Inhalt
Die Geschwister Hannah und Timotheus wachsen in einer streng evangelikalen Familie auf und führen ein scheinbar erfülltes Leben in ihrer freikirchlichen Gemeinde. Vor allem Hannah lebt ihren Glauben mit Leidenschaft und hat ein Keuschheitsgelübde abgelegt. Doch als sie sich in ihren neuen Klassenkameraden Max verliebt, werden die Dinge kompliziert. Und als Timotheus entdeckt, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt, kollidieren die Gefühle der Geschwister mit den Werten und Erwartungen ihrer Familie.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Klar, dass auch der Sohn „Timo“ Timotheus und seine drei Schwestern Hannah, Noemi (Linja Elise Taube) sowie Küken Ruth (Emma Luisa Kriemer de Santos) ganz im behauptet göttlichen Sinn erzogen werden: die Bibel hat mit ihrer Schöpfungsgeschichte recht und nicht irgendein Charles Darwin, die Familie besteht aus Mann, Frau und Kindern, wobei die Frau dem Mann zu gehorchen und nur Interesse für die drei „K“ (Kinder, Küche, Kirche) zu zeigen hat, Abtreibung und Homosexualität sind Teufelswerk.
Es geht um die Reinheit von Körper, Geist und Seele, weshalb für Hannah klar ist, später nur einen Mann aus der Gemeinde zu heiraten und im Kollektiv mit gleichaltrigen jungen Frauen schwört, bis zur Hochzeitsnacht jungfräulich zu bleiben. Als Susanne (Karoline Eichhorn) und ihr bald 18-jähriger Sohn Max, die es aus der Metropole Frankfurt/Main die die ungenannte Provinz verschlagen hat, in die unmittelbare Nachbarschaft ziehen, sieht David in der alleinerziehenden Mutter sogleich ein Bekehrungsopfer und setzt zusätzlich Hannah auf ihren neuen Schulkameraden Max an.
Mit Folgen: wird die kleine Ruth noch ausgeschimpft, weil sie sich im Kindergarten mit einem anderen Mädchen „verheiratet“ hat, muss Hannah neben Hausarrest auch körperliche Gewalt ihres Vaters fürchten, wenn dieser herausbekommt, dass Max sie zu ihrem ersten Kinobesuch überhaupt überredet hat und kein Verständnis für ihre Zugeknöpftheit zeigt. Die sich bald lockert, nachdem Hannahs bester Freundin Melissa (Luna Baptiste) mit Adrian (Yuri Yolsch) „geht“ und ihr Keuschheitsgelübde nunmehr schnuppe ist.
Das ist freilich gar nichts im Vergleich zu den inneren Qualen, die Timo erleidet in seiner festen Überzeugung, dass Homosexualität gegen Gottes Wille verstößt: Weil er tiefere Gefühle für seinen Fußball-Kumpel Jonas empfindet, will er sich von seinen „unreinen“ Gedanken in einem sogenannten „Seelsorge-Seminar“ der Freikirche befreien. Timo begibt sich freiwillig in die Hände des von „sexueller Missbildung“ sprechenden Therapeuten Dr. Peter Schäfer und des Pastors Sebastian – und ahnt nicht, dass auch Jonas an den kollektiven Dämonen-Austreibungen teilnimmt. Was zwangsläufig in eine Katastrophe mündet…
Onanie ist Sünde und Sexualität allein zur Nachwuchszeugung in der Ehe erlaubt: „Gotteskinder“ ist ein packendes Coming-of-Age-Drama, das eindringlich die Auswirkungen von religiösem Fundamentalismus auf die Identität junger Menschen zeigt und tief in die inneren Konflikte einer streng gläubigen Gemeinschaft eintaucht. Durch den mehrfachen Perspektivwechsel von Innen (Hannah und Timo) zu Außen (Max) fängt der Film die innere Zerrissenheit der Jugendlichen zwischen den strengen religiösen Regeln, den Erwartungen der Familie und den eigenen Gefühlen authentisch ein.
Frauke Lodders wurde 1984 in Kassel geboren. Sie schloss im November 2012 ihr Studium Visuelle Kommunikation mit Schwerpunkt Film und Fernsehen an der Kunsthochschule Kassel mit einem Master of Fine Arts mit Auszeichnung ab und arbeitet seither frei. Die Regisseurin im W-film-Presseheft: „Mir war es wichtig, mit ‚Gotteskinder‘ einen Film zu machen, der aus der Sicht von Menschen erzählt, die in einer evangelikalen Gemeinde leben und vollends hinter ihrem Glauben stehen – also keinen Blick von außen auf eine Parallelwelt zu zeigen, sondern eine Innenansicht. Ich wollte nicht nur die aus meiner Perspektive negativen Aspekte zeigen, sondern dass man darüber hinaus versteht, was Menschen trotz allem an diesen Gemeinden anziehend finden. Ich wollte zeigen, wie Menschen in den Freikirchen aufgenommen werden und in der Gemeinschaft Zusammenhalt erfahren, der ihnen so wichtig wird, dass manche von ihnen sogar bereit sind, gegen einen Teil ihrer Selbst anzukämpfen oder diesen zu unterdrücken. Denn nur wenn wir nachvollziehen können, was Menschen in diese Gemeinden führt und in diesen hält, können wir ihnen helfen, wenn sie nach einem Ausweg suchen.“
Pitt Herrmann