Die 60. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen zeigen in fünf Wettbewerben insgesamt 134 Arbeiten aus 41 Ländern, aus mehr Ländern und mit deutlich mehr Weltpremieren als in den Vorjahren.
Im Internationalen und Deutschen Wettbewerb sind knapp 30 von 79 Filmen Weltpremieren. Eingereicht wurden rund 5.000 Filme aus 96 Ländern, weit mehr als die Hälfte davon über das Internet. Insgesamt zeigen die Kurzfilmtage im gesamten Festival knapp 450 Filme.
In den Oberhausener Wettbewerben werden die Kurzfilme länger. Ob im Internationalen, Deutschen, NRW-Wettbewerb oder bei den Kinder- und Jugendfilmen: Überall finden sich vermehrt Filme von über 25 Minuten Länge.
"Die kurzen Filme werden länger, weil der Druck zur Normierung durch Kino und Fernsehen nicht mehr so stark ist wie früher. Bei Auswertungen im Internet, auf Filmfestivals oder Kunstausstellungen hat die Länge keine große Bedeutung", so Festivalleiter Lars Henrik Gass. "Während also Kino und Fernsehen als Auswertungshorizont von Kurzfilmen kaum noch eine Rolle spielen, werden Internet, Filmfestivals oder Kunstausstellungen immer wichtiger, nicht nur als Abspielorte, sondern als prägende Kräfte."
Eine Liste aller für die Wettbewerbe ausgewählten Filme steht hier online.
Internationaler Wettbewerb
61 Filme aus 35 Ländern
ausgewählt aus 3.567 Einreichungen
(2013: 57 Filme aus 29 Ländern)
Im mit 10 Programmen größten und ältesten Wettbewerb der Kurzfilmtage sind 2014 deutlich mehr Länder als in den Vorjahren (2013: 29) vertreten, darunter Arbeiten aus 19 europäischen Ländern, aber auch aus Bangladesch, Kolumbien, Südafrika oder Vietnam. Mit drei Filmen konkurrieren mehr deutsche Kurzfilme im Internationalen Wettbewerb als in den letzten zehn Jahren, ungewöhnlich stark sind die USA mit zehn Filmen und einer Koproduktion vertreten.
Deutlich erkennbar ist ein Trend zu explizit politischen Filmen: Filmemacher setzen sich auf der ganzen Welt mit aktuellen Themen wie Fukushima oder der Finanzkrise auseinander, die sie in vielen Fällen in der Vergangenheit verankern. Aus Bangladesch kommt Afsan's "Long Day" ("The Young Man Was, Part 2") des Schriftstellers und Künstlers Naeem Mohaiemen, in dem der Autor Parallelen zieht zwischen dem so genannten Deutschen Herbst 1977 und der Gegenwart Bangladeschs. Der Brite William Raban nutzt in "Time and the Wave" Aufnahmen von der Beerdigung Margaret Thatchers, dem Thronjubiläum von Queen Elizabeth und Aktionen der Occupy-Bewegung, um sich kritisch mit dem aktuellen Zustand Großbritanniens auseinanderzusetzen. Der japanische Filmemacher Funahashi Atsushi zeigt in "Radioactive" die Hilflosigkeit der Politik angesichts der Katastrophe von Fukushima. Er porträtiert Menschen, die zwei Jahre danach immer noch in Notunterkünften hausen und ganz allmählich – und völlig untypisch für Japaner – anfangen aufzubegehren. Der Südafrikaner Aryan Kaganof, dem die Kurzfilmtage auch ein Profil-Programm widmen, behandelt in seiner neuen Arbeit "Threnody for the Victims of Marikana" das so genannte "Marikana-Massaker" von 2012: 44 Menschen verloren ihr Leben, als ein Bergarbeiterstreik in der gleichnamigen Mine zu Kämpfen zwischen Polizei und Streikenden führte.
Deutscher Wettbewerb
21 Filme
ausgewählt aus 1.143 Einreichungen
(2013: 17 Filme)
Mit 9 von 21 Filmen sind fast die Hälfte der Arbeiten hier Weltpremieren. Die überwiegende Mehrzahl der Kurzfilme sind freie Produktionen, vier Arbeiten kommen aus Filmhochschulen. "Wir haben in diesem Jahr sehr viele sehr gute Filme gesehen", so Carsten Spicher, Leiter des Deutschen Wettbewerbs. "Entsprechend stark ist der diesjährige Wettbewerb. Wir freuen uns auch, dass neben bekannten 'Oberhausener Namen' wie Matthias Müller und Christoph Girardet oder Jochen Kuhn ungewöhnlich viele neue Namen dabei sind."
Drei deutsche Produktionen konkurrieren auch im Internationalen Wettbewerb, mehr als in den letzten zehn Jahren: "L'Amour sauvage" von Lior Shamriz, der 2013 für "Beyond Love and Companionship" den 3sat-Förderpreis gewann, "xx-xx-xx-gewobenes-papier" von Michel Klöfkorn, Gewinner des Deutschen Kurzfilmpreises 2012 und auch bei den Kurzfilmtagen häufig ausgezeichnet, sowie eine Entdeckung: die Animation "Sieben Mal am Tag beklagen wir unser Los und nachts stehen wir auf um nicht zu träumen" der Thüringer Künstlerin Susann Maria Hempel.
