Heinz Emigholz
Heinz Emigholz, geboren am 22. Januar 1948 in Achim, absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Zeichner und Fotoretuscheur; anschließend studierte er in Hamburg Philosophie und Literaturwissenschaft. 1972 begann er Avantgarde- und Experimentalfilme zu drehen, die, so Emigholz in einer Monografie, "ein kompliziertes Wechselspiel zwischen abstrakten zeitlichen Kompositionen – respektive filmischen Bewegungen – und ausgewählten städtischen und natürlichen Landschaften" zeigen. In "Demon" (1977) band er erstmals Worte in seine Filme ein: Dem Prosagedicht "Le Démon de l'Analogie" von Stéphane Mallarmé folgend, versieht er in "Demon" stets ein Wort mit einer Einstellung. In den folgenden Jahren bezieht er immer wieder auch erzählerische und szenische Elemente in seine Experimentalfilme ein. Ein stilistisches Merkmal der Filme von Heinz Emigholz besteht aus einer Kadrierung, bei der die konventionelle Rechtwinkligkeit und die Zentralperspektive bewusst außer acht gelassen werden. Diese Konstruktion von Räumlichkeit spielt auch bei den fotografischen Arbeiten von Emigholz eine wichtige Rolle.
1974 begann er mit der enzyklopädischen Zeichenserie "Die Basis des Make-Up". Sie wurde im Lauf der Jahre in zahlreichen internationalen Museen und Galerien ausgestellt; 2007/2008 war der 600 Blätter umfassenden Serie im Berliner Museum Hamburger Bahnhof eine große Einzelausstellung gewidmet. 1978 gründete Emigholz die Produktionsfirma Pym Films, mit der er sein Projekt "Arthur Gordon Pym – Die letzten Geheimnisse der Republik" produzieren wollte – der Film konnte bis heute noch nicht realisiert werden, doch dient Pym Films Emigholz bis heute als Basis seiner anderen künstlerischen Aktivitäten.
Hatte er über Jahre hinweg ausschließlich Experimentalfilme mit einer Länge zwischen 16 und 30 Minuten gedreht, stellte Emigholz 1982 seinen ersten abendfüllenden Spielfilm vor: Die eigenwillige Künstlergeschichte "Normalsatz" (1978-82), wurde mit dem Preis der deutschen Filmkritik als Bester Spielfilm ausgezeichnet. Zugleich bildete sie den ersten Teil einer "Trilogie der Siebziger Jahre", die Emigholz mit der Beziehungsgeschichte "Die Basis des Make-Up" (1979-83; nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Zeichenserie und der Experimentalfilmserie gleichen Titels) und dem experimentellen Drama "Die Wiesen der Sachen" (1974-88) fortführte; "Die Wiesen der Sachen" wurde 1988 im Panorama der Berlinale uraufgeführt und mit dem Teddy Award ausgezeichnet. 1991 stellte Emigholz seinen bislang letzten Spielfilm "Der zynische Körper" fertig.
1993 begann Emigholz mit der Arbeit an "Photographie und jenseits", einer, so Emigholz, "Sammlung von frei kombinierbaren Filmen, die sich mit Produkten menschlicher Gestaltung befassen". Zu dieser Sammlung gehört auch eine Unterserie mit dem Titel "Architektur als Autobiografie", deren Filme die erhaltenen Bauwerke von Architekten und Gestaltern wie Louis Sullivan ("Sullivans Banken", 1993-2000), Robert Maillart ("Maillarts Brücken", 2001), Rudolf Schindler ("Schindlers Häuser", 2007) und Adolf Loos ("Loos ornamental", 2008) zeigt.
"The Airstrip", der 21. Film von "Photographie und jenseits", zeigt moderne Bauwerke wie Flughäfen, Autobahnen und Bushaltestellen, Kaufhäuser, Markthallen und Lagerhäuser, aber auch Kirchen, Kathedralen, ein Gefängnis und ein Doppelhaus. "The Airstrip" wurde im Forum der Berlinale 2014 uraufgeführt und startete im folgenden Herbst in den Kinos. Ebenfalls 2014 erhielt er beim Preis der deutschen Filmkritik einen Sonderpreis der Dokumentarfilmjury für den Werkzyklus "Photographie und jenseits", dessen 22. Teil "Zwei Museen" 2014 bei den Filmfestivals in Rotterdam, Oberhausen und Wien aufgeführt wurde.
