische Wunder" (1976).
Da die Kinoangebote gegen Mitte der 1970er Jahre deutlich weniger wurden, verlegte Leipnitz sich auf Fernsehproduktionen und spielte Boulevardtheater. Unter anderem ging er Ende der 1970er Jahre mit Ingrid Steeger in der Komödie "Die Eule und das Kätzchen" mit großem Erfolg auf Tournee. Auf dem Bildschirm sah man ihn in einer Hauptrolle von Wolfgang Petersens Gaunerkomödie "Vier gegen die Bank" (1976), als vom Dienst beurlaubten Scotland-Yard-Inspektor in dem Durbridge-Zweiteiler "Die Kette" (1977), sowie in einigen TV-Theaterproduktionen.
Auch als Synchron- und Hörspielsprecher war Leipnitz seit jeher sehr gefragt. So lieh er mehrfach Jack Palance, Omar Sharif und Claude Brasseur seine Stimme; in einzelnen Filmen synchronisierte er unter anderen Alain Delon, Cary Grant, Charles Aznavour und Donald Sutherland. Außerdem wirkte er bei zahlreichen Rundfunk-Hörspielen mit und prägte mit seiner Stimme die Hörspielproduktionen von "Jim Knopf und die wilde 13" (1973), "Momo" (1975), und "Die unendliche Geschichte" (1980). 1989/90 sprach er in den 25 Folgen der "Die Marx Brothers Radioshow" Groucho Marx.
Hauptsächlich jedoch übernahm Leipnitz Gastrollen in etlichen populären Serien, zum Beispiel "Der Kommissar", "Der Alte" und "Derrick". In einer Folge der Kultserie "Monaco Franze" spielte er einen schnöseligen Porschefahrer, in der legendären Auftaktfolge von Helmut Dietls "Kir Royal" (1986) gab er den affektierten Besitzer eines Münchner Schickeria-Restaurants. In "Die glückliche Familie" (1987–1991) mit Maria Schell und Siegfried Rauch sah man ihn als Modellschneider, in "Unsere Schule ist die beste" (1994–1995) als Gymnasialdirektor. In Anspielung auf frühere Erfolgsrollen spielte er eine Nebenrolle in der TV-Edgar-Wallace-Verfilmung "Das Karussell des Todes" (1996).
Im Kino trat er nur noch sehr vereinzelt in Erscheinung, etwa als Karl-May-Regisseur in "Zärtliche Chaoten" (1987), als Hoteldirektor in "Zärtliche Chaoten II" (1987) und als vermögender Nachbar in der Satire "Südsee, eigene Insel" (1996).
Einen seiner letzten Fernsehauftritte hatte Leipnitz in der Serie "Immer Ärger mit Arno" (1999), in der Titelrolle eines leichtlebigen Witwers. Kurz von seinem Tod sprach er in 13 Folgen der Kinderserie "Pettersson und Findus" (2000) noch die deutsche Stimme Petterssons. Seine letzte Kinorolle spielte er in dem mittellangen Science-Fiction-Thriller "Vortex", der allerdings erst nach seinem Tod fertiggestellt wurde.
Harald Leipnitz starb am 21. November 2000 in München an Lungenkrebs.