Am Mittwoch, den 20. November 2024, wurde in Hamburg der 37. Internationale Filmhistorische Kongress von CineGraph und Bundesarchiv im Kommunalen Kino Metropolis eröffnet. Im Rahmen der Eröffnung fand die Verleihung der Willy Haas-Preise statt.
Mit den Preisen werden bedeutende internationale Publikationen in den Kategorien Buch und DVD-/Blu-ray-Edition zum deutschsprachigen Film bzw. zum Film in Deutschland ausgezeichnet. 2024 wurde der, nach dem deutsch-tschechischen Literaten, Drehbuchautor und Filmkritiker Willy Haas benannte Preis zum einundzwanzigsten Mal vergeben.
In diesem Jahr bestand die unabhängige Jury aus Christiane Habich (Kronberg), Kay Hoffmann (Freiberg), Anne Jespersen (Kopenhagen), Uli Jung (Trier) und Günter Krenn (Wien). Den Gewinnerinnen und Gewinnern wurde jeweils eine Urkunde sowie eine Original-Grafik des Künstlers und Filmmachers Franz Winzentsen überreicht.
Willy Haas-Preisträger Kategorie Buch:
"Befreite Leinwände. Kinopolitik und Filmkultur in Berlin 1945/46" von Frederik Lang (Hg.). Wien: Synema 2023.
Dieser Sammelband zeichnet die erstaunlich vielfältige Berliner Kinolandschaft nach Kriegsende nach. Die kulturpolitischen Ansätze der Alliierten unterschieden sich stark: Die sowjetischen Besatzer sorgten dafür, dass in ihrer Zone die Kinos schnell wieder Filme zeigten. Es liefen sowjetische Filme wie "Tschapajew" (1934) und Teile der Maxim Gorki-Trilogie (1938–40), teils im Original, teils in deutscher Fassung. In den West-Sektoren liefen Filme wie John Fords "The Hurricane" (1937) oder Chaplins "The Gold Rush" (1924/25), da man die neueren Filme in der Hoffnung auf bessere ökonomische Zeiten zurückhielt. Auch französische Produktionen, die unter deutscher Besatzung entstanden, und deutsche Filme wie "Die Feuerzangenbowle" (1943/44) und "Münchhausen" (1942/43) waren zu sehen. In allen Sektoren wurden auch Dokumentarfilme über die Konzentrationslager gezeigt. Das Buch enthält Aufsätze über die alliierte Kulturpolitik, eine Chronik von Mai 1945 bis Oktober 1946 sowie Essays zu Filmen und ihrer Aufnahme bei Presse und Publikum.
Willy Haas-Preisträger Kategorie DVD/Blu-ray:
"Frank Beyer – Alle DEFA-Spielfilme 1957–1991 (13 DVDs)"
DDR 1957. Regie: Frank Beyer. Bonusmaterial, Booklet. DEFA Filmjuwelen 2024.
Frank Beyer (1932–2006) war einer der profiliertesten Filmregisseure der DDR, der nach seiner Ausbildung an der Prager FAMU ab 1957 von der DEFA mit teilweise prestigeträchtigen Regieaufgaben betraut wurde. Nachdem sein 'Ost-Western' "Spur der Steine" 1966 den Beschlüssen des 11. Plenums des ZK der SED zum Opfer fiel, wurde Beyer kaltgestellt und konnte nur noch für das DDR-Fernsehen arbeiten. Nach seiner teilweisen Rehabilitierung schuf er 1974 mit "Jakob der Lügner" den einzigen DEFA-Film, der für einen Oscar nominiert wurde. Danach etablierte er sich in den 1980er Jahren wieder beim Spielfilm. Nach der Wende konnte er dann überwiegend nur noch fürs Fernsehen arbeiten. Die vorliegende Frank-Beyer-Box versammelt alle 13 Filme, die er für die DEFA realisiert hat, neu digitalisiert und mit umfangreichem Bonusmaterial ausgestattet. Dazu gehören einige seiner Beiträge zur satirischen Kurzfilm-Reihe "Das Stacheltier". Zahlreiche Zeitzeugengespräche mit Beteiligten beleuchten die Produktionshintergründe, ebenso ausgewählte Dokumentarfilme. Ein kenntnisreiches Booklet von Ralf Schenk beinhaltet auch Beyers oft zitierten Brief an die DEFA in vollem Wortlaut. Insgesamt eine ausgezeichnet ausgestattete DVD-Edition, die einen schnellen Zugriff auf Beyers DEFA-Oeuvre bietet.
Lobende Erwähnung:
"Die DEFA-Indianerfilme Gesamtedition: Alle 12 Gojko Mitic Filme + Blauvogel + Atkins"
DDR 1966–1983. Regie: Josef Mach, Richard Groschopp, Gottfried Kolditz. Bonusmaterial. DEFA Filmjuwelen 2024.
Filmhistorie einmal anders und wohl nicht immer 'politisch korrekt'… Man kann eine Reihe DEFA-Filme wiederentdecken, die sich in ihrer Machart stärker am 'Klassenfeind' USA oder den Produktionen aus Italien zu orientieren scheint, als es die BRD bei ihren Karl May-Wild-West-Märchen tat. Statt des Salon-Apachen Pierre Brice agiert in einem Dutzend von ihnen der 'Winnetou des Ostens', Gojko Mitić. Stärker als in der von Harald Reinl initiierten Karl May-Serie thematisieren die gut besetzten Filme die systematische Vernichtung der indigenen Völker. Am Stück ist die Auswahl vielleicht nur für Hardcore-Fans geeignet, aber in Summe erzählen sie uns viel über verborgene Sehnsüchte, falsche und richtige Vorstellungen aus einer vergangenen Zeit.
Quelle: www.cinefest.de