Inhalt
Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Wolfgang Herrndorf. Der 14-jährige Maik stammt aus einem wohlhabenden, aber zerrütteten Elternhaus. Bei seinen Mitschülern gilt er als Langweiler und Außenseiter, weshalb er bei seiner heimlichen Liebe keine Chance hat. Auch sein aus Russland stammender Mitschüler Andrej Tschichatschow, kurz "Tschick" genannt, ist ein Außenseiter, aber aus anderen Gründen: Er lebt in verwahrlosten Verhältnissen in Berlin-Marzahn und benimmt sich öfters daneben. Die beiden ungleichen Jungs freunden sich an, und als Maik von seinen Eltern in den Sommerferien alleine zu Hause zurückgelassen wird, hat Tschick eine Idee: In einem gestohlenen Lada will er mit Maik zu seinem Großvater in die Walachei fahren. Damit beginnt eine abenteuerliche Odyssee quer durch Ostdeutschland, denn eine Landkarte haben die Freunde nicht dabei. Unterwegs lernen sie die gleichaltrige Isa kennen. Sie will nach Prag reisen und erklärt sich bereit, Maik und Tschick den richtigen Weg zu zeigen. So geht die ungewöhnliche Reise zu dritt weiter.
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So beginnt „Tschick“, einer der erfolgreichsten Romane der letzten Jahre, der seinen Autor Wolfgang Herrndorf schlagartig bekannt gemacht hat. Das war 2010 und damit in dem Jahr, wo der 1965 geborene Autor, Maler und Illustrator (u.a für die Satirezeitschrift „Titanic“) mit einer niederschmetternden Nachricht konfrontiert wurde: Gehirntumor, wahrscheinlich unheilbar. Drei Jahre später, am 26. August 2013, hat sich Herrndorf am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen.
Maiks Vater, ein brutaler Schläger, steht kurz vor der Pleite, nachdem ein Marzahner Immobilienprojekt von „Öko-Faschisten“ verhindert wurde. Seine liebenswerte Mutter, eine Alkoholikerin mit regelmäßigen Entziehungskuren und regelmäßigen Rückfällen: Maiks Schulaufsatz über die prekären Verhältnisse daheim haben seinen Lehrer Wagenbach regelrecht umgehauen. Widerwärtig, ekelerregend, schamlos – aber wahr! Seither hat Maik den Spitznamen „Psycho“ weg.
Alles ändert sich schlagartig, als Maik näher mit dem „Asi“ der Klasse, seinem Banknachbarn Tschick, bekannt wird, den niemand leiden kann und das nicht nur, weil er schon mit einer Alkoholfahne morgens in der Schule erscheint. Der Russe, schlitzäugig wie ein Mongole, heißt eigentlich Andrej Tschichatschow, hat Maik aus der Patsche geholfen, draußen auf dem Schulhof, als er einem um einiges älteren und größeren Spacko mit wenigen für die anderen unhörbar leisen Worten komplett den Stecker gezogen hat. Für immer und ewig. Das macht Eindruck!
Zu Sommerferienbeginn, Maiks Mutter hat sich zum Entzug in eine „Beautyfarm“ begeben und Papa samt extrem junger, gutaussehender Assistentin Mona auf Geschäftsreise, will Tschick zusammen mit Maik seinen Onkel in der Walachei besuchen. Das liegt irgendwo im Südosten, in Rumänien. Weil aber, wie Tschick meint, Landkarten nur 'was für Muschis sind, landen die beiden erstmal in der mitteldeutschen Walachei – bei Unwetter im Weizenfeld. Woraus sich eine hübsche Dorfgeschichte entspannt mit gutem Risi-Pisi-Essen und einem Polizisten auf dem Fahrrad.
Mädchen und Technik: Die geheimnisvolle Isa hilft ihnen mit der Schlauch-Nummer den Wagen zu betanken, verschwindet dann aber im Bus nach Prag, wo ihre Schwester wohnt. Weil sich Tschick im einem Tümpel einen Holzspan in den Fuß gerammt hat, muss Maik den Lada steuern. So findet das Roadmovie nachts auf der Autobahn ein abruptes, man könnte auch sagen: schweinisches Ende. Die Strategie seiner Eltern, alles auf den „Russen“ zu schieben, geht nicht auf: Maik bekennt sich zu Tschick. Und wird nun sogar von Tatjana beachtet. Doch seit Isa in sein Leben getreten ist im „besten Sommer von allen“, ist das schönste Mädchen nunmehr der neunten Klasse abgemeldet...
Nachdem sowohl die Romanvorlage als auch die Bühnenadaption Robert Koalls ein Riesenerfolg im ganzen deutschsprachige Raum war, hat es eine Verfilmung dieser grandiosen Coming-of-Age-Odyssee natürlich besonders schwer. Denn sie kann im Grunde genommen nur alles falsch machen – zumindest in den Augen des begeisterten Lese- und Theaterpublikums. Dieses Wagnis ist Fatih Akin eingegangen – und er hat absolut nichts falsch gemacht. Was bei der Besetzung beginnt: Tristan Göbel und Anand Batbileg, beide bei den Dreharbeiten dreizehn Jahre jung, sind ein phantastisches Buddy-Gespann wie es bei Wolfgang Herrndorf im Buche steht. Dazu hat der Schweizer Rainer Klausmann großartige Bilder aus Berlin, Leipzig und Umgebung für die große Kinoleinwand geschaffen - mit spannenden Perspektiven auf dörfliche Alleen, wie es sie in dieser Großräumigkeit wohl nur in den immer noch neuen Bundesländern gibt, aus der Vogelperspektive oder mittendrin im Maisfeld. „Tschick“ ist, was seine Bilder betrifft, geradezu ein Eastern.
Das vierköpfige Autorengespann mit dem ausdrücklich von Herrndorf erwünschten Lars Hubrich, die beiden kannten sich von der gemeinsamen Schreibtätigkeit für das Internet-Portal „Die höflichen Paparazzi“, und dem im Jugendfilmgenre erfahrenen Regisseur Hark Bohm („Nordsee ist Mordsee“, „Moritz lieber Moritz“), hat sich erstaunlich eng an die Romanvorlage gehalten einschließlich der szenischen Umsetzung von Maiks Gedanken und Träumen. Es setzt aber zugleich entsprechend den Genre-Anforderungen eines Kinofilms auf spektakuläre Locations und effektvolle Szenen – von Tatjanas Geburtstagsparty über das Acker-Rennen zwischen Lada und Traktor und die junge „Adel auf dem Radel“-Gruppe bis hin zur Badesee-Szene, die hier an einer mächtigen Talsperre gedreht worden ist, mit dem ersten Kuss zwischen Maik und Isa. „Tschick“ ist am 24. Juli 2018 in der ARD erstausgestrahlt worden.
Pitt Herrmann