Marianne Hoppe
Marianne Hoppe (bürgerlich: Stefanie Paula Henni Gertrud Hoppe), geboren am 26. April 1909 in Rostock, wuchs auf einem ehemaligen Rittergut in Mecklenburg auf. Sie besuchte die Korrespondenzhandelsschule in Weimar, wo sie erstmals mit der Welt des Theaters in Berührung kam – und sich entschloss, Schauspielerin zu werden. Im Alter von gerade einmal 17 Jahren wurde sie an der Schauspielschule des Deutschen Theaters in Berlin aufgenommen; daneben nahm sie Schauspielunterricht bei Lucie Höflich. Ihr Bühnendebüt gab sie im März 1928 in einer Inszenierung des Stücks "Mörder für uns" an der Bühne der Jugend im Deutschen Theater Berlin.
Wenig später erhielt Hoppe ein Engagement am Deutschen Theater Berlin, wo sie unter der Regie von Max Reinhardt einige Nebenrollen spielte. 1930 wechselte sie ans Neue Theater in Frankfurt am Main; dort gab sie unter anderem den Puck in "Ein Sommernachtstraum", die Franziska in "Minna von Barnhelm" und die Inken Peters in "Vor Sonnenuntergang". 1932 erhielt Hoppe von Otto Falckenberg ein Engagement an den Münchner Kammerspielen. Dort wurde sie von der Kritik nicht zuletzt für ihre Verkörperung der Agnes in Molières "Die Kritik der Schule der Frauen" gelobt. 1935 wechselte Marianne Hoppe ins Ensemble des Staatlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, dem sie bis 1945 angehörte und dessen Intendanten Gustaf Gründgens sie 1936 heiratete. Zu ihren Rollen gehören die Katharina in "Der Widerspenstigen Zähmung", die Viola in "Was ihr wollt" sowie die Titelrollen in "Die Jungfrau von Orleans", "Minna von Barnhelm" und "Turandot".
Ihr Debüt als Filmschauspielerin gab Hoppe 1933 als patriotische Magd in Franz Ostens "Der Judas von Tirol", über den Freiheitskämpfer Andreas Hofer. Anders als andere Jungschauspieler wurde Hoppe praktisch von Beginn ihrer Filmkarriere an in Hauptrollen besetzt. So etwa als Großstädterin, die ihrer großen Liebe in die Lüneburger Heide folgt, in "Heideschulmeister Uwe Karsten" (1933), oder in der Titelrolle von "Schwarzer Jäger Johanna" (1934), einem zur Zeit der napoleonischen Kriege spielenden Heldenepos. Im ländlichen Milieu angesiedelt waren Carl Froelichs Bauernkomödien "Krach um Jolanthe" (1934) und "Wenn der Hahn kräht" (1936); in der Theodor-Storm-Verfilmung "Der Schimmelreiter" spielte sie die Tochter des Deichgrafen. Neben solch unverfänglich wirkenden Unterhaltungsfilmen wirkte sie auch in Filmen mit stark politischer bis propagandistischer Tendenz mit, so etwa Veit Harlans "Der Herrscher" (1937), nach dem Bühnenstück "Vor Sonnenuntergang" von Gerhart Hauptmann, das in der Filmversion jedoch zu einem Loblied auf das Führerprinzip verfälscht wurde.
Zweimal spielte Hoppe unter der Regie ihres Mannes Gustaf Gründgens Hauptrollen in Kinofilmen: In der Komödie "Capriolen" (1937) verkörperte sie eine Fliegerin, die eine stürmische Ehe mit einem berühmten Journalisten führt; in der Fontane-Verfilmung "Der Schritt vom Wege" (1939) spielte sie die Hauptrolle der Effi Briest – und zwar entgegen der Forderungen der NS-Staatsdramaturgen nicht als geläuterte Ehebrecherin, sondern als von ihrer Ehe zutiefst ernüchterte, starke Frau.
Ebenfalls zweimal arbeitete sie mit dem Regisseur Helmut Käutner: In "Auf Wiedersehen, Franziska!" (1941) hatte sie eine Hauptrolle als aufopferungsvolle Frau eines Kriegsreporters und Soldaten; in der hoch gelobten Maupassant-Adaption "Romanze in Moll" (1943), beeindruckte sie Kritik und Publikum als Ehefrau, die ein heimliches Doppelleben führt.
Kurz nach Kriegsende, im Jahr 1946, ließen Hoppe und Gründgens sich scheiden. Hoppe, schwanger aus einer Affäre mit dem britischen Offizier Ralph Izzard, zog von Berlin ins oberbayerische Siegsdorf. Als Kontrast zum Ende ihrer Ehe ging es mit ihrer Karriere weiterhin steil nach oben: Mit feinem Nuancenreichtum brillierte sie gleichermaßen bei der Verkörperung verletzlicher, dekadenter wie auch vitaler und humorvoller Frauen. Zu ihren bekanntesten und am höchsten gerühmten Leistungen der Nachkriegszeit zählt ihre Darstellung einer Schizophrenen in Kurt Hoffmanns "Das verlorene Gesicht" (1948).
