FIRST STEPS Awards 2024 verliehen

Gestern Abend wurde Deutschlands wichtigster Nachwuchspreis im Berliner Theater des Westens verliehen: die FIRST STEPS Awards.

 

Im Folgenden finden Sie die FIRST-STEPS-Auszeichnungen inklusive Jurybegründung in den einzelnen Kategorien.

Kurzfilm:

"And the Wind Weeps". Regie: Aulona Selmani (Kurzspielfilm, 25‘), Zürcher Hochschule der Künste

Blicke... Stille... Tiefe Stille... und wieder intensive Blicke, auf welche Worte folgen, die sich dem Publikum einbrennen. Man hört gebannt zu und beobachtet jede Sorgenfalte. Dieser Kurzfilm nutzt alle Mittel der Filmkunst entschlossen aus, um eine emotionale Geschichte auf die Leinwand zu übertragen. Dabei folgen wir einer Familie, die im Umgang mit dem Unaussprechlichen versucht einen Weg zu finden, aber letztendlich die Stille einer Person immer schon alles erzählt hat. Der Konflikt wird von allen Gewerken meisterhaft mit viel Gefühl und Empathie eingefangen, bis die entscheidende Wendung in der Geschichte uns tief bewegt und lange nachhallt.
* * *

Mittellanger Spielfilm:

"Echo". Regie: Thomas Marciano, (Mittellanger Spielfilm, 28‘) Filmakademie Wien

Mit viel Sorgfalt inszeniert, folgen wir einer jungen Frau in eine Stadt, die wie ein Labyrinth erscheint, auf ihrer Suche zu sich selbst und ihrer Bestimmung. Dabei stellt sich die Frage: Prägen uns Orte? Oder prägen wir sie mit unserer Anwesenheit? Mit einem besonderen dramaturgischen Gespür entfaltet sich vor unseren Augen eine Geschichte, die erst am Ende zu sich selbst findet. Die Kamera und der Ton fangen das Spiel der Hauptfigur perfekt ein und lassen uns die Reise und Gefühle spürbar machen. Ein wunderbarer Film, der uns die Augen öffnet.
* * *

Abendfüllender Spielfilm:

"Vena". Regie: Chiara Fleischhacker (Spielfilm, 117‘), Filmakademie Baden-Württemberg

Den Mut aufbringen, auf sich und seine Figuren zu vertrauen, sie zärtlich für uns durch ein komplexes Thema zu führen. Figuren, die auf den ersten Blick nicht gleich sympathisch erscheinen und deren Handlungen schwer nachvollziehbar sind. Und doch gerade das macht sie für uns so menschlich und authentisch in ihrer Unvollkommenheit, perfekt und unperfekt zugleich. Man leidet mit ihnen, folgt ihnen in schmerzliche Situationen und hofft trotz aller Spannungen auf ein heldenhaftes Ende ihrer Reise. Das tut sie nicht und wir werden mit kaum aushaltbarer Realität konfrontiert. Eine mehr als reife Regieentscheidung, die uns Haltung abverlangt und diesen Film zu etwas ganz Besonderem macht. Kino einer starken Stimme, die Vertrauen und künstlerische Vision auf eine außerordentliche Weise kombiniert.
* * *

Götz-George-Nachwuchspreis:

Julia Windischbauer für ihre Rolle in: "Sonnenplätze" (Spielfilm, 92‘)

Eine Rolle, die kindlich und erwachsen zugleich ist. Die im Alltag angekommen und doch in der Vergangenheit verhaftet ist. Diese innere Zerrissenheit, die subtil, unterschwellig brodelt und nur manchmal, aber dann umso heftiger hervorbricht, lässt uns mit unserer Protagonistin mitfühlen. Die Spielfreude in jeder Szene und das feinfühlige Ausbalancieren des ständig präsenten Gefühlschaos geben uns eine Hauptfigur, der wir gern folgen und wünschen, dass sie ihren eigenen Weg geht.
* * *

Big Audience Award:

für "Another German Tank Story". Regie: Jannis Alexander Kiefer (Spielfilm, 96‘), Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

