Hauptpreise der 54. Internationalen Hofer Filmtage vergeben

Am Sonntag, dem 25.10.2020, gingen die 54. Internationalen Hofer Filmtage zu Ende. Vorher wurden die beiden Hauptpreise, der Granit – Hofer Dokumentarfilmpreis und der Hofer Goldpreis der Friedrich-Baur-Stiftung, vergeben.

 

Der Granit – Hofer Dokumentarfilmpreis 2020, gestiftet von der Hermann und Bertl Müller – Stiftung, ging an die Filmemacherin Agnes Lisa Wegner für ihren Dokumentarfilm "König Bansah und seine Tochter".

Aus der Jurybegründung:

"Wir leben in einer Zeit der großen Verunsicherung. In dieser Zeit, wo vieles droht auseinander zu fallen, sind für uns zwei Filme aus dem Programm hervorgestochen, die von Zusammenhalt und Tradition im Hier und Jetzt erzählen.

Eine lobende Erwähnung möchten wir für den Film "Haldern Pop - Dorf mit Festival" von Monika Pirch aussprechen. Die Filmemacherin fängt das Engagement der Dorfgemeinschaft, die ihre Schützentradition mit der internationalen Popkultur vereint, eindrucksvoll ein. Der Film hat uns berührt, denn er zeigt wie durch jahrzehntelanges Engagement scheinbare Widersprüche überwunden und große Träume verwirklicht werden können.

Der Granit – Hofer Dokumentarfilmpreis 2020 geht an einen Film, der auf überraschende Art und Weise mit vielen Klischees bricht. Die Protagonistin des Films steht vor der großen Herausforderung in die traditionellen Fußstapfen ihres Vaters zu treten und gleichzeitig ein modernes selbstbestimmtes Leben zu führen. Dabei wird vom Dilemma einer jungen deutschen Frau erzählt, die sich gegen rassistische Vorurteile behaupten muss und handelt von ihrer Suche nach neuen zeitgemäßen Rollenbildern. Ihr Vater, König in Ghana und KFZ-Mechaniker in Ludwigshafen, ist Sympathieträger und Vorbild, der sich selbstbewusst zwischen zwei Kulturen und Lebensentwürfen bewegt. Doch die Tochter will keine Prinzessin sein und sich trotzdem ihrer Verantwortung als Thronfolgerin stellen.
So wird aus einer zunächst klassisch erzählten Geschichte eine Parabel von Rollenklischees und Rollenfindung, die neue Perspektiven eröffnet, um Stereotype und Klischees abzubauen. Komplexe Themen, wie Identität und Heimat werden so auf unterhaltsame Art für ein größeres Publikum aufbereitet, das wir dem Film sehr wünschen."

Angela Christlieb, Markus Mörth, Britta Schöning (Jury)

Agnes Lisa Wegner wurde 1976 in Worms geboren. Sie studierte Amerikanistik in Frankfurt am Main, sowie Nordamerikastudien, Filmwissenschaft und Germanistik an der FU Berlin. Nachdem sie einige Zeit als Produktionsassistentin gearbeitet hatte, ist sie nun vorrangig als Regisseurin tätig.

Die in Hof ansässige Hermann und Bertl-Müller-Stiftung vergibt den mit 7.500 Euro dotierten Preis seit 2015 für den besten abendfüllenden Dokumentarfilm aus deutscher Produktion. 

Der Hofer Goldpreis der Friedrich-Baur-Stiftung 2020, vergeben durch die Bayerische Akademie der Schönen Künste in Memoriam Heinz Badewitz, wird für die beste Regieleistung für einen ersten langen Spielfilm vergeben. Die Bayerische Akademie der Schönen Künste bestimmt eine*n jährlich wechselnde*n Mentor*in aus ihrer Film- und Medienkunst-Abteilung, der/die  den/die Preisträger*in auswählt. In diesem Jahr haben zwei Mentoren die Aufgabe übernommen: die Regisseure und Autoren Edgar Reitz (u.a. "Heimat", "Die Andere Heimat") und Bernhard Sinkel (u.a. "Väter und Söhne", "Lina Braake").

