Die Legende von Paul und Paula

DDR 1972/1973 Spielfilm

Inhalt

Paula, allein erziehende Mutter zweier Kinder, lernt in einem Ostberliner Musiklokal den Staatsbeamten Paul kennen. Paul ist verheiratet, wird aber von seiner Frau betrogen. Die beiden verlieben sich ineinander. Während Paula bereit ist, für das gemeinsame Glück mit allen bürgerlichen Konventionen zu brechen, zögert Paul zunächst. Bis auch er erkennt, dass er in Paula seine große Liebe gefunden hat.

 

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Falk Schwarz
"Ich haue drauf. Ich traue mich!"
Was für ein martialisches Geräusch! Paul (Winfried Glatzeder) schlägt mit der Axt die Tür ein, hinter der Paula (Angelica Domröse) wohnt, und die Bewohner des Treppenflures machen ihm Mut und schauen zu. Draußen wird ein altes Berliner Mietshaus nach dem anderen gesprengt, versinkt in Schutt und Asche und geht auf in einer unheimlichen Staubwolke. Regisseur Heiner Carow liebt die starken Akzente und Symbole. Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen! Da paradiert die DDR, wie sie war: die sterile Platte, die Zweitakter, die leeren Straßen, die biedere Mode, natürlich die Kittelschürze. Aber vor allem wollen die beiden Liebenden raus aus der Monotonie ihres eigenen Lebens. Sie möchten zueinander, zur Not mit der Axt. Obwohl Paul zuerst Bedenken hat und sich nicht traut, seinem unklaren Arbeitgeber (Stasi?) auch nur davon zu berichten, dass er aus seiner nichtssagenden Ehe ausbrechen will. Er tut es. Eine wunderbare Sequenz, als Paula mit ihren 22 Jahren abends auf ihrem Bett liegt, kleine Schlucke volkseigener Cola trinkt und dann plötzlich weiss: ich mache es. Ich haue drauf. Ich traue mich. Ulrich Plenzdorf, der diesen Film geschrieben hat, versucht etwas ausgesprochen Filmisches: er mischt Realität und Wunschtraum. Etwa die Fahrt des Brautbettes auf dem Kahn über den See. Es bleiben Verbindungen, die der Zuschauer sich selber zusammenreimen muss. Die Fantasie springt an. Auch die intensiven Sexszenen sind so fein und unsensationell gestaltet, dass die Liebe dieser Beiden immer im Vordergrund steht. Voyeure bleiben draußen. Die Erfüllung persönlicher Träume und Wünsche, die Realisierung eines „erfüllten“ Lebens muss der DDR Kopfzerbrechen gemacht haben. Die „Beat“-Generation hatte zunehmend weniger mit der gesellschaftlichen Gesamtutopie am Hut und pfiff auf die Partei. Das zeigen Plenzdorf und Carow in einem Film, der durch die Unbedingtheit der Gefühle im Handumdrehen zu einem Kultfilm geworden ist. 1973 muss er wie eine Bombe gewirkt haben. Wie diese gesprengten Altbauten. Chapeau!
Heinz17herne
Heinz17herne
Paul ist persönlicher Referent in einer Außenhandelsbehörde der DDR, ein hohes Tier der Nomenklatura mit Dienstwagen und ganz offiziellen West-Kontakten. Er hat „die Schöne“, ein bildhübsches, aber nicht sehr gescheites Mädchen geheiratet. Ein richtiges Ausstellungs- und Renommierobjekt im Kollegenkreis, aber in der Ehe kriselt es bald so, wie wir es aus zahllosen West-Filmen kennen: Chef heiratet seine junge Sekretärin, die jedoch bald weder intellektuell noch gesellschaftlich mithalten kann und sich einen Liebhaber nimmt...

Die alleinerziehende Paula hat zwei uneheliche Kinder von zwei Männern und arbeitet in einem Supermarkt. Sie ist nach mannigfachen Enttäuschungen fest entschlossen, dem beharrlichen Werben eines ältlichen Herrn, des Reifenhändlers „Reifen-Saft“, nachzugeben, schon um ihren Kindern wieder das Gefühl der familiären Geborgenheit geben zu können.