Wie geht das eigentlich heutzutage, Filme für ein großes Publikum zu machen?
Es könnte so gehen: Man nutzt die universelle Sprache des Humors, hat ein kluges Drehbuch, meisterhaft eingesetzte Situationskomik, eine einfache Bildsprache und tolle Schauspieler*innen. …angeführt von einem sehr begabten Regisseur. In der Königsdisziplin der Filmkunst, mit Humor erzählen, erfordert es nicht nur Kreativität und Timing, sondern auch gut portionierte Überraschungen, die jedes Mal durch eine turbulente Handlung und rasanten Wortwitz bestechen.
In dem heute prämierten Film ist das besonders gut gelungen in dem er einfach die absurde Realität der Filmwelt mit scheinbar überdrehten Darstellungen Widersprüchlichkeiten und Problemen aufzeigt, mit denen auch unsere reale Welt konfrontiert ist. Dieser Film zeigt uns auf humorvolle Weise am Beispiel einer Geschichte, die zufällig im Filmbusiness spielt, wie übergriffig, ignorant, rücksichtslos und respektlos wir als Gesellschaft oft agieren, sei es in Politik, Wirtschaft oder unserem Alltag. Wir fallen überall ein, nehmen uns was wir wollen, und stellen Menschen sogar Panzer vor die Haustür. Ohne Rücksicht auf Verluste. Hier wird ohne erhobenen Zeigefinger erzählt, wir werden mit Humor aufmerksam gemacht. Die Magie des Humors schafft es, Kritik zu äußern und die Absurdität enthüllt den Kern der Wahrheit.
* * *

Dokumentarfilm:

"The Girls Who Ride Dragons". Regie: Peyman Ghalambor (Dokumentarfilm, 152‘), Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

Wie schafft man es, einen Film zu machen, der in eine Welt führt, die viele von uns nur aus negativen Schlagzeilen kennen? Man begleitet diese Menschen, die täglich um ihren Status und Anerkennung kämpfen und lässt so eine Nähe entstehen, die mit Klischees bricht, welche leider immer noch aufrechterhalten werden. Man begleitet sie über Jahre. Bleibt dran an allen Höhen und Tiefen, an der unendlichen Wartezeit auf einen Asylstatus und wird Zeug*in wie zwei Mädchen aus Afghanistan zu selbstbewussten Personen heranwachsen und sich einen gleichberechtigten Platz inmitten ihres deutschen Umfelds erobern. Ohne Zeigefinger, ohne Vorwurf, ohne Wertung - und genau das erzeugt Haltung, wie sie im dokumentarischen Format unerlässlich ist. Die Regie sowie das herausragende Kamera- und Montageteam begegnen allen Protagonist*innen stets mit Respekt und Empathie auf Augenhöhe und schenken uns eine emotionale Reise in der sie und ihre Familien uns so sehr ans Herz wachsen, dass wir ihnen wünschen, dieses Land wird ihnen eine ebenso respektvolle und empathische Zukunft ermöglichen.
* * *

Michael-Ballhaus-Preis für Kameraabsolvent*innen:

Lisa Jilg für "Vena" (Spielfilm, 117‘), Filmakademie Baden-Württemberg

Dieser Preis trägt den Namen von Michael Ballhaus, der ein wundervoller Mensch, eine beeindruckende Persönlichkeit und ein genialer und einzigartiger Kameramann war. Er war ein Magier an der Kamera, ein Zauberer mit Licht. Die Kamera war für ihn mehr als ein Werkzeug: Sie war ein Medium, durch das er Gedanken, Stimmungen und Gefühle transportierte, direkt in die Herzen der Zuschauer*innen. Es ist mir also eine besondere Ehre und Freude, den Michael-Ballhaus-Preis an eine DOP zu übergeben, deren Kameraarbeit uns sehr beeindruckt hat. Einfühlsam und mit großer Empathie für die Protagonist*innen, mit dem Blick für das Wesentliche, führt uns die Kamera durch die Welt dieses außergewöhnlichen Films. Der ruhige, fast schon dokumentarische Blick mit der Handkamera, lässt uns mitfühlen und teilhaben an der Berg- und Talfahrt der Figuren. So ist es gelungen, eindrucksvolle Bilder zu kreieren, die noch lange in Erinnerung bleiben. Liebe Preisträgerin, ich wünsche Dir von Herzen, dass Du Deinen Weg als DOP mit Freude, Leidenschaft und Liebe weitergehst. Sei stark, mutig und unerschrocken und immer bereit auf den Auslöser zu drücken. Finde immer eine Lösung und einen Weg aus: Das haben wir ja noch nie so gemacht. Das gibt es nicht. Das ist so nicht kalkuliert. Das geht nicht… Es geht immer was!
* * *

NO FEAR Award für Produktionsabsolvent*innen:

Jonatan Geller-Hartung für – "Hausnummer Null" (Dokumentarfilm, 95‘), Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

