Das Cabinet des Dr. Caligari

Deutschland 1919/1920 Spielfilm

Das Cabinet des Dr. Caligari


Christian Flüggen, Deutsche Lichtspiel-Zeitung, Nr. 12/13, 27.3.1920


Wie man sich auch zu dem Film, den man in den Kammerlichtspielen und im Lichtschauspielhaus sah, stellen mag, eines muß ihm zugestanden werden: Es ist mal was anderes! Der Expressionismus, – meinetwegen Dadaismus – bisher Vorrecht der Sprechbühne, ist nun auch auf die Leinwand gesprungen und treibt dort sein eigenartiges Spiel. In unruhvollen Zeiten, die Tatkraft und Tat erfordern, ist das menschliche Gemüt nur zu leicht geneigt, dem Glauben an das Wunderbare sich hinzugeben. Kometen, Weltuntergang, Prophezeihungen, – nie sind sie mehr in Schwung, als wenn grausame Wirklichkeit auf den Menschen lastet. Dieser Hang zum Wunderbaren und Phantastischen hat von je Widerhall auf der Bühne, die ja das Spiegelbild des Lebens ist, gefunden. Das Außergewöhnliche, Spukhafte, Grausige begegnet uns auch in dem neuen Decla-Film. "Das Kabinett des Dr. Caligari" zeigt uns die Fieberphantasien eines Geisteskranken. Um die Sache ausdrucksvoll zu machen, werden diese Irrgänge eines menschlichen Hirnes expressionistisch vorgeführt, das heißt Logik, Statik, kurzum alle Gesetze der Dinge im Raum sind über Bord geworfen und es bleibt ein Kunterbunt, in dem die Menschen, die sich nun einmal noch immer nicht den Kopf zwischen die Arme nehmen oder die zwei Arme an eine Seite setzen können, geradezu altmodisch ausnehmen. Daß der Film trotz alledem stark interessiert, spricht für die ungeheuer reichen Darstellungsmöglichkeiten, die dieser Kunst eigen. Und spricht auch für die hohe künstlerische Leistungsfähigkeit der Decla, die die schwierige Aufgabe restlos löste und die verwegenen Sujets, der Saal in einer Irrenanstalt, Flucht über die Dächer usw. in packenden Bildern auf die Leinwand brachte. Unter den Darstellern seien genannt Lil Dagover, Konrad Veidt und Werner Kraus, der ganz besonders gut charakterisiert.

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