Inhalt
Der Uranbergbau der Wismut AG führt 1950 die verschiedensten Menschen zueinander, teils sind es zur Arbeit Zwangsverpflichtete, teils Abenteuersuchende. Das Mädchen Lutz, das sich früh verwaist in der Nachkriegszeit prostituiert hatte, verliebt sich in den gutherzigen, aber wenig sensiblen Günter. Die Beziehung endet bald mit einer Enttäuschung für sie. Stattdessen werben der Obersteiger Beier und der sowjetische Ingenieur Sergej, dessen Frau im Krieg von Deutschen ermordet wurde, um sie. Die beiden Männer sind Rivalen, müssen sich aber im Interesse der gemeinsamen Aufgabe miteinander arrangieren. Lutz entscheidet sich für Beier, der sie als Frau achtet und ihr Geborgenheit gibt. Doch spürt sie, dass ihre wahre Liebe Sergej gehört.
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„Männer sind Schweine, alle. Ich habs satt“: Lotte hat absolut keine Lust, Emmi auf eine Tanzveranstaltung zu begleiten. Die ist zwar nicht weniger desillusioniert, was das starke Geschlecht betrifft („Liebe ist so selten wie im Zirkus ’ne Gratisvorstellung“), dennoch zieht es sie zu einem starken Mann: Jupp „Jumbo“ König. Der ist mit seinen Wismut-Kumpeln auf feucht-fröhlichem Berlin-Ausflug – und da lassen es die Kerle, die sonst täglich ihr Leben riskieren, indem sie unter Tage für die sowjetischen Freunde Uran abbauen, so richtig krachen.
Im Gefolge von Emmis „süßem Bolschewik“ auch Günter Holleck, der sich sogleich in Lotte verliebt. Vielleicht gerade deshalb, weil sich die schüchterne graue Maus so fundamental unterscheidet von den aufgedrehten Berlinerinnen in der Gaststätte. Nach einer handfesten Wirtshauskeilerei, die abgeblitzte Berliner Jungmänner gegen die spendablen Wismuter Kumpel angezettelt haben, geraten die der Prostitution verdächtigte Emmi und ihre Ziehtochter Lotte in die Mühlen der Behörden. Beide werden in die Produktion abkommandiert – zur Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) „Wismut“ nach Felsach.
Wo Lotte nicht nur von Günter gleich in Beschlag genommen wird, sondern auch vom Obersteiger Franz Beier und dem jungen russischen Ingenieur Sergej Melnikow. Nachdem das Gerede unter den über Tage eingesetzten Frauen, bei dem sich besonders die eifersüchtige Berta hervortut, nicht aufhören will, gelingt es Lotte, unter Tage eingesetzt zu werden als Assistentin der russischen Explorationskraft Wera. Das Ringen der drei Männer um die völlig hilflose junge Frau, die sich erneut als deren Spielball fühlen muss, findet seine Entsprechung in der beruflichen Rivalität. Sergej, dessen Frau in Lottes Alter von der SS ermordet wurde, misstraut Franz Beier, der, wenn auch als ganz junger Bursche, bei besagter SS-Division „Das Reich“ gedient hat.
Der Obersteiger, der im Krieg einen Arm verlor und mit seiner faschistischen Vergangenheit gebrochen hat, will zu ungewöhnlichen Mitteln greifen, um den Uranbergbau noch effektiver zu machen. Da diese zu einer vorübergehenden Produktionsminderung führen würden, hat er auch Sergejs Vorgesetzten, Oberst Fedossjew zum Gegner. Dessen Misstrauen gegen alle Deutsche groß ist, hat er im Krieg doch alle Kinder verloren. Unfälle, Sabotageakte und mangelnde Versorgung mit technischer Ausrüstung belasten das Verhältnis zwischen Sergej, Franz Beier und dem Parteisekretär Weihrauch zusätzlich. Erst ein Brand unter Tage, der die Protagonisten verschüttet, führt die Streithähne in existentieller Notlage zueinander. Und so verkraften sie auch das komplexe private Geschehen über Tage: Lotte Lutz liebt Sergej, erwartet ein Kind von Günter Holleck – und heiratet Franz Beier, der ihr erstmals das Gefühl von Anerkennung, ja Achtung und Geborgenheit gibt...
„Wie es mit dem Sozialismus bei uns begann“: Bei aller der Zeit geschuldeten sozialistischen Aufbau-Rhetorik, so wird schon im Vorspann erklärt, dass sowjetische Atombomben notwendig sind zum Sieg über den amerikanischen Imperialismus, und dem allzu glatten, ganz auf Parteilinie liegenden Ende ist Konrad Wolf mit „Sonnensucher“ ein Meisterwerk gelungen. Einerseits ein motivisch recht verzweigtes Liebes-Melodram, andererseits ein authentischer, heute geradezu dokumentarischer Einblick in die Arbeits- und Lebenswelt der noch jungen DDR zu Beginn der 1950er Jahre etwa mit Aufnahmen der noch in Trümmern liegenden Berliner Museumsinsel vor dem Hintergrund der 1954 gegründeten SDAG Wismut.
Schließlich ist „Sonnensucher“ ein „typischer“ Erwin Geschonneck-Streifen. Der gibt in der Rolle des Jupp König einen ganzen Kerl, der sich vor keiner Wirtshausschlägerei oder lebensgefährlichen Rettungsaktion im Schacht fürchtet. Der in bester Hans Albers-Manier das Zentrum bildet, um den die nicht nur weiblichen Satelliten kreisen. Mit dem Unterschied, dass er nicht selbst zur Gitarre singt, sondern sich von Lissy Tempelhof besingen lässt („Lied vom starken Mann“).
Und als überzeugter Alt-Kommunist, welcher der legendären Volksmarine-Division ebenso angehörte wie dem Rotfront-Kampfbund, allen Charme einsetzt, um nicht von der Genossin Eva Heller (kleine, feine Episodenrolle: Agnes Kraus) aus der Parteizentrale in Aue zum Wismut-Parteisekretär ernannt zu werden. Vergeblich, versteht sich. Am Ende ist dieser Haudrauf mit dem Herz auf dem rechten Fleck als Emmi Jahnkes Gatte gezähmt – und übernimmt auch noch Großvater-Pflichten bei Lottes Nachwuchs, der in seinem Parteisekretär-Haus aufwächst.
Im April 1957 begannen die Dreharbeiten mit einem Eklat: der Moskauer Koproduktionspartner war kurzfristig ausgestiegen nach Kritik an der Figur des verbitterten sowjetischen Ingenieurs Oberst Fedossjew. Konrad Wolf sah sich ein Jahr später zu weiteren Korrekturen bezüglich der Figur des Parteisekretärs Weihrauch gezwungen. Nach einer SED-Politbüro-Sichtung des Films am 24. Juni 1959 unter Teilnahme Walter Ulbrichts wurde eine Pressevorführung genehmigt, der prompt das Veto des sowjetischen Botschafters in der DDR folgte.
So konnte „Sonnensucher“ erst am 20. Juli 1971 zum 25. Jahrestag der SDAG am ostthüringischen Wismut-Standort Ronneburg uraufgeführt und am 27. März 1972 im gerade in Fernsehen der DDR umbenannten Deutschen Fernsehfunk erstausgestrahlt werden. Laut Defa-Stiftung ist „Sonnensucher“ am 1. September 1972 in den DDR-Kinos angelaufen. Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft zeichnete Konrad Wolf 1975 mit dem Kunstpreis der DSF aus.
Pitt Herrmann