Rolf Basedow
Rolf Basedow, geboren 1947 in Hamburg, wurde, wie er 2011 in einem Werkstattgespräch erzählte, bereits in jungen Jahren filmisch geprägt: zunächst durch russische Filme wie "Wenn die Kraniche ziehen" (1957), die er als Kind im Fernsehen sah, später durch die Filme der Nouvelle Vague. Erste praktische Erfahrungen sammelte er bei einem Schnittpraktikum beim NDR. Die Entscheidung für dieses Arbeitsfeld war, so Basedow, eher pragmatischen Erwägungen geschuldet: "Nach der Schule sah ich die einzige Chance, in den Filmbereich hineinzukommen, in diesem Schnittpraktikum. Das Schneiden wurde damals noch als geheimnisvolles Handwerk praktiziert. Es gab Schnittmeister, die haben hinterm Vorhang geschnitten, so dass der Assistent da nicht reingucken konnte. Als Assi hat man die Filmrollen hin und her gerollt und das Material in sauberer Schrift mit weißer Tinte beschriftet. (...) Und was hinter dem Vorhang geschah, war lange Zeit Alchemie für mich."
1969 begann Basedow ein Studium an der drei Jahre zuvor gegründeten Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF), wo Uli Edel und Bernd Eichinger zu seinen Jahrgangs-Kommilitonen gehörten. Nicht zuletzt aufgrund seiner Vorkenntnisse war er bei gemeinschaftlichen Studentenfilmen meist für den Schnitt zuständig, so etwa bei Eichingers "Ein Weihnachtsmärchen" (1975).
Auch nach seinem HFF-Abschluss mit der mittellangen Regiearbeit "Mit dem Kopf durch die Wand" (1974) arbeitete Basedow viele Jahre als Editor. Als Regisseur drehte er drei Filme fürs Fernsehen, darunter die Komödie "Der Schüchterne, der Feuer fing" (1977) nach einer Kurzgeschichte von Claude Aveline und den Krimi "Der glücklose Mann" (1981) mit Kurt Raab und Rolf Zacher, über einen minutiös geplanten Überfall auf die Kasse einer Trabrennbahn. Nach diesem Film erhielt Basedow jedoch keine Regieaufträge mehr. "Am Anfang war es schmerzhaft", so Basedow im Werkstattgespräch, "aber dann habe ich gemerkt, dass das Schreiben das ist, was ich kann, und dass man sich auch dabei Freiräume schaffen kann."
Allerdings blieb der Schnitt noch fast zehn Jahre lang, bis 1990, sein Hauptbetätigungsfeld. In dieser Funktion arbeitete er 1984 bei dem Kinofilm "Treffer" erstmals mit Dominik Graf zusammen – der Beginn einer dauerhaften Zusammenarbeit. Basedow war Editor bei Grafs Kinofilm "Drei gegen drei" (1985), bei seiner Schimanski-"Tatort"-Folge "Schwarzes Wochenende" (1986) und bei der deutsch-jüdischen Familiengeschichte "Bei Thea" (1988). Daneben verfasste Basedow während dieser Jahre sein erstes Auftrags-Drehbuch: eine Adaption von Ingeborg Bachmanns Romanfragment "Der Fall Franza" (1986) für Regisseur Xaver Schwarzenberger.
Den Übergang zum Autorenberuf markierte Hajo Gies' sechsteilige Krimiserie "Tassilo" (1991), bei der Basedow für den Schnitt und für die Drehbücher verantwortlich zeichnete (zusammen mit Martin Walser und Hermann Naber). Danach schrieb er für Dominik Graf die Drehbücher zu zwei Folgen der Krimiserie "Der Fahnder" (1992) und zu einer Folge der Krimiserie "Morlock" (1993) mit Götz George.
Für das Drehbuch zu dem Ensemblefilm "Bin ich schön" (1998) gewann er zusammen mit Doris Dörrie und Ruth Stadler den Bayerischen Filmpreis – es blieb Basedows letztes Kino-Drehbuch. Sein Arbeitsfeld wurde das Fernsehen und hier das Genre des Kriminalfilms.
