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Im Jahr 1907 besucht der Hamburger Großbürgers-Sohn Hans Castorp seinen lungenkranken Cousin in einem vornehmen Sanatorium im schweizerischen Davos. Die morbide Atmosphäre der Klinik mit all ihren schwer kranken Patienten fasziniert ihn so sehr, dass er sich ebenfalls dort einweisen lässt. Sieben Jahre lang, bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, bleibt Castorp im Sanatorium Berghof – wobei während der gesamten Zeit nie wirklich klar ist, ob er überhaupt an einer Lungenkrankheit leidet. Nach dem Roman von Thomas Mann.
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Doch es kam ganz anders: Sein dickleibiger zweibändiger Roman beschränkt sich auf 994 Seiten nicht allein auf die Kritik am untergehenden Bürgertum, das in allen Spielarten im Sanatorium vertreten ist vom italienischen Dichter und Humanisten Settembrini bis zum jesuitischen Eiferer Naphta, vom Hofarzt und Lebemann Behrens an der Seite seines psychoanalytisch arbeitenden Assistenten Krokowski bis hin zum Bourgeois Mynheer Peeperkorn und seiner schönen Gattin Madame Clawdia Chauchat.
Thomas Mann erzählt die Geschichte des frühverwaisten Hans Castorp, der nach bestandenem Ingenieursexamen seinen lungenkranken Vetter Ziemßen in einem Sanatorium bei Davos besucht und dort mit „leichtem Lungen-Schatten“ hängen bleibt bis der Erste Weltkrieg ausbricht, in ganzer epischer Breite auch als Auseinandersetzung mit der „reinen Zeit“. Zeit-Exkurse, Erzähler-Reflexionen, Gedankengänge der Protagonisten: Kann eine solche Erzählstruktur überhaupt einigermaßen ohne Verluste verfilmt werden?
Indem sich Hans W. Geißendörfer auf den ursprünglichen Aspekt Thomas Manns, die Gesellschaftskritik, besinnt, schon: „’Uns friert nicht’ ist letztlich der Satz eines Wahnsinnigen. Es ist der verzweifelte Satz des Stillstandes, den Naphta im Roman mit seinem radikalen Aufruf beantwortet: ’Nur aus der radikalen Skepsis, dem moralischen Chaos, geht das Unbedingte hervor, der heilige Terror, dessen unsere Zeit bedarf.’ Der Film ’Zauberberg’ entstand, was mich angeht, in der Hauptsache wegen dieser beiden Sätze. Alle anderen geistigen und äußerlichen Ereignisse im ’Zauberberg’-Film bewegen sich zwischen diesen beiden Polen. Ich mache diesen Film aber auch, um mir und anderen vorzuführen, dass die hier gezeigte bürgerliche Gesellschaft nicht mehr die unsere sein kann.“
Anders als Luchino Visconti („Morte a Venezia“), der aus Thomas Manns Roman „Tod in Venedig” eine so subtile wie suggestive Studie des Untergangs gemacht hat und damit die Vorlage eher noch verstärkte, hat Geißendörfer Thomas Manns Roman nicht verfilmt, sondern nur Teile aus dem Opus Magnum zitiert, naturgemäß just diese, die zu seinem korsettähnlichen Programm passen. Dabei steht die Suche nach Vollendung – und ihr Scheitern in teilweise grotesk-lächerlicher Art sowohl in „Morte a Venezia“ (Dirk Bogarde als Gustav von Aschenbach) als auch im „Zauberberg“ im Mittelpunkt.
Das ist der Unterschied von Kunstgewerbe und Kunst: Geißendörfer fehlt die Souveränität, ja Genialität eines Visconti und dessen Begriff von Werktreue: „Der Zauberberg“ bleibt bei der opulenten Bebilderung des Untergangs einer dem Verfall geweihten Epoche stehen. Alles erlesen, von den Belle-Epoque-Interieurs bis hin zur internationalen Besetzung.
Dem Roman aber wird die Verfilmung nicht gerecht. Kurz nach Erscheinen des Buches 1924 schrieb Thomas Mann an den Berliner Kritiker Julius Bab: „Sicher, Roman, das heißt Gesellschaftsroman, und ein solcher ist der ’Zauberberg’ bis zu einem gewissen Grade ganz von selbst geworden. Einige Kritik des vorkriegerischen Kapitalismus läuft mit unter. Aber freilich, das ’andere’, das Sinngeflecht von Leben und Tod, die Musik war mir viel, viel wichtiger. Ich bin deutsch.“
Pitt Herrmann