Seit 2010 ist die Deutsche Biographie (DB), deren Kern die aktuell 48.000 Artikel der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB) und der Neuen Deutschen Biographie (NDB) bilden, online. Seitdem hat sich dieses von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) gemeinsam betriebene und seit vielen Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft kontinuierlich geförderte Projekt lebhaft entwickelt, auch im letzten Förderabschnitt 2014 bis 2016.
Dies gilt gleichermaßen für die Nutzungsfrequenz dieses für historisch-biographische Forschungen zu allen Wissenschaftsbereichen grundlegenden Informationssystems, für die sukzessive Erweiterung der recherchierbaren Persönlichkeiten aus allen Epochen und Bereichen des öffentlichen Lebens durch zahlreiche institutionell zertifizierte Partnerangebote via GND (Normdaten) sowie die erheblich erweiterten Suchfunktionen und Ergebnisanzeigen.
Nutzerfrequenz und Nachnutzungsmöglichkeiten
Mit zuletzt regelmäßig mehr als 100.000 Nutzern im Monat rangiert die DB auch im Rahmen der Angebotspalette der BSB ganz weit oben. Mittlerweile wurde die Web-Site für Suchmaschinen optimiert, was die Nutzerzahlen noch einmal erhöhen wird. Die rechtlichen und technischen Voraussetzungen für die internationale fächerübergreifende Nachnutzung der Forschungsdaten aus der Deutschen Biographie – dies wird bis nach China nachgefragt – wurden 2015 im Sinne von Open Access durch Creative Commons-Lizenzen sowie die Einrichtung mehrerer Schnittstellen (SPARQL, OpenSearch) geschaffen.
Zugriff auf valide Angaben zu mehr als einer halben Million Persönlichkeiten
Von Dezember 2014 bis Juni 2016 hat sich die Zahl der recherchierbaren Personen in der DB noch einmal auf nunmehr ca. 540.000 verdoppelt. Dies gelang durch die Integration von weiteren hochkarätigen Partnerangeboten, deren zahlenmäßig größte Kalliope (Autographen, Staatsbibliothek zu Berlin), das Filmportal (Deutsches Filminstitut, Frankfurt a.M.) und die Jahresberichte für deutsche Geschichte (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften) sind. Dazu ein Beispiel: Der Artikel über den Philosophen und Soziologen Georg Simmel (1858-1918) ist im Jahr 2010 in der NDB erschienen und in der DB enthalten. Die Jahresberichte verzeichnen jedoch allein für die Jahre 2011 bis 2015 46 weitere Literaturtitel (Aufsätze) zu Simmel, ein quantitativ und qualitativ erheblicher Mehrwert, der jetzt sofort abrufbar ist. Ebenfalls 2010 erschien der Beitrag über den Filmpionier Max Skladanowsky (1863-1939) in der NDB. Durch die Integration des Filmportals in das Angebot der DB gelangt man nun unter anderem auf dessen Filmographie und Fotos des Erfinders des Bioscops (1895).
Die Zahl aller einschlägigen verlinkten Angebote liegt inzwischen über 200, darunter z. B. die beim Deutschen Historischen Institut in Washington angesiedelte Datenbank "Immigrant Entrepreneurship. German-American Business Biographies, 1720 to the Present" über die etwa der Münchner Brauereibesitzer (Löwenbräu AG) Hermann Schülein (1884-1970) greifbar ist, der nach der erzwungenen Emigration in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in New York wieder als Brauereidirektor (Marke "Rheingold") reüssierte.
Optimierte Usability bei den Suchfunktionen
Die bisher in verschiedenen Reitern "Index", "Partnerlinks", "Weitere Angebote", "Relationen", "Erwähnungen" und "Orte" angebotenen Informationen wurden zusammengeführt, was mit einem Klick den Zugriff auf die hochwertigen Partnerangebote ermöglicht. Auch dazu ein Beispiel: Zu der bekannten Naturforscherin Maria Sybilla Merian (1647-1717) gelangt man neben dem NDB-Artikel und umfangreichen bibliographischen Angaben auch unmittelbar zu zahlreichen Angeboten mit Bildern der Entomologin selbst sowie ihrer beeindruckenden Zeichnungen, z.B. aus dem Lexikon zur Kunst in der Schweiz (SIKART).
Neue Visualisierungsmöglichkeiten
Mit den erheblich erweiterten Visualisierungsoptionen reagiert die DB insbesondere auf die Bedürfnisse der sich derzeit stark entwickelnden Netzwerkforschung, in den Geschichtswissenschaften und weit darüber hinaus. So weist beispielsweise der Graph zu dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) 60 Beziehungen innerhalb der DB auf. Neu ist, dass sich diese nun nach Verwandtschaft, Leben und Literatur filtern lassen. Ein ganz besonderes zusätzliches Feature stellt die für wissenschaftsgeschichtliche Forschungen stets wichtige "Lehrer-Schüler-Beziehung" dar, die sich ebenfalls graphisch anzeigen lässt.
Dies ist der erste Typus einer Relation, die eine singuläre Art von Beziehung beschreibt. Um für diese Form von Relationen zu konkreten Ergebnissen zu gelangen, bedient sich die DB moderner Verfahren der Digital Humanities und der Computerlinguistik. Mehrere weitere Relationen dieser Art auf der Grundlage der Daten der DB werden derzeit vorbereitet.
Erweiterte Geofunktionen
Noch erwähnt sei, dass auch die Geofunktionen ausgebaut wurden, so dass zu mehr als 17.000 Orten nach Persönlichkeiten gesucht werden kann. Dafür stehen ebenfalls Filter sowie verknüpfte
Recherchemöglichkeiten zur Verfügung, mit denen sich vielfältige Fragen auch im transnationalen Forschungskontext beantworten lassen, wie etwa diejenige nach Personen, die in Deutschland geboren und in den Vereinigten Staaten gestorben sind.
Auf dem Weg zum dynamischen Forschungslabor
Die DB hat sich in wenigen Jahren mit zahlreichen Kooperationen auf nationaler Ebene als zentraler Einstiegspunkt für wissenschaftliche historisch-biographische Forschungen aller Art etabliert. Dazu haben viele erfolgreiche Partnerschaften beigetragen. Der nächste Schritt wird die Weiterentwicklung des Informationssystems zu einem dynamischen Forschungslabor sein, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, so Malte Rehbein, Projektleiter der Deutschen Biographie auf Seiten der Historischen Kommission, "künftig in die Lage versetzen wird, mit einem individuellen Sample von Daten aus der Deutschen Biographie zu ihren jeweiligen Forschungsfragen zu arbeiten".
Die Präsentation der neuen DB ist Gegenstand eines Workshops am 24. Juni 2016 im Historischen Kolleg in München.
Quelle: www.historischekommission-muenchen.de / www.bsb-muenchen.de