Das Cabinet des Dr. Caligari
Der expressionistische Film
Aros (= Alfred Rosenthal), Berliner Börsen-Courier, Nr. 79, 17.2.1920
Wir haben das stilisierte Bild, wir haben die stilisierte Bühne und sollen jetzt den stilisierten Film bekommen. Was Ernst Lubitsch in seiner "Puppe" leise andeutete, die Möglichkeit, die die Wegenerfilme ahnen ließen, werden in einem Film von Karl Mayer und Hans Jannowitz jetzt restlos durchgeführt.
Ein junger expressionistischer Künstler, Walter Reimann, hat die gesamte Architektur dieses Bildes nach expressionistischen Grundsätzen geschaffen. Straßen, Häuser, Zimmer, Beleuchtung; alles wirkt etwa so, wie wir es in hypermodernen Ausstellungen auf den Bildern sehen.
Das ist ein Versuch, der weit über die Kreise der Filmleute hinaus Beachtung finden muß. Das ist vielleicht eine Probe auf die Berechtigung dieser Kunstrichtung überhaupt.
Das Manuskript kommt diesem Versuch durch seine Phantastik besonders entgegen, obwohl es nicht von vornherein für den Sonderzweck zugeschnitten war.
Wenn man die Auslegung gelten lassen will, daß Expressionismus nichts weiter bedeutet als Steigerung des Ausdrucks, so könnte vielleicht hier für das lebende Bild der Anfang einer ähnlichen revolutionären Umwälzung sein, wie wir sie bei dem Schauspiel erlebten, als man von der realistischen Dekoration zur Vorhangbühne überging. Man wird auf die Erstaufführung des " Dr. Caligari" besonders gespannt sein dürfen.