Interview mit Petra Seeger
Quelle: Dokumentarfilminitiative, © Mathis Hanspach |
Petra Seeger |
Einige Fragen an Petra Seeger, Regisseurin ("Auf der Suche nach dem Gedächtnis")
Worin besteht für Sie die Faszination des dokumentarischen Porträts?
Für mich sind die folgenden Aspekte zentral: Beziehung aufnehmen; Einfühlung; das Erschließen neuer Welten. Die Tätigkeit, die Individualität, das "So geworden sein" des Anderen, seine Biografie zu erkunden, die Verbindungen aufzuspüren; das Erlebte, durch die Dreharbeiten zeitweilig auch gemeinsam erlebte, in eine entsprechende künstlerische Form zu bringen. Meine subjektive Sicht. Bildhauerei. Die dem Material innewohnende Form entstehen lassen. Es geht um das Leben des Anderen, ist aber mein Film. Sein Leben im Spiegel meines Films, meines Lebens. Das ist immer wieder eine Gratwanderung.
"Auf der Suche nach dem Gedächtnis" zeichnet das Leben von Eric Kandel, einem der berühmtesten Hirnforscher unserer Zeit, nach. Damit hat der Film ein Thema von internationaler Relevanz und war international ein großer Erfolg. Hat die übernationale Thematik eine bestimmte Herangehensweise gefordert?
Quelle: W-Film, DIF |
Eric Kandel in "Auf der Suche nach dem Gedächtnis" (2008) |
Die Aufgabe bestand darin, den jeweiligen Förderern und Fernsehanstalten die "internationale Relevanz" des Themas zu vermitteln. Es bedurfte sieben unterschiedlicher Geldquellen, um den Film zu finanzieren. Die letzten 40.000 Dollar zur Fertigstellung mussten wir mühsam aus den USA besorgen. Versehen mit bestimmten Auflagen: z.B. keinen nackten Busen zu zeigen. Viele deutschen Verleiher scheuten sich, fast ein Jahr lang, den Film herauszubringen, weil der Kandel, als Österreicher, nur für Österreich interessant sei. Die Österreicher scheuten sich anfangs den Film herauszubringen, weil er kein Geld einspielen würde. Die Amerikaner wollten ihn nicht herausbringen, weil Hirnforschung nicht zieht.... Selbst vom ORF bekam ich zunächst eine Absage mit folgendem Ausruf: "Den Kaaandel kennt ja ka Mensch net!!! Machen's doch a Fuim übr'n Schwarzenegger, den kennt a Mensch! Da krieg mer a Quote!"
Insofern konnten wir finanziell "unbeschwert" (mit einem low-low budget) der internationalen Relevanz des Themas mit einem der berühmtesten Hirnforscher unserer Zeit nachgehen.
Wie geht man mit einem Protagonisten um, der seine Zeit, ein Stück seines Lebens und Einblick in seine Arbeit für diese Filmarbeit gibt, aber gleichzeitig – anders als bei Ihren Werken über die Filmemacher Wenders, Schlingensief oder Thome – den filmischen Prozess nicht kennt, aber bestimmte Erwartungen an einen Film hat?
Die Beantwortung dieser Frage könnte ich mit meiner umfangreichen Stoffsammlung für eine Komödie über die Entstehung des Films beantworten. Wobei wir wissen, dass Verzweiflung ein Grundelement für die Entstehung des komödiantischen Blicks ist - hinterher! Allein die gegenseitige Sympathie, das Vertrauen und der unbedingte Wille - auf beiden Seiten - zu einem guten Ergebnis zu kommen, haben dazu geführt, dass wir diese Kluft überbrücken konnten.