Märkische Forschungen

DDR 1981/1982 Spielfilm

Märkische Forschungen


Fred Gehler, Sonntag, Berlin/DDR, Nr. 21, 23.5.1982


Günter de Bruyns "Erzählung für Freunde der Literaturgeschichte" ist vor allem eine hintersinnige Epistel über zwei Charaktere und Attitüden im alltäglichen Sozialismus. Wie zu lesen, war der Autor der Meinung, er glaube nicht, daß man daraus einen Film machen könne (mit dem Zusatz: andererseits verstünde er nichts davon). Von Roland Gräf, dem Regisseur, lese ich folgende Sentenz: "Mir war klar, daß diese Erzählung, dicht von vorne bis hinten, komprimiert, die pure Literatur, unverfilmbar war. Doch gleichzeitig ging davon eine Provokation aus: Dafür eine filmische Entsprechung zu finden, durch die Substanz gezwungen zu werden, ebenfalls eine gewisse Substanz zu erreichen."

Provokation und Zwänge einer substantiellen Erzählung für den Film – wie auch immer – das jetzt vorliegende Resultat offenbart die kluge Einsicht, nicht etwas ganz anderes machen zu wollen und zu können. Das Mysterium des Mediumspezifischen (was immer man darunter verstehen mag) wurde gleichsam gegenstandslos. André Bazin hat in seinem Aufsatz "Für ein unreines Kino – Plädoyer für die Adaption" die Behauptung, die Adaption von Literatur sei ein unproduktiver Vorgang als "unsinnig" bezeichnet und dagegen gesetzt: "Literatur und Film werden von denjenigen verraten, die sich unter dem Vorwand bestehender Forderungen der Leinwand nicht im geringsten um Werktreue bemühen." Der Film habe, so Bazin, äußerlich nichts mehr zu gewinnen. "Ihm bleibt, seine Ufer weiter zu bewässern, sich zwischen die Künste zu mischen, in die er so schnell seine Schluchten gegraben hat, sie arglistig zu umschließen, in den Untergrund einzudringen, um unsichtbare Gänge zu graben."


Der Film "Märkische Forschungen" ist für mich Indiz für ein solch listiges Mischen unter die Künste, ein Mischen zwischen Literatur und Schauspiel. Er betrachtet Literatur wie durch ein Schlüsselloch. Er veranschaulicht ein "unfilmisches" Paradox: die Achtung vor dem Text und den Erzählstrukturen der Geschichte. Die Abkunft von Literatur wird nicht kaschiert, im Gegenteil. Sie wird dem Zuschauer immer wieder bewußt gemacht: durch Stimme und Text des Erzählers, durch die weitestgehende Übernahme des Sprachduktus der literarischen Figuren, auch durch Vermeiden einer dokumentarischen Wirklichkeitsnähe. Vielmehr: Spielfiguren in einer Spielsituation, Transponieren von Grundhaltungen durch die Brille der ironischen Verfremdung. Der Film läßt sich voll und ganz ein auf die Fiktion des ZIHH in Berlin, auf den Streit um den märkischen Jakobiner in der Literatur, auf die vermeintlich realitätsperipheren Kabbeleien eines Literaturprofessors mit einem Landlehrer. Nur so wird – ein weiteres Paradox – dieser Film möglich, erscheint die Bitternis des Vorgangs mitteilbar und transportierbar. (…)

Ich stolperte noch einmal darüber, daß der Film eine Komödie genannt wird. Wenn auch mit dem Hilfspunkt einer "nicht alltäglichen" oder "traurigen" Komödie. In den gängigen Definitionen lese ich über die Komödie, daß sie die Auflösung einer Größe ins Nichts zeige, daß mit ihr die Menschheit heiter von ihrer Vergangenheit oder ihren Anachronismen scheide. In den "Märkischen Forschungen" löst sich wahrlich keine "Größe" in ein angenehmes Nichts auf.

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