André Wilms
Der französische Theater- und Filmschauspieler André Wilms wurde am 29. April 1947 in Straßburg geboren. Von 1975 bis 1984 stand er regelmäßig am Théâtre national de Strasbourg auf der Bühne, anschließend spielte er an vielen Theatern in Frankreich und Deutschland, unter anderem in Klaus Michael Grübers Bearbeitung von Goethes Faust "Salpêtrière" oder unter der Regie von André Engel in Becketts "Warten auf Godot" am Théâtre national de Strasbourg. Er stand weiterhin in Montpellier, München, Frankfurt und Paris auf verschiedenen Bühnen. Einige Male inszenierte Wilms auch selbst, beispielsweise 1999 in Straßburg Franz Xaver Kroetz' "Der Drang" oder 2005 "Die Bakchen" nach Euripides an der Comédie Française in Paris.
Seine Arbeit beim Film beschränkte sich zunächst auf kleinere Rollen, wie in Gérard Depardieus "Le tartuffe" (1984) oder Jean-Pierre Denis' "Champ d'honneur" (1987). Einem größeren Publikum wurde er mit seinen Rollen in Etienne Chatiliez' "La vie est un long fleuve tranquille" ("Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss, 1988) und Patrice Lecontes "Monsieur Hire" ("Die Verlobung des Monsieur Hire", 1989) bekannt. Mit Chatiliez arbeitete Wilms häufiger zusammen, zum Beispiel 1991 in "Tatie Danielle" ("Tante Danielle"), 2001 in "Tanguy" ("Tanguy – Der Nesthocker") und 2004 in "La confiance règne".
Als homosexueller Soldat Robert Kellermann, der die jüdische Herkunft des sich als Volksdeutschen ausgebenden Jungen Salomon kennt, spielte Wilms 1990 in "Hitlerjunge Salomon" unter der Regie von Agnieszka Holland. Anschließend war er in einigen Hauptrollen in kleineren Produktionen zu sehen, so etwa als Archäologe im griechischen Drama "Isimeria" (1991) und in "La révolte des enfants" (1992).
Wilms' internationaler Durchbruch gelang ihm 1992 mit der Rolle des zunächst wenig erfolgreichen Pariser Schriftstellers Marcel in Aki Kaurismäkis "Das Leben der Bohème". Für seine Leistung wurde Wilms mit dem Europäischen Filmpreis als bester Nebendarsteller ausgezeichnet. 2001 stand er am Schauspiel Frankfurt im gleichnamigen Theaterstück auf der Bühne. Wilms spielte später noch in weiteren Filmen Kaurismäkis mit: 1994 sah man ihn beispielsweise in der Komödie "Leningrad Cowboys Meet Moses" ("Die Leningrad Cowboys treffen Moses") als CIA-Agent, der sich als Musikproduzent ausgibt, um den vermeintlich kriminellen Machenschaften einer Band auf die Schliche zu kommen. Im gleichen Jahr wirkte er zudem in "L'enfer" ("Die Hölle") von Claude Chabrol mit. 1999 spielte Wilms erneut unter Kaurismäki im Schwarzweiß-Stummfilm "Juha".
In der deutschen Produktion "Scardanelli" (2000, Regie: Harald Bergmann) verkörperte André Wilms den Lyriker Friedrich Hölderlin in seinen letzten Lebensjahren als Pflegefall, in denen er unter dem Pseudonym "Scardanelli" weiterhin Gedichte verfasste. In den 2000er-Jahren spielte Wilms wieder kleinere Rollen, etwa in "Le temps d'un regard" (2007) oder in François Ozons "Ricky" ("Ricky – Wunder geschehen", 2009). Nach einer Rolle als um sein Honorar betrogener Chemiker und Geschäftsmann im Psychothriller "Sans laisser de traces" ("Spurlos", 2010) folgte 2011 eine erneute Zusammenarbeit mit Kaurismäki in dessen Film "Le Havre", für den André Wilms eine Nominierung für den Europäischen Filmpreis als bester Darsteller erhielt.
Anschließend spielte er in Benjamin Heisenbergs "Über-Ich und Du" wieder eine Hauptrolle: als altersvergesslicher Psychologe, dessen Zufallsgemeinschaft mit einem jungen Gelegenheitsgauner (Georg Friedrich) eine eigene Dynamik entwickelt. Der Film kam 2014 in die Kinos.
Nach einer Nebenrolle in Marie Noëlles "Marie Curie" übernahm Wilms in der Romanverfilmung "Un juif pour l'exemple" ("Ein Jude als Exempel",
Schweiz 2016) eine Hauptrolle als Jacques Chessex, dem Autor der Romanvorlage, der in seinem Buch den Mord an einem Juden in der Schweiz im Jahre 1942 aufarbeitet und sich plötzlich einer ungeahnten Hetzkampagne ausgeliefert sieht.
Auch nach seinem 70. Geburtstag blieb Wilms weiterhin sehr aktiv als Schauspieler. So spielte er u.a. 2017 im mehrfach preisgekrönten "Hannah" (IT/BE/FR) den inhaftierten Ehemann der titelgebenden Figur (Charlotte Rampling). Weitere prägnante Rollen übernahm er in "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein" (AT 2019), Philippe Garrels "La sel des larmes" (FR/CH 2020), der im Wettbewerb der Berlinale lief, als Vater der Hauptfigur und zuletzt in dem TV-Film "La bonne conduite" (FR 2021).
André Wilms starb am 9. Februar 2022 im Alter von 74 Jahren in Paris.