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Ulrich Plenzdorf wurde am 26. Oktober 1934 in Berlin-Kreuzberg als Sohn einer Arbeiterfamilie geboren und studierte nach seinem Abitur 1954 in Ost-Berlin zunächst an der Universität Leipzig. Das Studium des Marxismus-Leninismus und der Philosophie brach er jedoch ab. Inspiriert von seinem Vater, der Arbeiter-Fotograf bei der "Arbeiter-Illustrierte-Zeitung" war, trat Plenzdorf selbst einem Fotozirkel bei. Daraus entwickelte sich der Wunsch, Kameramann zu werden. Mit diesem Ziel arbeitete Ulrich Plenzdorf von 1955 bis 1958 zunächst als Bühnenarbeiter bei der DEFA, um praktische Erfahrungen zu sammeln. 1959 wurde er schließlich zum Studium an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg zugelassen, jedoch in der Fachrichtung Dramaturgie, da der Studiengang Kamera belegt war. Nach Abschluss seines Studiums arbeitete Plenzdorf ab 1963 als Dramaturg, von 1966 bis 1990 als Autor bei der DEFA. Er gehörte zu den bedeutendsten Autoren der DDR, die auch im Westen hohe Anerkennung fanden.
Ulrich Plenzdorfs erstes Szenarium, das Historien-Abenteuer "Mir nach, Canaillen" (1964), entstand im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Filmhochschule nach der Romanvorlage "Eine Sommerabenddreistigkeit" von Joachim Kupsch und war die erste Zusammenarbeit mit Drehbuchautor und Darsteller Manfred Krug. Nach dieser ersten Literaturadaption sorgte bereits sein zweites Filmszenarium für Aufregung: "Karla" (1966), ein Werk über eine junge Lehrerin, die ihre Schüler kritisch und selbstständig denkend erziehen möchte, wurde nach dem 11. Plenum der SED verboten und erst 1990 aufgeführt. Auch die Drehbücher zu dem Ost-Roadmovie "Weite Straßen – stille Liebe" (1969) und dem Gegenwartsfilm "Kennen Sie Urban?" (1971) wurden nur zensiert veröffentlicht. In Bezug auf die Zensuren seiner Werke sagte Ulrich Plenzdorf: "Die Aufregung war es, die ich wollte, und ich habe sie ja in der Regel auch erreicht" (in Wolfgang Trampe: Gespräche mit Autoren der DEFA, Berlin 2004). 1973 feierte Plenzdorf einen großen Kinoerfolg mit "Die Legende von Paul und Paula" bei dem Heiner Carow Regie führte. Für das politische Drama über ein Liebespaar, das mit allen bürgerlichen Konventionen zu brechen versucht, erhielt er den Heinrich-Greif-Preis. Der Spielfilm gilt heute als die erfolgreichste Produktion in der DEFA-Geschichte.
"Die neuen Leiden des jungen W." (1976) markiert Plenzdorfs populärstes Werk. Darin charakterisierte er den Geist der 1970er-Jahre in der DDR und schuf mit dem Protagonisten Edgar Wibeau eine Figur, die inmitten der Zwänge des Landes jede Anpassung verweigert. Eine Thematik, mit der der Drehbuchautor erneut Debatten verursachte. Bereits 1968 entstand zusammen mit der Dramaturgin Inge Heym das Szenarium, eine Verfilmung lehnte die DEFA jedoch ab. Nach der Überarbeitung in einen Prosatext wurde das Stück 1971 in der Literaturzeitung "Sinn und Form" gedruckt und infolgedessen nicht zuletzt aufgrund starker Bemühungen des Präsidenten der Akademie die Künste, Konrad Wolf, in Halle als Bühnenstück uraufgeführt. 1973 erschien der Roman beim Hinstorff-Verlag und wurde seitdem über 4 Millionen Mal verkauft und in mehr als 30 Sprachen übersetzt. 1976 verfilmte das westdeutsche Fernsehen "Die neuen Leiden des jungen W." durch Regisseur Eberhard Itzenplitz.
Nach "Die neuen Leiden des jungen W.", Plenzdorfs erstem aufgeführten Theaterstück, erschienen weitere Stücke, mit denen er sich nicht nur als Drehbuchautor in die deutsche Kulturgeschichte einschrieb. 1983 erschien die Bühnenfassung "Die Legende vom Glück ohne Ende" als Fortsetzung des Films "Die Legende von Paul und Paula", weitere politische und kritische Stücke wie "Ein Tag länger als ein Leben" (1986), "kein runter kein fern" (1990) und "Mörderkind" (1993) folgten.