Da begegnen sich Paul und Paula in einer Diskothek, es funkt sofort zwischen den beiden. Doch da türmen sich die Komplikationen („Ich kann mir in meiner Funktion keine Scheidungsgeschichte leisten!“) zu einem veritablen Berg, bis diese der ganz großen Liebe weichen – und schließlich einer letzten, unüberwindbaren Komplikation Platz machen – Paulas Tod.

„Die Legende von Paul und Paula“ nach Ulrich Plenzdorfs gleichnamiger „Filmerzählung“, die seinerzeit nur im Westen erscheinen durfte (Suhrkamp), wurde trotz zahlreicher bürokratischer Hindernisse der erfolgreichste Defa-Film aller Zeiten. Für die mit 20-minütigen stehenden Ovationen gefeierten Uraufführung im 1.200 Plätze umfassenden Berliner Kosmos-Filmpalast gelangten nur 400 Karten in den freien Verkauf. Danach zog der staatliche Progress-Filmverleih Kopien bewusst von den großen, technisch gut ausgestatteten Kinos der Republik ab – es sollte nichts nützen.

Die melancholisch-turbulente Romanze sorgte Anfang der 1970er Jahre auch musikalisch für einen erheblichen Wirbel: mit Top-Hits wie „Geh zu ihr“ und „Wenn ein Mensch lebt“ avancierten die „Puhdys“ zur populärsten Band der DDR. In der auch melodramatischen Love-Story zwischen einem ehemüden, aber scheinbar ideologiefesten Staatsbeamten („Keiner kann immer nur das tun, was er will!“) und einer stürmischen, „Alles oder Nichts“ fordernden alleinerziehenden Mutter („Es muss doch etwas anderes geben als schlafen und arbeiten, schlafen und arbeiten!“) will Paula ein Kind von Paul, obwohl sie weiß, dass eine erneute Schwangerschaft für sie lebensgefährlich sein kann.

Als der Film am 14. März 1974 in die bundesdeutschen Kinos kam, jubelten die Kritiker, sein Zustandekommen allein sei Ausdruck eines innen- und kulturpolitischen Tauwetters des SED-Regimes. Das hat sich dann rasch als Trugschluss erwiesen: Die offiziösen DDR-Medien nahmen „Die Legende von Paul und Paula“ als Zeichen dafür, dass sich der Pankower Staat soweit gefestigt habe, dass ein solcher Film trotz allgegenwärtiger Zensur möglich sei – mit Angelica Domröses blankem Busen, frech-ironischen Dialogen mit unüberhörbaren Spitzen gegen den überbürokratisierten Staat, mehrfachem Ehebruch und Geknutsche auf offener Straße in der Plattenbau-Siedlung.

Der Erstausstrahlung am 11. Oktober 1975 im Fernsehen der DDR folgte die West-Premiere am 7. November 1975 in der ARD. Als beide Protagonisten als Spätfolge der Biermann-Ausbürgerung in den Westen gingen, 1980 Angelika Domröse mit ihrem Gatten Hilmar Thate und zwei Jahre später Winfried Glatzeder, verschwand der Film bis zur Wiedervereinigung in den Giftschränken von Babelsberg und Adlershof.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Szenarium

Dramaturgie

Kamera-Assistenz

Bauten

Bau-Ausführung

Außenrequisite

Bühne

Kostüme

Schnitt

Mischung

Musikalische Leitung

Darsteller

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 1972: Berlin/Ost und Umgebung [Sommer (?)]
Länge:
2881 m, 109 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 20.04.1993, 46216 [2. FSK-Prüfung]

Aufführung:

Uraufführung (DE): 29.03.1973, Berlin, Kosmos

Titel

  • Originaltitel (DD) Die Legende von Paul und Paula

Fassungen

Original

Länge:
2881 m, 109 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 20.04.1993, 46216 [2. FSK-Prüfung]

Aufführung:

Uraufführung (DE): 29.03.1973, Berlin, Kosmos

Prüffassung

Länge:
2881 m, 109 min
Länge:
2878 m, 105 min
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 19.12.1973, 46216, ab 16 Jahre / feiertagsfrei