Wenngleich er im Lauf der Jahre mit renommierten Regisseuren wie Kai Wessel ("Sperling und der gefallene Engel", 1997), Thorsten Näter ("Doppelter Einsatz", 2001-2002) und Alain Gsponer ("Polizeiruf 110: Wie ist die Welt so stille", 2008) arbeitete, ist Rolf Basedows Schaffen am stärksten mit Dominik Graf verbunden. Für das Drehbuch zu Grafs "Sperling und der brennende Arm" (1996), über Schutzgelderpressung in Berlin durch albanische Banden, wurde er für den Deutschen Fernsehpreis nominiert und gewann den Drehbuchpreis beim Baden-Badener Fernsehfilmfestival; gemeinsam mit Graf erhielt er außerdem den Deutschen Fernsehspielpreis und den Robert-Geisendörfer-Preis.
Weitere wichtige Zusammenarbeiten mit Graf waren die hoch gelobte Rotlicht-Milieustudie "Hotte im Paradies" (2002, Preis der Filmstudentenjury beim Baden Badener Fernsehfilmfestival) und der Thriller "Eine Stadt wird erpresst" (2006, Deutscher Fernsehkrimipreis und Grimme-Preis für Basedow und Graf). Für die kammerspielartige "Polizeiruf 110"-Folge "Er sollte tot..." (2006) erhielt Basedow eine Nominierung zum Deutschen Fernsehpreis, einen Sonderpreis Drehbuch beim Baden-Badener Fernsehfilmfestival und einen Grimme-Preis 'Fiktion' (zusammen mit Graf und den Hauptdarstellern).
Das Opus Magnum im gemeinsamen Schaffen von Graf und Basedow ist der Zehnteiler "Im Angesicht des Verbrechens" (2010). Die aufwändige Serie tauchte tief ins Milieu der russischen Mafia in Berlin ein und schilderte zugleich den schier aussichtslosen Kampf der Polizei gegen das organisierte Verbrechen. "Im Angesicht des Verbrechens" wurde von der Kritik gefeiert und gewann unter anderem den Deutschen Fernsehpreis als Bester Mehrteiler und den Grimme-Preis im Wettbewerb 'Fiktion' (an Basedow und den Rest das Hauptteams). Allerdings wurde die Serie im Spätprogramm der ARD versendet und konnte auch deshalb die Quotenerwartungen nicht erfüllen. Es war die vorerst letzte Zusammenarbeit des Teams Graf/Basedow.
Seinem Spezialgebiet des Kriminalgenres blieb Rolf Basedow gleichwohl treu. Viel Aufsehen erregte das TV-Drama "Operation Zucker" (2012, Regie: Rainer Kaufmann), über den Kampf einer Staatsanwältin gegen sexuellen Kindesmissbrauch und Kinderhandel, in den auch mächtige Politiker und Justizbeamte verstrickt sind. Der von realen Fällen (unter anderem dem "Sachsensumpf") inspirierte Film erhielt hervorragende Kritiken und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis als Bester Fernsehfilm.
Viel Kritikerlob gab es auch für "Die Ermittler - Nur für den Dienstgebrauch" (2016, Regie: Florian Cossen), aus der TV-Trilogie "Mitten in Deutschland: NSU". Christian Schwochow inszenierte Basedows "Tatort"-Drehbuch "Borowski und der Himmel über Kiel" (2015).
2015/2016 verfilmte auch Dominik Graf wieder ein Drehbuch Basedows: "Zielfahnder - Flucht in die Karpaten", über die Jagd zweier LKA-Fahnder auf einen rumänischen Gangsterboss, die bis in die Bergwelt der Karpaten führt. Der Film bekam exzellente Kritiken und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Auch das Drehbuch zu Grafs umstrittener "Tatort"-Folge "Der rote Schatten" (2017), über die traumatischen Nachwirkungen der ungeklärten RAF-Historie, stammte zumindest in der Urfassung von Rolf Basedow. Bei der Ausstrahlung wurde jedoch ein mutmaßlich fiktiver "Raul Grothe" zusammen mit Dominik Graf als Autor genannt. Die Hintergründe sind unklar. Es blieb die bislang letzte Zusammenarbeit der beiden.
Dazwischen entstand der Krimi "Lotte Jäger und das tote Mädchen" (2016, Regie: Sherry Hormann, Dominik Grafs Ex-Frau), 2018 gefolgt von "Lotte Jäger und die Tote im Dorf" (Regie: Francis Meletzky). Basedow schrieb auch das Drehbuch zu "Zielfahnder – Blutiger Tango" (2019), der Fortsetzung von "Flucht in die Karpaten"; die Regie führte Stephan Lacant.