Carl Mayer
Carl Mayer, geboren am 20. Februar 1894 in Graz, Österreich, brach den Besuch des Gymnasium im Jahr 1909 ohne Abschluss ab und musste ab 1910, nachdem der Vater sein Vermögen verspielt hatte, aktiv zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Um 1914 begann Mayer als Komparse und Theatersekretär an kleinen Theatern in Linz, Salzburg und Innsbruck zu arbeiten.
1917 wurde er vom Berliner Residenz-Theater als Hilfsspielleiter engagiert; dort war er zudem auch für Büro und Kasse zuständig. Im Dezember 1917 war er an der Gründung des Matineevereins "Dramatische Gesellschaft Berlin" beteiligt, dessen erste Inszenierung, die Uraufführung des expressionistischen Antikriegsstücks "Die Vorhölle", Mayer selbst übernahm.
Bereits im Mai 1917 gründete Mayer gemeinsam mit der Schauspielerin Gilda Langer die Produktionsfirma "Star-Film Comp". In mehreren Meldungen kündigte die Firma "eine Reihe großer Filme" mit Gilda Langer an, Carl Mayer wurde dabei wechselweise als Direktor, Regisseur und Autor genannt. Zu einer Realisierung der Projekte kam es nicht. Anfang 1919 schrieb Carl Mayer mit Hans Janowitz ein Drehbuch mit dem Titel "Das Cabinett des Dr. Calligaris", das 1919/20 unter dem Titel "Das Cabinet des Dr. Caligari" unter der Regie von Robert Wiene realisiert wurde – allerdings mit einer von den Autoren in dieser Form nicht entworfenen Rahmenhandlung und in einem von ihnen nicht vorgesehenen expressionistischen Stil. Nach dem großen Erfolg dieses Films schrieb Mayer ein Drehbuch, das bewusst auf schauerromantische Phantastik und expressionistische Stilisierung setzte: "Genuine" kam im September 1920 in die Kinos, geriet aber durch den leicht durchschaubaren Versuch, die Stilistik von "Das Cabinet des Dr. Caligari" zu kopieren, zu einem Misserfolg.
Für die Uco Film, eine Tochtergesellschaft der großen Produktionsfirma Decla, adaptierte Mayer Ende 1920 mit "Schloss Vogelöd" (Regie: F. W. Murnau) einen Fortsetzungsroman der Berliner Illustrierten für die Kinoleinwand. Zuvor hatte er für den Produzenten Sascha Goron ein dänisches Drehbuch vollständig umgeschrieben, aus dem 1921 "Der Gang in die Nacht" entstand. Beide Filme inszenierte Friedrich Wilhelm Murnau.
Im Auftrag des Regisseurs und Produzenten Lupu Pick adaptierte Mayer für dessen Rex-Film-Gesellschaft die Komödie "Der Dummkopf" (1921). Außerdem schrieb er für die Rex-Film die Drehbücher zu "Grausige Nächte" (1921), "Scherben" (1921) und "Sylvester" (1923). Neben seiner konsequenten Entwicklung einer komprimierenden Dramatik kristallisierte sich bei diesen Drehbüchern ein Interesse für die Lebens- und Gefühlswelt proletarisch-kleinbürgerlicher Menschen heraus. "Scherben", "Hintertreppe" (1921) und "Sylvester" wurden in späteren Jahren als Mayers "Kammerspielfilm-Trilogie" bezeichnet – wobei er sie nicht zusammenhängend konzipiert hatte.
Im September 1921 schloss Mayer mit der Ufa einen Vertrag über vier Drehbücher. Doch es entstand nur ein Film: "Vanina" (1922), nach der Novelle von Stendhal. Im folgenden Jahr adaptierte Mayer für die Richard-Oswald-Film AG Frank Wedekinds "Lulu" zu dem Film "Erdgeist" (1922). Schließlich kehrte er zur Ufa und zur Zusammenarbeit mit F. W. Murnau zurück. Für "Der letzte Mann" (1924) entwarf Mayer bereits im Drehbuch aufwändige Kamerafahrten, um die seelische Verfassung des traurigen Helden, eines zum Toilettenwärter herabgestuften Portiers, zu visualisieren. Auch im Drehbuch zu "Tartüff" (1925) formulierte Mayer eine Reihe von Kamerafahrten, die Regisseur Murnau jedoch nicht alle umsetzte.
