Inhalt
Tragikomödie nach dem gleichnamigen Bestseller von Daniel Kehlmann. Im Mittelpunkt steht der ebenso eitle wie erfolglose Kunstjournalist Sebastian Zöllner, der mit einer Biografie über den legendären Maler Manuel Kaminski endlich den großen Coup landen will. Kaminski war in jungen Jahren von Matisse und Picasso gefördert worden und hatte als angeblich blinder Künstler durch eine provokative Pop-Art-Ausstellung für Furore gesorgt. Dann aber geriet er in Vergessenheit und zog sich in die Alpen zurück. Da Zöllner mit einem baldigen Ableben des alten Malers rechnet, was der Biografie natürlich erhebliche Publicity bescheren würde, will er ihn für das Buch unbedingt noch interviewen. Nach Gesprächen mit einstigen Rivalen und Weggefährten des Malers, mit Kunstsammlern und Galeristen, bricht Zöllner in die Alpen auf. Mit einem Trick gelingt es ihm, Kaminski zu einer gemeinsamen, mehrtägigen Autoreise zu bewegen. Aber der gebrechliche, vermeintlich blinde alte Mann erweist sich als überaus wacher Geist, der ein ganz eigenes Spielchen mit dem selbstgefälligen Schreiberling treibt.
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Ein Bestseller soll ihm aus der Misere helfen, das Porträt des Malers Manuel Kaminski. Zwar lebt der Schüler von Matisse und Freund von Picasso seit seiner Erblindung in der Abgeschiedenheit der Schweizer Alpen und ist, obwohl der letzte lebende Vertreter der Klassischen Moderne, arg in Vergessenheit geraten. Doch kann Kaminski, der in den 1960er Jahren noch einmal ins Rampenlicht geriet, als eines seiner Bilder eher versehentlich in eine Pop-Art-Ausstellung geriet und von Claes Oldenburg unter dem Titel „Painted By A Blind Man“ präsentiert wurde, wieder im Kurs steigen, wenn er gestorben ist. Das ist zwar noch nicht soweit, kann aber nach menschlichem Ermessen nicht mehr allzu lange dauern. Und wer dann eine aktuelle Biographie in der Schublade hat, kann sich und seinen Verleger glücklich machen.
Also reist Sebastian in das idyllisch gelegene Bergdorf Spina samt analogem Diktiergerät, alter Kofferschreibmaschine und wundervoll-nostalgischer Leica-Kompaktkamera. Nach dem schweißtreibenden Aufstieg sieht er sich im Chalet des hochbetagten Künstlers gleich zwei Hindernissen gegenüber: der handfesten Haushälterin Anna und der kühl-mondänen Malertochter Miriam Kaminski. Doch Sebastian ist selbstbewusst, man könnte auch sagen: unverschämt genug, dass er sich nicht abwimmeln lässt. Sein geradezu grotesk überhebliches Auftreten imponiert und amüsiert Kaminski gleichermaßen, sodass er damit einverstanden ist, sich vom jungen und so gar nicht gesellschaftsfähigen Journalisten befragen zu lassen.
Sebastian will als erstes herausbekommen, ob Kaminski wirklich blind ist und warum er sich vor der Welt verbirgt. Er befragt Zeitgenossen (Anne Morneweg und Jacques Herlin erlebten den Kinostart nicht mehr) und Künstlerkollegen, darunter ein skurriles Komponisten-Zwillingspaar – und träumt von der schönen Miriam. Die freilich gleich mehrere Nummern zu groß ist für den Rechercheur ohne Manieren, der keine Skrupel hat, Anna zu bestechen, damit er endlich mit Kaminski allein sein kann. Sebastian durchsucht das Haus vom Dachgeschoss bis zum Keller, bricht einen Schreibtisch auf, um privateste Briefe lesen zu können, und findet in Kaminskis Atelier, das der Maler offenbar schon geraume Zeit nicht mehr betreten hat, dessen geheim gehaltenes Spätwerk.
Schließlich kann er seinen größten Trumpf ausspielen: Therese Lessing, die große Liebe und Muse Kaminskis aus längst vergangenen Tagen. Sebastian weiß, wo sie zu finden ist - und schon mutiert die kunstvolle Studie zu Kunst und Leben, Alter und Lebensweisheit zum Roadmovie. Von der französischsprachigen Schweiz geht es, ein Fest für den renommierten „Bildgestalter“ Jürgen Jürges, durch halb Europa an die belgische Nordseeküste. In Kaminskis altem Jaguar, bis dieser von dem betagten Musiker Karl-Ludwig „ausgeliehen“ wird, im Taxi und mit der Bahn. Mit Zwischenstation Düsseldorf, wo Sebastian den Greis auf einer Vernissage seinen Kollegen und Konkurrenten (hochkarätig besetzte Episodenrollen u.a. mit Stefan Kurt, Milan Peschel und Peter Kurth) sowie seinem Verleger vorführt. Schließlich landen sie doch noch in einem verschlafenen Nest, in dem Therese ihre letzten Lebensjahre an der Seite des gemütlichen früheren Unternehmers Holm vor dem Fernseher verbringt...
Von großem Stilwillen des Regisseurs Wolfgang Becker geprägt zwölf Jahre nach seinem Leinwand-Ereignis „Good Bye, Lenin!“, ist „Ich und Kaminski“ die zweistündige Buddy-Komödie eines ungleichen Paares, das auf einer Reise voller Hindernisse und Verwicklungen erkennt, dass sich beide ähnlicher sind, als sie je vermutet hätten. Nach und nach lernt Sebastian alles in Frage zu stellen, was er für sicher gehalten hat. Und er lernt zu verstehen, dass er dem meisterhaften Manipulator Manuel Kaminski in keiner Weise gewachsen ist. Am Ende wird er seine Manuskriptblätter und seine Tonbänder in der Nordsee versenken. Und nie mehr die Frage aufwerfen, ob Kaminski blind ist. Denn niemand sieht so weit wie er, obwohl auch der Maler verdrängten Wahrheiten über sein Leben ins Auge sehen muss. Die TV- Erstausstrahlung erfolgte am 21. Juli 2017 auf Arte.
Pitt Herrmann