Am letzten Samstag (1. Juli 2023) ging das 40. Filmfest München zu Ende. Insgesamt 58.000 Besucher*innen waren am Eröffnungsabend und den acht Festivaltagen bei den rund 500 Filmvorführungen und Veranstaltungen des Festivals.
"Was für ein schöner Abschied mit wunderbaren Gästen aus aller Welt" resümiert die scheidende Festivaldirektorin Diana Iljine. "Insbesondere die Kooperationen mit zahlreichen anderen Kulturinstitutionen wie dem Museum Brandhorst und dem Literaturhaus sind einer der vielen Schlüssel zum Erfolg."
Die Filmauswahl und die vielen Möglichkeiten mit den Filmemache*innen ins Gespräch zu kommen, sei es in den Kinos oder im Festivalzentrum bei zahlreichen Panels und Werkstattgesprächen kam beim Publikum sehr gut an. Und die Branche hatte viele Gelegenheiten sich zu vernetzen, nicht zuletzt bei der zweiten CineCoPro-Konferenz, die ganz im Zeichen internationaler Koproduktion steht und kontinuierlich ausgebaut wird.
"Alles Neue wurde wunderbar von Publikum und Branche angenommen: Umjubelte Weltpremieren nun auch von internationalen Filmen, Netzwerken in der Beergarden Convention, Nachdenken im KI-Pavillon und Feiern in ganz München," freut sich Christoph Gröner, künstlerischer Leiter und designierter Festivaldirektor. "Wir kehren wirklich zurück an die Ursprünge: Ein Filmfestival, das vor allem auch ein Film-Fest sein will, zugänglich, begeisternd und für alle, die Film lieben."
Höhepunkt des letzten Festivaltags war die Verleihung der Preise in den vier Wettbewerben (CineMasters, CineVision, CineRebels und CineKindl), des Fipresci-Preises und der beiden Publikumspreise. Bereits am Freitag Abend sind die Förderpreise Neues Deutsches Kino verliehen worden. Alle Preisträgerfilme werden am Samstag Nachmittag und Abend mit weiteren Filmen nochmals in den Festivalkinos zu sehen sein.
Noch in diesem Sommer wird das Filmfest München weitere niederschwellige Geburtstags-Events fürs Publikum mit hochkarätigen Filmen und Gästen veranstalten, bevor es sich im Herbst mit dem FilmschoolfestT Munich und einer Branchen-Tagung zurückmelden wird.
Übersicht der Preisträger*innen 2023
ARRI Award für den besten internationalen Film: "Les filles d’Olfa" von Kaouther Ben Hania
CineVision Award für den besten internationalen Nachwuchsfilm: "Crowrã" von João Salaviza und Renée Nader Messora
CineRebels Award für "Augure" von Baloji
Lobende Erwähnung: "Queendom" von Agniia Galdanova
Fipresci-Preis für "Fossil" von Henning Beckhoff
CineKindl Award für "Nelly Rapp – Der dunkle Wald" von Johan Rosell
Lobende Erwähnung: "And the King Said, What a Fantastic Machine" von Axel Danielson und Maximilien Van Aertryck
Bayern 2- und SZ-Publikumspreis für "Fallende Blätter" von Aki Kaurismäki
Kinderfilmfest-Publikumspreis für "Neue Geschichten vom Pumuckl" von Marcus H. Rosenmüller
One-Future-Preis für "Siccità" von Paolo Virzì
Fritz-Gerlich-Preis für "Unruly" von Malou Reymann
ARRI Award
Als bester internationaler Film wurde der Film "Les filles d’Olfa" von Kaouther Ben Hania mit dem ARRI Award ausgezeichnet. "Die Jury hat sich für den Film "Les filles d’Olfa" von Kaouther Ben Hania entschieden, weil der Film in vielerlei Hinsicht herausragend ist. Er erzählt die bewegende Geschichte von Olfa, einer alleinerziehenden Mutter, die vier Töchter im Tunesien der Jahrtausendwende großzieht. Dabei erinnern sich die Frauen an ihre Geschichten und lassen sie wieder aufleben, wodurch sich das Panorama einer Gesellschaft im Umbruch eröffnet. Und nur selten hat man in einem Film eine so schonungslose Ehrlichkeit gesehen. Es ist der Mut der Protagonistinnen, sich dieser Filmemacherin anzuvertrauen. Und es ist der Mut der Filmemacherin, diese berührende und komplexe Geschichte auf ihre ganz eigene Art zu erzählen. Ein Film im Film, der die Schrecken der Vergangenheit erst durch seine Abstraktion erträglich macht. Zugleich aber versprüht "Les filles d‘Olfa" Hoffnung, Humor, Wärme und Menschlichkeit. Die Jury hat sich einstimmig für diesen Film entschieden.", so die Jurybegründung.