Was ist die Rolle des Produzenten im Film? Geld auftreiben. Im Budget bleiben. Logistik. Orga. Drehpläne. Ja, klar. Das ist unser Handwerkszeug als Produzentinnen, als Produzenten. Viel wichtiger aber ist: Welche Haltung nehme ich ein? Wie stehe ich zum Film? Wie unterstütze ich den Entstehungsprozess? Was kann ich beitragen, um aus einem guten Film einen außergewöhnlichen Film zu machen? Die Produzentin, der Produzent als Sparringspartner*in für die Regie und das gesamte Team. Der NO FEAR AWARD 2024 geht an einen Film, der sich in besonderem Maße mit der Unplanbarkeit des Lebens auseinandersetzen musste. Der damit umgehen musste, dass sich die Geschichte im Laufe der Dreharbeiten immer wieder änderte. Und der souverän mit diesen Herausforderungen umging. Ein Film, der sich immer wieder die Frage stellen musste: Welche Entwicklung könnte der Film nehmen, ohne dass ich eingreife? Was bedeutet das für das Ergebnis, das möglicherweise erst in ein, zwei, drei Jahren fertig sein wird? "Durch ordentliche Kommunikation konnten wir alles zufriedenstellend lösen", steht im Produktionsbericht des Gewinnerfilms. Was so banal klingt, ist doch eines der Kerntalente einer herausragenden Produzentin, eines herausragenden Produzenten: Kommunizieren. Es geht darum, Vertrauen zu schaffen und zu behalten: in den Film, in alle Beteiligten - und zu reagieren auf die Veränderungen, die das Leben schreibt. Es geht darum, einen Film zu schaffen, der eine Bedeutung hat, eine gesellschaftliche Relevanz.
* * *

Drehbuch:

Samuel Gheist für "Bite Back" (Serienpilot, 30‘), Filmakademie Baden-Württemberg

Als Drehbuchjury-Mitglied hat man ja das große Glück, immer wieder an verdammt guten Stoff zu kommen. Geschichten fürs Kopfkino, fesselnde Erzählungen oder ungewöhnliche Figuren, die man so noch nicht kannte… In diesem Fall haben wir uns eindeutig in die Charaktere verliebt. Allen voran in den Zombie Kevin - ein verrottender Romantiker, der unter Verwesungsschmerzen leidet und entsprechend übel riecht. Kevin wohnt in einer Zombie WG, zusammen mit Mina, die am Zombie-sein schätzt, ohne Kater dauerfeiern zu können und mit Sandy, die ein Möchtegern-Zombie ist und es liebt, für die Rechte von Außenseiter*innen einzustehen. Denn die große Zeit der Untoten ist schon vorbei, seit bekannt wurde, dass die Lebenden nur zurück beißen müssen, damit Zombies wieder zu Normalos, also zu Menschen werden. So kämpft eine immer kleiner werdende Gruppe von sympathischen Gammler*innen um ihre Existenz inmitten einer Welt von Preppern und Spießern. "Bite Back" heißt die tragikomische Mockumentary und beißt tatsächlich in alle Richtungen zurück. Verdreht, scharfsinnig und satirisch… und ist dabei extrem lustig!
* * *

Short Steps:

"Pear Garden". Regie: Shadab Shayegan (Animationsfilm, 7‘), Filmakademie Baden-Württemberg

Manchmal sind es die leisen Töne, die uns am tiefsten berühren. Dieser Film nimmt uns mit auf eine emotionale Reise, in der wir erleben, wie ein kleiner, aber bedeutungsvoller Moment das Leben für immer verändern kann. Mit einer einfühlsamen Erzählweise und beeindruckenden Bildern schafft das Werk einen Raum, der uns dazu einlädt, die Zerbrechlichkeit und die Stärke des Menschseins zu spüren. Die Erzählung bleibt dabei klar und authentisch, und gerade in der Einfachheit liegt die große Kunst dieses Films.
* * *

Die Jurys 2024
Für die Spielfilme: Philipp Kreuzer, Hüseyin Tabak, Banafshe Hourmazdi, Bella Halben, Roshanak Behesht Nedjad
Für die Dokumentarfilme: Yony Leyser, Julia Jalnasow, Maria Popov, Stefan Kloos, Bettina Böhler
Für Short Steps: Arne Kreutzfeldt, Farah Bouamar, Ali Samadi Ahadi
Für die Drehbücher: Stefanie Ren, Daphne Ferraro, Irene von Alberti
* * *

FIRST STEPS ist der wichtigste Nachwuchspreis für junge Filmeschaffende und wurde am 30. September im Berliner Theater des Westens verliehen. Die von Schauspieler, Sänger, Synchronsprecher, Podcaster und Kolumnist Daniel Zillmann moderierte Show wurde live in die ARD-Mediathek übertragen und ist dort noch ein Jahr verfügbar. FIRST STEPS ist auch die bedeutendste Auszeichnung für Abschlussfilme von Filmschulen in den deutschsprachigen Ländern. Er ist mit insgesamt 132.000 Euro der höchst dotierte Nachwuchspreis und wird jährlich in zehn Preiskategorien an Regisseur*innen, Produzent*innen, Bildgestalter*innen, Schauspieler*innen und Drehbuchautor*innen von kurzen, mittellangen und abendfüllenden Spielfilmen, Dokumentarfilmen sowie sehr kurzen Formaten vergeben.

Quelle: www.firststeps.de