Der Film blieb jedoch sein zentrales Metier. Neben Drehbüchern und Szenarien, in denen sich Plenzdorf kritisch mit der DDR-Gegenwart auseinandersetzte, fokussierte er sich weiterhin auf Romanadaptionen: In "Glück im Hinterhaus" (1980) adaptierte er Günther de Bryns Roman "Buridans Esel"; "Insel der Schwäne" (1983) basiert auf dem gleichnamigen Roman von Benno Pludra. Letzteres Werk provozierte erneut Debatten, da das Szenarium ein sozialkritisches und trostloses Bild vom Leben in den Plattenbauten zeichnete. Um einem Verbot zu entgehen, wurden einige Passagen ohne Mitwirken des Autors geändert.
Plenzdorfs letzte DEFA-Filme erregten weniger Aufmerksamkeit in der DDR: "Der Fall Ö" (1991), der die Rolle des Individuums im Geschichtsprozess thematisiert, kam 1991 ins Kino. Im gleichen Jahr erschien auch der letzte Film des Autors für die DEFA. Plenzdorf hatte das Drehbuch zu "Der Verdacht" (1991) nach Erzählungen von Volker Braun bereits 1989 geschrieben. Die Brisanz, die der Film über eine Liebesgeschichte zu DDR-Zeiten noch gehabt hätte, war 1991 jedoch verschwunden.
Nach der Wende war Plenzdorf befreit von politischen Zwängen und das Fernsehen bot ihm die Chance, sowohl gesellschaftskritische Geschichten als auch frei über die ostdeutsche Wirklichkeit zu erzählen. Das erste Drehbuch im wiedervereinigten Deutschland realisierte der Deutsche Fernsehfunk, der den Spielfilm "Hüpf, Häschen Hüpf oder Alptraum eines Staatsanwalts" am Tag der deutschen Einheit 1991 in der ARD ausstrahlte. Darin thematisiert Plenzdorf Ängste und Zwiespälte der DDR-Bürger sowie den Umgang eines Staatsanwalts mit staatlichen Willkürakten während der Berliner Demonstrationen vom 7. Oktober 1989, bei denen es zu Übergriffen der Polizei und zahlreichen Inhaftierungen kam. Es folgten mit "Das andere Leben des Herrn Kreins" (1994), "Der Trinker" (1995) und "Matulla & Busch - Zwei Alte pokern hoch" (1995) die Adaptionen eines Theaterstücks und zweier Romane, in denen sich Plenzdorf erneut kritisch mit dem Osten auseinandersetzte. Für das Fernsehen verfasste er die Drehbücher der vierten Staffel der Anwaltsserie "Liebling Kreuzberg", deren Handlung er für diese Episoden nach Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg verlegte und die 1994 ausgestrahlt wurde. Im Jahr darauf wurde Plenzdorf mit dem Grimme-Preis in Bronze ausgezeichnet.
1998 erschienen die beiden letzten verfilmten Drehbücher Plenzdorfs. Der Spielfilm "Abgehauen" (1998) zeigt biographisch Manfred Krugs Ausreise aus der DDR und erhielt den Fernsehpreis der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft in Silber. Im gleichen Jahr erschien die ebenfalls preisgekrönte dreiteilige TV-Verfilmung "Der Laden" (1998) nach dem gleichnamigen Roman von Erwin Strittmatter, dessen Geschichte von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart reicht.
Bis zu seinem Tod widmete sich Plenzdorf neuen Betätigungsfeldern. Er übersetzte Erzählungen des kanadischen Autors Richard Van Camp und des Australiers Markus Zusak und vermittelte seine Erfahrungen als Drehbuchautor in Seminaren an der Hochschule der Künste in Berlin und am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, wo er 2003 einen Lehrauftrag für ein Jahr annahm.
Ulrich Plenzdorf starb am 9. August 2007 in Berlin. Sein Nachlass befindet sich im Archiv der Akademie der Künste, deren Mitglied er seit 1992 gewesen war, in Berlin.
Autorin: Leonie Rieth
Dieser Text wurde im Rahmen des Masterstudiengangs "Filmkultur - Archivierung, Programmierung, Präsentation" erstellt, der von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem Deutschen Filminstitut gemeinsam angeboten wird.