Die Jury des ARRI Award bildeten in diesem Jahr die Regisseurin Doris Dörrie, Regisseur İlker Çatak sowie die Programmdirektorin des Sundance Film Festivals Kim Yutani. Im Wettbewerb um den ARRI Award für den besten internationalen Film in der Reihe CineMasters konkurrierten die neuesten Filme von 12 namhaften internationalen Regisseur*innen. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird von dem Münchner Unternehmen ARRI gestiftet.
CineVision Award
Mit dem CineVision Award für den besten internationalen Nachwuchsfilm wurde "Crowrã" von João Salaviza und Renée Nader Messora ausgezeichnet. Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt:
"Der Film "Crowrã" von João Salaviza und Renée Nader Messora zeigt uns das Paradies einer Gemeinschaft, in der Natur und Mensch im Einklang sind. Er widmet sich zentralen Grundfragen unserer Zeit, die in einer ästhetisch wie politisch visionären Weise verhandelt werden. Den Filmemacher*innen ist es gelungen mit ihrer dokumentarisch-fiktionalen Erzählweise einen respektvollen und poetischen Zugang zu Alltag, Geschichte und Gegenwart des indigenen Volkes der Krahô zu finden. Die Kontinuität von Unterdrückung und dem unnachlässigen Zugriff des Kapitalismus auf Ressourcen und die Lebensräume findet dabei ebenso Ausdruck wie die Darstellung des Zusammenlebens der Gemeinschaft. Die intensive und langjährige Arbeit der Regisseur*innen mit den Krahô wird in den sensiblen wie nahbaren Begegnungen mit den Menschen und der Geschichte der Dorfgemeinschaft auf ästhetisch und emotional eindringliche Weise spürbar. Ein sinnlich körperliches Kinoerlebnis, das lange nachhallt."
Der CineVision Award im Wert von 15.000 Euro wird von der MPLC Deutschland GmbH (Motion Picture Licensing Company) gestiftet. Im Wettbewerb in der Reihe CineVision standen zwölf Erstlings- und zweite Filme internationaler Regietalente, die mit ihrer Filmsprache neue Wege beschreiten.
Die Preisjuror*innen 2023 waren die Schauspielerin Luisa-Céline Gaffron, Regisseur Andreas Kleinert und die Leitende Kuratorin Museum Brandhorst Monika Bayer-Wermuth.
CineRebels Award
Der in diesem Jahr zum zweiten Mal verliehene CineRebels Award geht an "Augure" von Baloji. Der Preis zeichnet besonders rebellisches Filmschaffen aus – die Formatsprenger und Filmabenteu(r)er des internationalen Films. Im Wettbewerb in der Reihe CineRebels konkurrierten zwölf Filme um den von Festival-Hauptpartner AUDI gesponsorten Preis in Höhe von 10.000 Euro.
Die Jurybegründung für den Gewinnerfilm der Sektion CineRebels lautet: ""Augure" ist der Film, den jede*r von uns einmal als Meisterwerk bezeichnet hat. Baloji hat uns bei seinem Regiedebüt mit seiner Originalität, seinem unendlichen Einfallsreichtum, seinem lebensbejahenden Humor und der lyrischen Kraft seiner Bilder umgehauen. Mit einer verblüffenden Szene nach der anderen hat er ein lebendiges Erlebnis geschaffen, das sowohl das Porträt einer höchst gestörten Familie ist, die zwischen traditionellen religiösen Werten und der modernen Welt hin- und hergerissen ist, als auch eine Liebeserklärung an seine Heimat Kongo. Die Thematik mag hart und herausfordernd sein, aber er schafft es, das Ganze in ein großartiges Stück Unterhaltung zu verwandeln, das uns immer wieder überrascht. Die atemberaubenden Locations, die tadellose künstlerische Regie und die Kostüme (letztere wurden vom Regisseur selbst entworfen) sowie eine zeitweilige Explosion queerer Ästhetik tragen alle dazu bei, dass eine Geschichte erzählt wird, die von allen Seiten geschätzt werden kann."