Im Forum der Berlinale 2017 feierte Emigholz' Werkzyklus "Streetscapes" Premiere, der vier eigenständige Film-Essays aus den Bereichen Musik, Architektur, Film und Psychoanalyse lose miteinander verknüpft.
Im Lauf der Jahre wurden Emigholz' Arbeiten in zahlreichen Galerien und Museen gezeigt. Daneben war er an zahlreichen Gruppenausstellungen und Kunstschauen beteiligt, darunter die documenta 6 in Kassel (1977), die Architekturbiennale Venedig (2008) und die Ausstellung "Utopie Gesamtkunstwerk" im 21er Haus in Wien (2012). Bei den Kurzfilmtagen Oberhausen erhielt er 2013 den MuVi Award für das Beste Deutsche Musikvideo, für "Moth Race" von Kreidler.
Von 1993 bis 2013 hatte Heinz Emigholz den Lehrstuhl für Experimentelle Filmgestaltung an der Universität der Künste Berlin inne. Er war Mitbegründer des dortigen Instituts für zeitbasierte Medien und des Studiengangs Kunst und Medien. Im Mai 2012 wurde Emigholz als neues Mitglied in die Akademie der Künste in Berlin berufen.
2014 erhielt Emigholz beim Preis der deutschen Filmkritik einen Sonderpreis der Dokumentarfilmjury für den Werkzyklus "Photographie und jenseits".
Mit "2+2=22 [The Alphabet]" begann Emigholz 2013 seine "Streetscapes"-Werkreihe, mit Aufnahmen von Bauwerken oftmals bedeutender Architekten. Den Anfang machten Gebäude und Straßen in Tiflis, Georgien, kombiniert mit Tonstudio-Einspielungen der Düsseldorfer Band Kreidler. Bei "Bickels [Socialism]" waren es 22 von Samuel Bickels entworfenen Bauten; in "Streetscapes [Dialogue]" zeigte er Dialoge eines (fiktiven) Analytikers und eines (fiktiven) Filmregisseurs vor und in von Eladio Dieste entworfenen Bauten. Mit "Dieste [Uruguay]", mit 29 von Eladio Dieste entworfenen Bauten, schloss Emigholz die Reihe ab. Alle "Streetscapes"-Filme feierten im Forum der Berlinale 2017 Premiere. Für "Streetscapes [Dialogue]" wurde er zusammen mit Zohar Rubinstein mit dem Preis der deutschen Filmkritik für das Beste Drehbuch ausgezeichnet.
Auch in seinen nächsten Filmen befasste Emigholz sich mit Bauwerken: In dem experimentellen "Zwei Basiliken" (2018) stellte er die protestantische Grundtvigskirche in Kopenhagen und den katholischen Dom zu Orvieto einander gegenüber; in "Years of Construction" (2019) verfolgte er Abriss und Neubau eines Teils der Kunsthalle Mannheim von 2013 bis 2018.
Parallel zu seinem filmischen Schaffen blieb Emigholz auch als Bildender Künstler aktiv. Er war an mehreren Ausstellungen beteiligt und hatte 2016 eine Einzelausstellung ("Rohschnitt Dieste") in der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung (gkg) in Bonn. 2019 widmete ihm die Kunsthalle Mannheim eine Werkschau.
Mit "Die letzte Stadt" drehte Heinz Emigholz wieder einen (experimentellen) Spielfilm: Unterschiedliche Menschen treffen in verschiedenen Weltstädten aufeinander und führen Dialoge über existentielle Fragen. Der Film wurde auf der Berlinale 2020 in der neuen Sektion "Encounters" uraufgeführt. Der reguläre Kinostart erfolgte Ende 2020.
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