Günter Lamprecht
Günter Lamprecht, geboren am 21. Januar 1930 in Berlin, aufgewachsen im Stadtteil Kreuzberg, begann nach der Schule eine Dachdeckerlehre, die er jedoch vorzeitig abbrach. Er hielt sich als Arbeiter in einer Knopffabrik über Wasser und absolvierte schließlich eine Lehre als Orthopädiehandwerker, ein Beruf, in dem er anschließend für drei Jahre tätig war. Daneben betätigte er sich als Amateurboxer, unter anderem mit Bubi Scholz als Trainingspartner.
1953 nahm er Schauspielunterricht, zwei Jahre später gab er sein Bühnendebüt am Berliner Schillertheater. In den folgenden 30 Jahren (genauer: bis 1985) spielte Lamprecht an Bühnen in ganz Deutschland – seine Bühnenlaufbahn führte ihn nach Bochum, Oberhausen, Wiesbaden, Heidelberg, Essen, Köln, Hamburg, an die Freie Volksbühne Berlin sowie zu den Festspielen in Recklinghausen und Schwäbisch Hall. Daneben arbeitete er in verschiedenen Funktionen als Sprecher für Rundfunkanstalten.
Sein Debüt als Filmschauspieler gab Günter Lamprecht 1960 mit einer kleinen Rolle als Schläger in einer Tanzbar in Michael Kehlmanns "Die Brücke des Schicksals". Doch erst ab 1968 stand er regelmäßig vor der Kamera, häufig im Fernsehen, wo er in Produktionen wie Peter Zadeks "Der Pott" (1971) oder Fassbinders "Welt am Draht" (1973) und "Martha" (1974) tragende Charakter-Nebenrollen spielte. Im Kino sorgte er erstmal mit seiner Verkörperung des bankrotten Bäckers Georg Baum in Erwin Keuschs "Das Brot des Bäckers" (1976) für Aufsehen. Seine Darstellung des Trinkers Manfred Burger in "Rückfälle" (1977, Regie: Peter Beauvais) erntete großes Kritikerlob und brachte Lamprecht eine "Goldene Kamera" ein.
Bis Mitte der 1980er Jahre prägte Lamprecht durch seine Präsenz auch als Nebendarsteller eine ganze Reihe hochkarätiger und eigenwilliger Fernseh- und Kinofilme, darunter Rainer Werner Fassbinders "Die Ehe der Maria Braun" und Wolfgang Petersens "Das Boot" (1981), Adolf Winkelmanns "Super" (1984) oder, als Nazi-Hauptmann, Jerzy Hoffmans "Zu Freiwild verdammt" (1984).
Für großes Aufsehen sorgte Günter Lamprecht mit seiner Hauptrolle des Franz Biberkopf in Fassbinders hoch gelobtem TV-Mehrteiler "Berlin Alexanderplatz" (1980), für die er 1982 mit dem "Chaplin-Schuh" ausgezeichnet wurde, sowie in der Titelrolle von "Milo Barus, der stärkste Mann der Welt", der die Lebensgeschichte des Wiener Kraftsportlers Emil Bahrus erzählt.
Mitte der 1980er Jahre war Lamprecht in erster Linie im Fernsehen zu sehen. So beeindruckte er unter anderem in der TV-Serie "Roncalli" (1986) als Krediteintreiber Kosinski, der schließlich für einen Clown einspringt. Von 1991 bis 1995 spielte er insgesamt achtmal den Berliner Kiez-Kommissar Franz Markowitz in der ARD-Reihe "Tatort". Auf der Kinoleinwand trat Lamprecht in den 1990er Jahre in so unterscheidlichen Filmen wie Matti Geschonnecks surrealem Science-Fiction-Film "Moebius" (1992), Joseph Vilsmaiers "Comedian Harmonists" (1997, als Eric Charell) oder dem Kinderfilm "Friedrich und der verzauberte Einbrecher" (1997) in Erscheinung.
Im Jahr 1999 wurden Lamprecht, seine Lebensgefährtin Claudia Amm und der Chauffeur der beiden nach einem Theatergastspiel in Bad Reichenhall von einem jugendlichen Amokläufer schwer verletzt. Bei dem Amoklauf starben mehrere Menschen, darunter auch der Schütze, der sich selbst erschoss. Ein Jahr später erschien Lamprechts (unabhängig von der Tat entstandene) Autobiografie "Und wehmütig bin ich immer noch", gefolgt von "Ein höllisches Ding, das Leben" im Jahr 2007.
Seinen letzten Auftritt in einem abendfüllenden Kinofilm hatte Günter Lamprecht im Jahr 2002. An der Seite von Mario Adorf und Bruno Ganz verkörperte er in "Epsteins Nacht" einen Pfarrer, der Jahrzehnte nach dem Ende des 2. Weltkriegs als früherer SS-Schlächter entlarvt wird.
2006 wurde Günter Lamprecht, der sich politisch aktiv für die SPD engagiert, mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse für sein Lebenswerk geehrt. Im Jahr darauf erhielt er den Ehrenpreis des Hessischen Ministerpräsidenten für "besondere Leistungen im Film- und TV-Bereich" und den Herbert-Strate-Preis für seine "Verdienste um den deutschen Film".
Ebenfalls 2007 spielte Lamprecht eine Hauptrolle in dem mehrfach preisgekrönten Kurzfilm "Der Fährmann", über zwei Leichenwagenfahrer, die in der nächtlichen Provinz unterwegs sind. Eine weitere Kurzfilm-Hauptrolle hatte Günter Lamprecht in "Sein Kampf" (2013), als Auschwitz-Überlebender, der durch seine Erzählungen das Weltbild eines 15-jährigen Neonazis ins Wanken bringt.
Für die "Tatort"-Jubiläumsfolge "Taxi nach Leipzig" (2016), der 1000. der Krimireihe, schlüpfte er in einem Gastauftritt noch einmal in die Rolle des Berliner Kommissars Markowitz, den er von 1991 bis 1995 gespielt hatte. 2017 verkörperte er in der hoch gelobten und preisgekrönten Serie "Babylon Berlin" den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg.
Beim Hagener Kurzfilmfestival Eat My Shorts wurde Günter Lamprecht 2018 mit dem Ehrendarstellerpreis gewürdigt. Im Jahr darauf stand er in einer kleineren Nebenrolle für das TV-Drama "Meeresleuchten" (Regie: Wolfgang Panzer) vor der Kamera (TV-Erstsendung: 2020).
Am 4. Oktober 2022 starb Günter Lamprecht im Alter von 92 Jahren in Bonn-Bad Godesberg.