Josef Bierbichler
Josef Bierbichler, geboren am 26. April 1948 in Ambach am Starnberger See, kam schon in jungen Jahren mit der Schauspielerei in Berührung. Nach dem Schulabschluss und einer Ausbildung als Hotelfachmann gab er sein Theaterdebüt bei der Würmseer Sommerfrischlerbühne in Holzhausen am Starnberger See. Im Alter von 23 Jahren wurde Bierbichler an der renommierten Otto Falckenberg Schauspielschule in München angenommen und feierte in den nächsten Jahren zahlreiche Erfolge, unter anderem am Münchner Residenztheater. Mitte der siebziger Jahre lernte Bierbichler den Film- und Theatermann Herbert Achternbusch kennen – ein Freigeist und kritischer Querdenker wie er selbst, mit dem ihn in den folgenden Jahren neben der intensiven beruflichen Zusammenarbeit ("Bierkampf", "Heilt Hitler") auch eine enge, von einer Art Hassliebe geprägte Freundschaft verband.
Neben Achternbusch hat Bierbichler im Lauf seiner Filmkarriere mit Regisseuren wie Werner Herzog ("Herz aus Glas"), Tom Tykwer ("Die tödliche Maria"), Michael Haneke ("Code unbekannt"), Hans Steinbichler ("Hierankl", "Winterreise") und Jan Schütte gearbeitet, in dessen Film "Abschied" er den alten Bertolt Brecht verkörperte. In den meisten Rollen fällt Bierbichler durch seine außerordentliche körperliche Präsenz auf – wobei er seinen Figuren häufig eine melancholische Nachdenklichkeit verleiht, die bisweilen in spannendem Kontrast zu seiner massigen physischen Erscheinung steht. Sowohl polternde Grobheit als auch sanfte Melancholie verlieh er beispielsweise dem Franz Brenninger in "Winterreise", für den er mit dem Deutschen Filmpreis 2007 ausgezeichnet wurde.
Eine weitere Nominierung für den Deutschen Filmpreis erhielt Bierbichler für seinen nächsten Kinofilm "Im Winter ein Jahr" (2008, Regie: Caroline Link). Darin spielte er einen vom Schicksal gezeichneten Maler, der in die komplexen Problemgeflechte einer trauernden Familie hineingezogen wird. Ebenfalls 2008 spielte er in "Der Architekt" die Titelrolle eines Architekten und Familienvaters, der während eines Besuchs in seinem Heimatdorf mit seiner lange verdrängten Vergangenheit konfrontiert wird. Für diese Rolle wurde Bierbichler beim Nürnberger Filmfestival Türkei-Deutschland als Bester Darsteller ausgezeichnet.
An der Seite von Josef Hader spielte Bierbichler in Wolfgang Murnbergers schwarzhumorigem Kriminalfilm "Der Knochenmann" (AT 2009) einen grantigen Provinzwirt, der in ein Verbrechen verwickelt zu sein scheint. Eine eindrucksvolle Leistung brachte er kurz darauf in Michael Hanekes vielfach preisgekröntem Meisterwerk "Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte" (2009), als dörflicher Gutsverwalter, der seine Kinder in Wutanfällen brutal misshandelt.
Zwischen seinen Fernseh- und Kinorollen zog es Bierbichler immer wieder zurück ans Theater: Unter anderem stand er in München, Hamburg, Wien, Berlin, Bochum auf der Bühne. Von der Fachzeitschrift "Theater Heute" wurde er im Lauf seiner Karriere mehrfach zum "Schauspieler des Jahres" gekürt. Aber nicht nur vor der Kamera und auf der Bühne legt Sepp Bierbichler eine kraftvolle Präsenz an den Tag: Immer wieder meldet er sich zu gesellschaftlichen und politischen Themen zu Wort, so etwa 1999 in einem beißenden Kommentar zum Kosovo-Krieg oder im Jahr 2000, als er Christoph Schlingensief bei seiner umstrittenen Container-Aktion "Liebt Österreich" unterstützte. 2004 veröffentlichte Josef Bierbichler das autobiografisch geprägte Buch "Verfluchtes Fleisch" – stilistisch eine ungewöhnliche Mischung aus Erzählung und Essay, Tagebuch und Prosa, inhaltlich eine Abrechnung mit dem etablierten Kultur- und Theaterbetrieb. 2011 folgte der Roman "Mittelreich".
Eine moralisch ambivalente Figur spielte Bierbichler in dem Kinodrama "Brand" (DE/AT 2011), als berühmter Schriftsteller, der eine folgenreiche Affäre mit der Pflegerin seiner sterbenden Frau beginnt. 2013 verkörperte er in der sechsteiligen TV-Krimireihe "Verbrechen" die Hauptfigur eines Strafverteidigers mit einer Vorliebe für besonders komplexe Fälle. Für diese Rolle wurde er für den Bayerischen Fernsehpreis sowie für den Österreichischen Filmpreis 'Romy' nominiert. Im gleichen Jahr gehörte Bierbichler in einer Nebenrolle als Internatsdirektor zum Ensemble von Caroline Links "Exit Marrakech" (2013). Unter der Regie von Hans Steinbichler spielte er die Titelrolle in der Filmbiografie "Landauer der Präsident" (2014, TV), über Leben und Wirken des legendären Fußballfunktionärs Kurt Landauer.
Beim Filmfest München feierte im Sommer 2015 "Schau mich nicht so an" von Uisenma Borchu Premiere, ein Drama über die konfliktträchtige Dreiecksbeziehung zwischen zwei ungleichen, jüngeren Frauen und dem plötzlich auftauchenden Vater (Bierbichler) einer der Frauen. Im Juni 2016 startete der mehrfach preisgekrönte Film regulär in den Kinos. Im gleichen Jahr wurde Bierbichler für seinen 2011 erschienenen Roman "Mittelreich" mit dem Fontane-Preis der Stadt Neuruppin ausgezeichnet. Die Verfilmung dieses Romans wurde auch Bierbichlers zweite Regiearbeit (nach seinem Debüt mit "Triumph der Gerechten" im Jahr 1987). Unter dem Titel "Zwei Herren im Anzug" kam das Familien- und Gesellschaftsepos im März 2018 in die Kinos. Die Hauptrolle spielte Bierbichler selbst, seinen Filmsohn verkörperte sein tatsächlicher Sohn Simon Donatz; ein Hauptdrehort war Bierbichlers eigene Gastwirtschaft am Starnberger See.
In Stephan Wagners "Die Getriebenen" (DE/HU 2020), nach dem Sachbuch "Die Getriebenen: Merkel und die Flüchtlingspolitik", verkörperte Bierbichler den Politiker Horst Seehofer, in Nana Neuls "Töchter" (2021) gab er einen todkranken Mann, der mit seiner erwachsenen Tochter und deren guter Freundin einen Roadtrip in die Schweiz unternimmt.
Josef Bierbichler ist Vater von drei Kindern. Neben der Schauspielerei und der Schriftstellerei betätigt er sich auch als Landwirt.