Die Jury sprach außerdem "Queendom" eine Lobende Erwähnung aus. Agniia Galdanovas Film ist eine außerordentliche Leistung im Dokumentarfilm.
Die diesjährige Jury setze sich aus der Schauspielerin Anne Ratte-Polle, Regisseur Axel Ranisch und dem Künstler und Regisseur Bruce LaBruce zusammen.
Fipresci-Preis
Die Fipresci-Kritiker*innenjury, bestehend aus Ela Bittencourt, Frank Arnold und Serhii Ksaverov, vergab den Preis an "Fossil" von Regisseur Henning Beckhoff für seine bemerkenswerte Fähigkeit, soziale Brennpunkte – die Verknüpfung der Themen Arbeiterklasse, familiäre Generationenkonflikte und Umweltaktivismus – mit ironischem situativem und visuellem Humor und einer satirischen und dennoch einfühlsamen Sicht zu vermitteln. Dieser Film zeigt einen stacheligen und manchmal unsympathischen Protagonisten mit großer Zärtlichkeit und überraschender Intimität. Die postindustrielle Landschaft der Bergbauregion, die der Regisseur in Szene setzt, ist einzigartig und doch universell.
CineKindl Aaward
"Nelly Rapp – Der dunkle Wald" von Johan Rosell gewann den CineKindl Award für den besten Film beim Kinderfilmfest München. Der Preis ist mit 2.500 € dotiert und wird von megaherz gestiftet, seit fast 40 Jahren Produktionsfirma für Kinderfilme und -sendungen, deren Anliegen es ist, die heranwachsenden Generationen in den Bann zu ziehen, zu informieren und zu bilden.
"Der Film hat sowohl die Kinder als auch uns als Erwachsene auf vielen Ebenen begeistert. Er erzählt das große Abenteuer von Monsteragentin Nelly Rapp auf sehr spannende, lustige und berührende Art und Weise. Dabei zeichnet er all seine Figuren unterhaltsam und immer authentisch. Der Film schätzt Kinder als anspruchsvolles Publikum wert und funktioniert dadurch quasi als Nebeneffekt für jedes Alter. Das tolle Zusammenspiel der Inszenierung von Regisseur Johan Rosell mit allen anderen Gewerken lässt die Zuschauer in Nellys Welt eintauchen und bescherte uns ein begeisterndes Kinoerlebnis.", so die Begründung der Jury.
Eine lobende Erwähnung erhielt "And the King Said, What a Fantastic Machine" von Axel Danielson und Maximilien Van Aertryck: "Es ist uns ein besonderes Anliegen diesen Film hervorzuheben. Statt das Thema nur auf theoretischer Ebene zu erfassen, hat er uns ermöglicht die Macht der Bilder am eigenen Leib zu erfahren."
Die CineKindl-Jury bildeten Regisseurin Joya Thome, Kameraman Philip Henze und die Produzentin Maite Woköck.
Publikumspreise
Am letzten Festivaltag wurde auch der Publikumspreis des Festivals vergeben. Der Bayern 2- und SZ-Publikumspreis ging an den Film "Fallende Blätter" von Aki Kaurismäki.
Den Kinderfilmfest-Publikumspreis erhielt "Neue Geschichten vom Pumuckl" von Marcus H. Rosenmüller.
One-Future-Preis
Der One-Future-Preis, verliehen von der Interfilm-Akademie, ging in diesem Jahr an den an den italienischen Film "Siccità" von Paolo Virzi. Lobende Erwähnungen gingen an "Black Box" von Aslı Özge und an "War and Justice" von Marcus Vetter, Michele Gentile. Der One Future Ehrenpreis 2023 ging an Michael Verhoeven für sein Gesamtwerk und sein unermüdliches gesellschaftliches Engagement.
Fritz-Gerlich-Preis
Der diesjährige Fritz-Gerlich Preis wurde an "Unruly" von Malou Reymann verliehen.
Quelle: www.filmfest-muenchen.de