Sonnensucher
Bei den Sonnensuchern
Rosemarie Rehahn, Wochenpost, Berlin/DDR, Nr. 1, 4.1.1958
(…) Es geht in den "Sonnensucher"n um den schweren Anfang der Republik und um die große Perspektive. Wie oft hat man gehört, wir müssen den Sozialismus mit den Menschen aufbauen, die wir haben. Hier begegnen wir ihnen, diesen Menschen, die der Kapitalismus und besonders der Krieg hinterlassen hat. Männer und Frauen, behaftet mit den Schlacken einer bösen Vergangenheit, Gleichgültige und Zupackende, Sehnsüchtige und Hoffnungslose. Der Film stellt sie in das Milieu des Uranbergbaus, an einen, wenn nicht den Brennpunkt beim Werden der Republik. In der Wismut traten die Konflikte offener zutage, dort war der Kampf um den neuen Menschen heißer als anderswo – aber auch das Ergebnis, der Sieg, sichtbarer. (…)
Der Regisseur, in grauer Strickjacke und Baskenmütze, hockt versunken, grüblerisch auf einer Kiste und beobachtet seinen Hauptdarsteller, Günther Simon. Im Drehbuch liest man: "Auf Beier am offnen Fenster seines Zimmers mit der Spiegelung des Schachtgeländes in den Scheiben." Doch wer die Spiegelung hat erfunden, hat an den Kameramann, Werner Bergmann, nicht gedacht, möchte man angesichts dieser 20-Sekunden-Szene (der ganze Film wird vielleicht zwei Stunden dauern) seufzen. (…)
Konrad Wolf, den die westdeutsche Kritik in Karlovy Vary eine der großen Hoffnungen des deutschen Nachkriegsfilms nannte, ist ein sehr stiller, vielleicht sogar verschlossener Mensch. Ich habe ihn noch nie viel reden hören. Wenn er diesmal seinen Gedanken mit ungewohntem Feuer Ausdruck gibt. so kann man erraten, wie erfüllt er von der Arbeit ist. Vielleicht wird der Film manchem ungewohnt, ja unbequem sein. Allein der Schauplatz: Wismut. Kam das beim Gegner nicht gleich hinter Sibirien? Der Film will den Zuschauer so führen, daß er angesichts harter, schonungsloser Bilder sagt: So war es, um dann nach und nach die Hintergründe, die Ursachen, Sinn und Logik des Geschehens zu begreifen. "Ich glaube, daß unsere Filmkunst den entscheidenden Schritt machen muß zur Mitgestaltung des neuen Menschen. Dazu brauchen wir das Vertrauen des Zuschauers, das wir nur erwerben, wenn wir die tiefen Konflikte unseres Lebens zeigen – und deuten", sagt Konrad Wolf.
Die Spannung des Films kommt nicht nur von der interessanten Geschichte. Sie liegt nicht zuletzt, wie der Regisseur sagt, in den Entdeckungen, die der Zuschauer mit dem Helden zusammen macht. "Dieser Entdeckungsprozeß, den wir selbst in jeder Szene des tiefschürfenden Buches durchmachen, entzündet unsere schöpferische Initiative", meint Konrad Wolf. Auch in der Schauspielerbesetzung spürt man eine Art Opposition gegen die Typisierung, gegen das Schema: Günther Simon, der geradlinige, begeisternde Held der Thälmann-Filme – ein SS-Mann, Erwin Geschonneck, Darsteller zwielichtiger Gestalten – Genosse und sogar Parteisekretär, Erich Franz wieder, an dessen klugen, erfahrenen Parteiarbeiter man sich gewöhnt hat – ein politischer Versager, Manja Behrens, mütterliche Proletarierfrau in "Gejagt bis zum Morgen" – hier eine Straßendirne. (…)