Der Preis besteht aus einem zertifizierten Goldbarren von 1 kg Feingold (momentaner Handelswert ca. 52.000 Euro). Darüber hinaus beinhaltet der Preis die künstlerische Beratung des/der Regisseur*in bei der Entwicklung eines neuen Films über ein Jahr lang.

Der Hofer Goldpreis der Friedrich-Baur-Stiftung 2020, vergeben durch die Bayerische Akademie der Schönen Künste in Memoriam Heinz Badewitz, für die beste Regie ging an Sevgi Hirschhäuser und ihren Kameramann und Co-Produzenten Chris Hirschhäuser für ihren Debütfilm "Toprak

Aus der Begründung der Mentoren Edgar Reitz und Bernhard Sinkel:

"Der Film erzählt in liebevollen Bildern von einem Jungen, der als Waisenkind in der Nähe eines türkischen Dorfes bei der Großmutter und einem unverheirateten Onkel aufgewachsen ist. Burak kommt nun in ein Alter, in dem sich entscheiden wird, ob er das Leben seines ebenso armen wie frommen Onkels Cemil fortführen, oder ob er das traditionelle Landleben verlassen soll, um sein Lebensglück durch ein Universitätsstudium zu suchen. Wenn es nur um seine persönliche Wahl ginge, wäre Burak sogar bereit, sich an der Seite des aufrechten Onkels als Obstbauer durch das karge Leben zu schlagen. Als aber die Großmutter krank wird und qualvoll stirbt, geraten beide, der Onkel und der Junge an die Grenze ihrer Kräfte. Heimatliebe und Frömmigkeit können weder die Mutter noch den stolzen Cemil, noch den Jungen Burak retten.

Der Film von Sevgi Hirschhäuser erzählt eine Geschichte, die sich an vielen Orten der Welt ereignen könnte, weil der Zerfall ländlicher Lebensformen und der Verlust der traditionellen Heimat überall um sich greift, aber dennoch ist "Toprak" eine einmalige und in ihren Bildern absolut unverwechselbare Erzählung. Die Gesichter der Protagonisten, die einsame Hütte, in der sie leben und die staubige Landstraße, an der sie ihre Paradiesäpfel verkaufen, bleiben unvergesslich. Der Film erzählt eine Abschiedsgeschichte. Bei allen seinen Bildern entsteht das schmerzliche Gefühl, dass es so, wie der Film es noch einmal zum Leben erweckt, nie mehr sein wird. Eine Trauer durchzieht diesen Film, die für die Autorin und ihren Partner, den Mitproduzenten und Kameramann Chris Hirschhäuser offenbar das bestimmende Motiv gewesen ist, dieses Werk zustande zu bringen. Die Juroren waren besonders berührt von der spürbaren Anteilnahme der beiden Filmemacher*innen an der Geschichte ihrer Protagonisten, die eine innere Glaubwürdigkeit hat, wie sie im Kino eine seltene Ausnahme geworden ist.“

Edgar Reitz, Bernhard Sinkel

Sevgi Hirschhäuser ist tätig als Cutterin, Drehbuchautorin, Produzentin und Regisseurin und hat bereits bei diversen Funktionen viel Filmerfahrung gesammelt. Ihr Mann, Chris Hirschhäuser, arbeitet als Kameramann und Fotograf. Gemeinsam haben sie im Heimatdorf von Sevgis Mutter mit einem kleinen Team gedreht und den Film ohne Filmförderung oder Fernsehmitteln produziert.

Im Wettbewerb um den Hofer Goldpreis der Friedrich-Baur-Stiftung sind automatisch alle Regisseur*innen, deren langer Spielfilm bei den Hofer Filmtagen Premiere hat und deutscher Produktion sind. In diesem Jahr waren 14 Filme nominiert.

Quelle: www.hofer-filmtage.com