Deutlich mehr Spielfilme als in den letzten Jahren prägen die Auswahl, in der zwei Themen dominieren: Familien (und Ersatzfamilien) und Tiere bzw. die Natur. Lola Randl, deren Serie "Die Leiden des Herrn Karpf" bei den Kurzfilmtagen immer wieder zum Publikumsliebling wurde, vereint beide in Landschwärmer: Travis: Sie begleitet eine Gruppe von Schauspielern und Filmleuten für ein Wochenende aufs Land und fängt ihre Schwärmerei für das Landleben voller Ironie, aber auch mit viel Sympathie ein. Willy Hans deckt in "Das satanische Dickicht – EINS" die Risse hinter der Fassade einer wohlsituierten bürgerlichen Familie auf, die indischen Kinder in Uditha Bargavas Imraan, c/o Carrom Club finden in dem gleichnamigen Club unter ihren Altersgenossen eine Ersatzfamilie. Doch nicht immer geht es um die Natur als Sehnsuchtsort: Guillaume Cailleau beobachtet zum Beispiel in "LABORAT" schmerzhafte Experimente an Mäusen in der Berliner Charité, Pim Zwier verarbeitet in "Alles was irgendwie nützt" Archivmaterial über qualvolle Tierexperimente aus den 20er Jahren.
NRW-Wettbewerb
12 Filme
ausgewählt aus 260 Einreichungen
(2013: 13 Filme)
Die Filmproduktion in NRW blüht nach wie vor – trotz insgesamt kleinerer Einreichungszahlen blieben die Einreichungen aus NRW auf dem Niveau von 2013 (257). Auch im NRW-Wettbewerb finden sich mehr Spielfilme als in den Vorjahren. Der Zwiespalt zwischen Heimat und Fremde ist ein großes Thema – ob in der wohnlichen Exotik von Plüsch-Tigerfell und ägyptisch dekoriertem Bad, die Miriam Gossing und Lina Sieckmann in "Sonntag, Büscherhöfchen 2" finden, oder in der Diskussion von vier muslimischen Jungen, die sich in "Vor dem Tor des Ijtihad" von Mehmet Akif Büyükatalay im Wald treffen, um dort sehr persönliche und existenzielle Fragen von Religion und Lebensweise zu diskutieren.
Während Lukas Marxt für "Low Tide" in die schneebedeckten Berge Nordeuropas reist und Levin Hübner in "Bosteri unterm Rad" die Einwohner eines kirgisischen Ferienorts porträtiert, findet Sebastian Lemke das Thema seines Films "Good Soil" in Borschemich, einem Ort, der inzwischen dem Tagebau gewichen ist. Mit dabei ist auch Kerstin Neuwirth, die 2013 den Förderpreis des NRW-Wettbewerbs für "Anfang Juni" gewann und nun in einer Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm die Bergfrau mit ihren Vorfahrinnen konfrontiert.
MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo
12 Videos
ausgewählt aus 196 Einreichungen
(2013: 10 Videos)
Auch bei den deutschen Musikvideos war die Qualität der Einreichungen hoch. 12 Clips, zwei mehr als in den Vorjahren, wurden ausgewählt. Durchweg sind es freie Produktionen, teilweise für bekannte Interpreten wie Mouse on Mars, Die Goldenen Zitronen oder Dagobert. Wie lebendig und attraktiv das Genre Musikvideo ist, zeigt sich auch daran, dass immer wieder Langfilmer im MuVi-Preis vertreten sind: in diesem Jahr Dietrich Brüggemann, gerade bei der Berlinale für "Kreuzweg" mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch ausgezeichnet, mit dem verspielten "Easy or Not" für Tim Neuhaus und Kat Frankie, und Klaus Lemke mit "Verstrahlt" für Dagobert.
Wie immer sind zahlreiche Animationen im Programm, von den abstrakten Algorithmen von "UNSERHAUS for the New Era" von Noriyuki Kimura für Masahiro Miwa über die bunten Farbspiele von Martin Eichhorn und Daniel Spindler in "Einundzwanzig" für Jan Roth bis zu den psychedelischen Farbgewittern in Zeitguiseds Clip Cream Theme für Mouse on Mars.
Die Videos kommen aus Berlin, Hamburg, Frankfurt, München und Düsseldorf. Produziert wurden sie überwiegend fürs Internet, wo sich eine Art Musikfernsehen 2.0 herausgebildet hat: Zahlreiche Internetkanäle zeigen Videos, Publikationen wie Intro oder Spex präsentieren Clips auf ihren Websites, durchaus auch als "Videopremiere im Netz".
Kinder- und Jugendfilmwettbewerb
38 Filme aus 20 Ländern
ausgewählt aus 320 Filmen, die für den Deutschen und den Internationalen Wettbewerb eingereicht wurden
(2013: 38 Filme aus 26 Ländern)
Australien, Brasilien, Neuseeland, Japan, Kolumbien oder Singapur – dieses Programm öffnet Fenster zu den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt. Mit sieben Filmen sind die Niederlande am stärksten vertreten, gefolgt von Deutschland und Japan mit je sechs Produktionen. In vielen Filmen geht es um den Mut, anders zu sein – vom Zebra (Julia Ocker, Deutschland) in der Animation für die ganz Kleinen, das auf einmal anders aussieht und lernt, dass man sich darüber auch freuen kann, bis zu "Sam in Tits" (Alex Winckler, GB, ab 14), der unter der Vergrößerung seiner Brüste leidet und am Ende feststellt, dass im Grunde keiner seiner Mitschüler perfekt ist.
Das mitunter schwierige Verhältnis zur Familie oder zu Freunden ist ein weiterer thematischer Schwerpunkt: Von den beiden Brüdern, deren Beziehung in "Liar" (Martin Smith, GB) durch eine Lüge erschüttert wird, über das Mädchen in "Eleven" (Abigail Greenwood, Neuseeland), dem seine Freundin einen bösen Streich spielt, bis zu den chinesischen Brüdern im brasilianischen "Os Irmãos Mai" (Thais Fujinaga, Brasilien), die sich auf dem ganzen Weg zur Großmutter über das passende Geburtstagsgeschenk streiten.
Quelle: www.kurzfilmtage.de