Ihre Theaterarbeit führte sie 1947 ans Schauspielhaus Düsseldorf, dessen Ensemble sie bis 1955 angehörte und wo auch Gustaf Gründgens tätig war. Unter seiner Regie spielte sie die Elektra in Sartres "Die Fliegen", die Leonore von Este in "Torquato Tasso" und die Celia Coplestone in T.S. Eliots "Die Cocktailparty". Daneben hatte sie Gastspiele unter anderem in Berlin, München und Wien sowie bei den Salzburger Festspielen. Auf der Kinoleinwand sah man Hoppe in den 1950er Jahren nur sehr vereinzelt: In "Nur eine Nacht" (1950) als namenlose, von ihrem Mann verlassene Frau; in dem Liebesdrama "Der Mann meines Lebens" als Krankenschwester, die nach 15 Jahren ihre einstige große Liebe wiedertrifft; und in dem Familienfilm "13 kleine Esel und der Sonnenhof" (1958) als Ehefrau eines liebenswerten Hallodris, gespielt von Hans Albers.
Auch in 1960er Jahren machte sie sich als Kinoschauspielerin eher rar, spielte Nebenrollen unter anderem in der Karl-May-Verfilmung "Der Schatz im Silbersee" (D(YU/F 1962), dem Westernabenteuer "Die Goldsucher von Arkansas" (D/IT/F 1964) sowie dem britischen Mystery-Thriller "Ten Little Indians" ("Geheimnis im blauen Schloß", 1965). Dafür wirkte Hoppe in den 60er Jahren öfter in Fernsehproduktionen mit, darunter Verfilmungen von "Rose Bernd" (1962), "König Ödipus" (1963) und "König Richard II." Auch übernahm sie gelegentlich Gastrollen in Krimiserien wie "Der Kommissar". Ihr primäres Arbeitsfeld blieb jedoch das Theater. 1965 wurde sie Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, deren Abteilung Darstellende Kunst ihr nach Roma Bahn 1976 als zweiter Trägerin auf Lebenszeit den Hermine-Körner-Ring verlieh.
Eine ihrer letzten Kinorollen spielte Marianne Hoppe 1975 in Wim Wenders' "Falsche Bewegung", nach Goethes "Wilhelm Meisters Lehrjahre" (Drehbuch: Peter Handke). Für ihre Darstellung der Frau Meister, Mutter der Titelfigur, wurde sie mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Trotz dieses Erfolgs sah man sie neben ihrer Bühnenarbeit in den folgenden Jahren fast ausschließlich in Fernsehproduktionen. Zu ihren stärksten Auftritten zählte hier sicher die Folge "Claire" aus Helmut Dietls Mini-Serie "Kir Royal" (1986), in der sie eine ehemals erfolgreiche, gealterte Schauspielerin spielte. Viel Kritikerlob sowie einen Bayerischen Fernsehpreis als Beste Darstellerin erhielt sie für die Titelrolle in Dominik Grafs "Bei Thea" (1987), als Wirtin eines Münchner Schwulenlokals, die in einem jungen Israeli ihren Enkel erkennt. Im gleichen Jahr spielte sie als "Gräfin Hohenlohe" in Peter Schamonis "Schloß Königswald", einer Hommage an alte deutsche Kinostars, ihre letzte Kinorolle. Ebenfalls 1987 erhielt Hoppe beim Deutschen Filmpreis einen Ehrenpreis für ihr Lebenswerk. Ihre letzten Fernsehauftritte hatte sie 1991 mit einer durchgehenden Nebenrolle in der sechsteiligen Krimireihe "Tassilo - Ein Fall für sich" und in Nico Hofmanns Thriller "Der Tod kam als Freund", als jüdische Holocaust-Überlebende.
Am Theater blieb Hoppe gleichwohl aktiv. Unter Robert Wilsons Regie spielte sie 1990 an den Städtischen Bühnen Frankfurt die Titelrolle in "König Lear", am Berliner Ensemble war sie zwischen 1993 und 1996 in den Heiner Müller-Stücken "Quartett" und "Der Auftrag" zu sehen. Im Jahr 2000 setzte ihr Werner Schroeter mit dem essayistischen Dokumentarfilm "Die Königin" ein filmisches Denkmal.
Am 23. Oktober 2002 starb Marianne Hoppe in einem Seniorenheim bei Siegsdorf in Oberbayern.