Inhalt
Olivers Leben als Banker auf der Überholspur findet ein abruptes Ende, als er mit 230 km/h gegen die Leitplanke knallt und querschnittsgelähmt in der Reha aufwacht. Auch wenn er seine neue Realität zunächst verdrängt, so inspiriert sie ihn doch zu einem riskanten Plan. Mit einer Wohngruppe behinderter Menschen macht er sich auf den Weg nach Zürich, um eine beträchtliche Menge Schwarzgeld in Sicherheit zu bringen. Ein furioser Roadtrip über die Grenzen von Gier, "Glämaah", Glück – und Legalität.
Quelle: 69. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Doch Oliver will möglichst schnell wieder arbeiten – und daher am liebsten sofort ‘raus aus diesem „Behindertengefängnis“ mit schlechtem Internet-Empfang. „Wir sind doch kein Businesshotel“: Da stößt er bei der Institutsleiterin Ingeborg Zschetzsche von der Tarnach-Stiftung freilich auf Granit, und das nicht nur aus medizinischer Sicht: jeder gutbetuchte Patient wie Oliver ist ein dicker Fisch in ihrem sonst sehr löcherigen sozialen Netz öffentlicher Mittel, weshalb er möglichst lange darin zappeln soll.
Auf der Suche nach dem stärksten W-Lan-Signal lernt er mit Laura Ferber eine äußerst attraktive Betreuerin kennen – bei einer sehr merkwürdigen Tätigkeit: Sie rubbelt die Spitzen von Buntstiften ab, damit sich ihre Schützlinge nicht daran verletzen. „Goldfisch-Gruppe“ nennt sich ihre Behinderten-WG, die Oliver zunächst als völlig schräge Freakshow wahrnimmt. Da ist zunächst die blinde Magda Grabowski, eine alkoholkranke Zynikerin mit derbem Humor, deren erstaunliche Methode, umsonst an den hochprozentigen Stoff zu kommen, er fasziniert im Supermarkt verfolgt.
Den Ton gibt zumeist Franzi Maier an, ein selbstbewusstes Mädchen mit Down-Syndrom, das von einem eigenen Pferd träumt und vom „Glämaah“ einer Disney-Prinzessin. Die Gruppe komplettieren mit dem 1980er-Pop-Fan Rainer „Rainman“ Schnellinger und den stummen Michael „Michi“ Wolter, der nie ohne Schutzhelm herumläuft, zwei Autisten sowie neben Laura, die nach dem Studium der Sonderpädagogik ihren Traumjob beim Praktikum richtig gut machen will, der zweite Betreuer Eddy Patzke, der das genaue Gegenteil von ihr ist: dem ausgebildeten Heilerziehungs-Pfleger fehlt die Empathie für die ihm Anvertrauten, er hasst seinen Beruf abgrundtief.
Oliver, dem seine überfürsorgliche Mutter das Sachbuch „Sex im Rollstuhl“ mitgebracht hat, flirtet zwar mit Laura, und das sichtlich nicht ohne Hoffnung, hat derzeit aber ganz andere Sorgen: Sein Bank-Kumpel Julius hat Besuch von der Steuerfahndung bekommen, die hinter sein Schließfach in einer Züricher Bank gekommen ist. Nun droht ihm ein ähnliches Schicksal: sein steuerfrei beiseite geschafftes Vermögen beträgt 1,2 Millionen Euro. Oliver ist bereit, tief in die Tasche zu greifen: Kameltherapie bei Saphira, der esoterischen Freundin Ingeborg Zschetzsches, in der Schweiz. Während die „Goldfische“ auf den Wüstenbewohnern durch das idyllische Heideland geschaukelt werden, lässt Oliver sich vom zunehmend raffgierigen Eddy zur Bank kutschieren und beide Schließfächer leeren. Die nicht unberechtigte Hoffnung auf perfekte Tarnung: ein Ausflug mit einem Behindertenbus wird sicherlich nicht vom deutschen Zoll gefilzt…
Newcomer Alireza Golafshan, Regie-Absolvent der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen (HFF), hat für seine Komödie „Die Goldfische“ ein grandioses Ensemble versammeln können. Der furiose Roadtrip über die Grenzen von Gier, „Glämaah“, Glück – und Legalität, ist am 10. Januar 2022 als Free-TV-Premiere auf Sat 1 zu sehen. Der 1998 im Alter von zwölf Jahren mit seiner Familie von Teheran nach Deutschland ausgewanderte Regie-Debütant studierte zunächst Philosophie und Kunstgeschichte, bevor er sich an der HFF einschrieb. Sein Vater hatte die letzten Jahre seines Lebens vor seinem zu frühen Tod mit der körperlichen Behinderung einer Beinamputation zu kämpfen. Dieser sehr persönliche Blickwinkel schulte das Bewusstsein des Filmemachers, dass die wichtigste Regel ist, diesen Menschen nicht mit Mitleid zu begegnen.
Sein 45-minütiger HFF-Kurzfilm „Behinderte Ausländer“ begeisterte auch die „Späher“ großer Filmproduktionsfirmen und brachte Alireza Golafshan zunächst den Drehbuchauftrag für „Die Goldfische“ ein: „Ich hatte mir keine großen Hoffnungen gemacht als Filmemacher, der keinerlei Referenzen vorzuweisen hat. Wir hatten dann aber das Glück, dass das Drehbuch sehr gut ankam, auch bei einem Star wie Tom Schilling, der bisher nicht unbedingt als Komödiant bekannt ist. Er war sofort dabei, ohne Wenn und Aber. Und das brachte den Stein endgültig richtig ins Rollen.“
Pitt Herrmann