Vadim Glowna
Vadim Glowna, geboren am 26. September 1941 in Eutin, aufgewachsen in Hamburg, nahm zunächst ein Theologiestudium auf, welches er allerdings schon nach kurzer Zeit wieder abbrach. Ab 1961 besuchte er Hamburger Schauspielschule und arbeitete nebenher als Hotelboy, Schlagzeuger, Seemann und Taxifahrer. Bereits im Jahr darauf erhielt er von Gustaf Gründgens sein erstes Engagement am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Ab 1963 spielte er mit zunehmenden Erfolg auch an anderen Theatern, so etwa an Bühnen in München, Berlin und Bremen; zu den großen Regisseuren, mit denen er arbeitete, gehören Peter Zadek und Wilfried Minks. 1973 führte er bei einer Inszenierung von Ann Jellicoes Stück "Was ist an Tolen so sexy?" in Hamburg erstmals selbst Regie.
Sein Debüt vor der Kamera gab Vadim Glowna 1964 mit einer kleinen Rolle in Peter Zadeks Fernsehspiel "Der Spaßvogel", nach einem Bühnenstück von Brendan Behan. Es folgten zahlreiche weitere Fernseh- und Kinorollen. Im Lauf seiner rund 40 Jahre währenden Karriere wirkte er in weit über 100 Fernseh- und fast 50 Kinoproduktionen mit. Zu seinen bekanntesten Arbeiten der frühen Jahre gehören Eberhard Fechners Fernsehdrama "Gezeiten", nach einem Drehbuch von Helga Feddersen, und Harald Philipps Edgar-Wallace-Krimi "Die Tote aus der Themse" mit Uschi Glas und Hansjörg Felmy. Auch in internationalen Co-Produktionen wie dem Polizeithriller "Police Python 357" (F/D 1976), dem Drittes-Reich-Drama "Gruppenbild mit Dame" (F/D 1977), an der Seite von Romy Schneider, oder Sam Peckinpahs "Cross of Iron" ("Steiner - Das Eiserne Kreuz"; D/USA 1977) hatte er markante Nebenrollen. Zugleich prägte Glowna mit seiner Präsenz eine Reihe von Werken des Neuen Deutschen Films, wobei er häufig in der Rolle gesellschaftlicher Außenseiter besetzt wurde: Er spielte die Hauptrolle in George Moorses "Liebe und so weiter" (1968), gehörte zum Ensemble von Reinhard Hauffs "Der Hauptdarsteller" (1977) und hatte eine Hauptrolle Edgar Reitz' "Der Schneider von Ulm" (1979).
1975 versuchte sich Glowna erstmals auch als Produzent, doch der Film "Eurydike BA 2037" (Regie: Nikos Nikolaides) mit Vera Tschechowa in der Hauptrolle wurde ein finanzieller Misserfolg und ist heute weitgehend obskur. 1981 feierte sein Regiedebüt "Desperado City" Premiere: Das Drama über einen jungen Mann, der aus seinen bürgerlichen Verhältnissen ausbricht, wurde für seine atmosphärische Darstellung des tristen Hamburger Halbweltmilieus und seine gelungene Orientierung an amerikanischen Genre-Vorbildern gelobt. Der Film erhielt den Gilde-Preis der deutschen Filmkunsttheater und wurde in Cannes mit der Camèra d'Or für das Beste Erstlingswerk ausgezeichnet.
Auch in seiner zweiten Regiearbeit, dem 1982/83 entstandenen Drama "Dies rigorose Leben", war der Einfluss des amerikanischen Kinos und er amerikanischen Kultur, welche Glowna nach eigener Aussage in seiner Jugend stark beeinflusste, deutlich spürbar. 1987 inszenierte Glowna die Joseph-Conrad-Adaption "Des Teufels Paradies" mit Jürgen Prochnow, Ingrid Caven und Mario Adorf in den Hauptrollen. Fünf Jahre später folgten "Eines Tages irgendwann" und "Der Brocken", die Geschichte einer ostdeutschen Witwe, die sich gegen die Habgier der Westdeutschen auf originelle Weise wehrt. Neben seinen Kinofilmen zeichnete er im Lauf der Jahre auch bei einer Reihe von Folgen der Krimiserien "Der Alte" und "Siska" für die Regie verantwortlich.
Als Schauspieler blieb Glowna auch in späteren Jahren seiner Vorliebe für ungewöhnliche Stoffe und eigenwillige Regisseure treu. Für seine Leistung in Oskar Roehlers "Die Unberührbare" (2000) wurde er für den Deutschen Filmpreis nominiert und erhielt den Preis der deutschen Filmkritik; danach gehörte er auch zum Ensemble von Roehlers "Suck My Dick!" (2001), "Der alte Affe Angst" (2003) und "Agnes und seine Brüder" (2004). In Hans-Christoph Blumenbergs Medienfarce "Planet der Kannibalen" (2001) gab er einen außerirdischen Kannibalen und in Christopher Roths "Baader" (2002) den LKA-Chef auf der Fährte des titelgebenden RAF-Terroristen. In Wolfgang Murnbergers Jugendfilm "Lapislazuli - Im Auge des Bären" (2006) spielte er einen Einsiedler und in Chris Kraus' vielfach preisgekröntem "Vier Minuten" (2006) einen alkoholkranken, von Schuldgefühlen gequälten Vater. 2004 gab er nach langen Jahren der Bühnenabstinenz sein Theater-Comeback unter der Regie von Peter Zadek am Deutschen Theater Berlin neben Angela Winkler in "Mutter Courage".
2006 legte Glowna seine letzte Arbeit als Kinoregisseur vor: "Das Haus der schlafenden Schönen", in dem er auch eine Hauptrolle spielt, erzählt von einem Witwer, der in ein geheimnisvolles Haus voller schöner, schlafender Frauen gerät. Danach folgten noch mehrere Regiearbeiten bei Fernsehserien sowie Rollen in TV-Produktionen wie "Gonger - Das Böse vergisst nie" (2008), "Inspektor Barbarotti - Mensch ohne Hund" (2010). Bis zum Schluss blieb Glowna sehr aktiv. Sein letzter Film als Kinoschauspieler, die US-Produktion "Hitler's Grave" feierte im Juli 2011 beim New York Independent Film and Video Festival Premiere.
Am 24. Januar 2012 verstarb Vadim Glowna in Berlin nach kurzer, schwerer Krankheit.