Mayer war ein perfektionistischer Autor, der zum Teil mehr als ein Jahr an seinen Texten feilte. Nicht gelungene Manuskripte gab er nicht aus der Hand. Dies führte zu Konflikten mit der zunehmend industriell planenden Filmwirtschaft, insbesondere mit der Ufa, die ihn schließlich erfolgreich auf 50.000 Mark verklagte, weil er trotz gezahlter Vorschüsse zugesagte Drehbücher nicht abgeliefert hatte.
1926 erhielt er das Angebot, gemeinsam mit Murnau nach Hollywood zu gehen, lehnte jedoch ab. Stattdessen zog er von Berlin nach Lychen in der Uckermark. Basierend auf Hermann Sudermanns Roman "Die Reise nach Tilsit" verfasste er hier das Drehbuch "Lied für zwei Menschen", aus dem schließlich Murnaus erster amerikanischer Film wurde: "Sunrise" (1927), der als eines der Meisterwerke von Regisseur Murnau und seinem Autor Mayer gilt. Auch an Murnaus zweitem Hollywood-Film, "The Four Devils" (1928) war Mayer als Treatment-Autor beteiligt.
Ab Anfang der 1930er Jahre arbeitete Mayer vor allem mit dem österreichischen Regisseur Paul Czinner und der Schauspielerin Elisabeth Bergner zusammen. Gemeinsam mit Czinner adaptierte er die Schnitzler-Novelle "Fräulein Else", erhielt im fertigen Film jedoch keinen Credit, vermutlich aus Furcht vor der Ufa, bei der er noch immer hohe Schulden hatte. Als Co-Autor und Dramaturg war Mayer auch an den Bergner/Czinner-Filmen "Ariane" (1930) und "Der träumende Mund" (1932) beteiligt. In der Umbruchzeit vom Stumm- zum Tonfilm verlegte Mayer sich zunehmend auf den immer wichtiger werdenden Bereich der dramaturgischen Beratung. In dieser Funktion war er unter anderen für Kurt Bernhardt, Arnold Fanck und Leni Riefenstahl tätig. Um seine Schulden abzuarbeiten, beriet er auch die Dramaturgie-Abteilung der Ufa.
Nach der Machtübernahme der Nazis emigrierte Mayer Ende 1933 nach Prag. Ungeachtet seiner Situation setzte die Ufa ihre Mahnungen gegen den fast mittellosen Exilanten hier und auch in London fort, wohin Mayer 1935 übersiedelte (seine Restschuld betrug zu diesem Zeitpunkt gerade noch 2.850 Mark). Obwohl sie wesentlich mehr wert waren, bot er der Ufa als Ausgleich die Tonfilmrechte einiger seiner Stummfilme an. Hinter seinem Rücken verkaufte die Firma die Stummfilmrechte an "Das Cabinet des Dr. Caligari" für 12.000 Mark an den Regisseur Robert Wiene, der ein Remake seines eigenen Klassikers plante.
In London arbeitete Mayer erneut mit Elisabeth Bergner und Paul Czinner zusammen. Als die britische Filmindustrie 1937 in eine Krise geriet, war Mayer weitgehend arbeitslos. Er betätigte sich als Drehbuch- und Schnittberater, unter anderen bei Filmen des befreundeten Dokumentaristen Paul Rotha. 1942 erkrankte Carl Mayer schwer an Bauchspeicheldrüsenkrebs, der von den Ärzten jedoch nicht erkannt wurde. Um seine großen Schmerzen zu lindern, verabreichte man ihm Betäubungsmittel, die zu einer Morphinabhängigkeit führten. Kurz vor seinem Tod erhielt Mayer eine Anstellung bei der Two Cities Filmcomp., wo er mit der Entwicklung von zwei Projekten begann, die allerdings unvollendet blieben.
Am 1. Juli 1944 erlag Carl Mayer in London seinem Krebsleiden.