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Alle Fotos (43)Biografie
Barbara Apolonia Chalupec wird am 3. Januar 1897 in Lipno/Polen geboren. Ihre Ausbildung beginnt mit acht Jahren an der Ballettschule des Warschauer Teatr Wielki, die sie 1905 in St. Petersburg fortsetzt. Einer Krankheit wegen am Tanzen gehindert, besucht sie die Theaterschule in Warschau. Am Kleinen Theater debütiert sie 1912 und spielt u.a. die Hauptrolle in "Hanneles Himmelfahrt" von Gerhart Hauptmann. Ab 1913 ist sie Mitglied des Warschauer Nationaltheaters, einer ihrer größten Erfolge ist die Tänzerin in der Pantomime "Sumurun".
1914 spielt sie ihre erste Filmrolle in "Niewolnica zmysłow". Sie ruiniert auf dramatische Weise eine "vornehme" Ehe – und hat damit ihr Rollensujet als bedrohlicher, manchmal auch naiver Vamp gefunden. Ihren Namen ändert sie aus Verehrung für die italienische Dichterin Ada Negri in Pola Negri. Ihr Debüt im deutschen Film hat sie 1917 in einer Doppelrolle in "Nicht lange täuschte mich das Glück". Unter der Regie von Ernst Lubitsch wird sie zum Star in Filmen wie "Carmen", "Die Augen der Mumie Ma", "Madame Dubarry", "Sumurun" und "Die Bergkatze". In ihnen geht es fast immer um das gleiche Thema: Die Männerwelt verfällt der Negri in Scharen, und es entbrennen mörderische Kämpfe um sie, in "Madame Dubarry" gar die französische Revolution. 1920 wird dieser Film in den USA unter dem Titel "Passion" ein Riesenerfolg. Adolph Zukor verpflichtet Negri für die Paramount. 1922 geht sie als erste deutsche Darstellerin in die USA, das Land, das angeblich seit der Kindheit ihr Traum war: "It is like heaven to which people go for eternal happiness. (…) Always people return rich or send money back."
In "Belladonna" spielt sie eine gewissenlose Frau, die, nur auf Reichtum und Titel bedacht, zu einer modernen Lucrezia Borgia wird, der ein Panther das verdiente Ende bereitet. Doch das Exotische, Extravagante und Geheimnisvolle ihres Typs wird mehr und mehr gezügelt. Kritiker loben nun ihren unterschwelligen Humor und attestieren ihr "European sophistication". Man versucht, sie zur edelmütigen Grande Dame zu stilisieren, die die Zuschauer in sentimentalen Szenen erschüttert.
Den bisher größten Erfolg in den USA hat sie 1924 in Lubitschs Komödie "Forbidden Paradise" als russische Zarin Katharina. Als ihr bester amerikanischer Film gilt "Hotel Imperial" von Mauritz Stiller. Typisch aber werden "ready-made-Geschichten" nach fast immer gleichem Muster: Sie hat den Mythos der "fremden Frau" – mal bedrohlich, mal herzerweichend – zu verkörpern. In "A Woman on the World" spielt sie eine italienische Adlige, deren Charakter sich als gefährlich und zynisch erweist; "Barbed Wire" schildert die traurige Romanze einer Normandie-Bäuerin, die sich im Ersten Weltkrieg in einen internierten deutschen Soldaten verliebt.
Mehr als durch ihre Filme fällt Negri durch Affären auf, darunter die 1922 angekündigte Heirat mit Charlie Chaplin, Die Ehe wird nie geschlossen, die Verbindung endet in gegenseitigen öffentlichen Beleidigungen. "Her best performance" nennt Regina Cannon im New York American ihre effektvollen Weinkrämpfe und Zusammenbrüche am Sarg von Rudolph Valentino, der angeblich ihr Liebhaber und zukünftiger Ehemann war.
1928 läuft ihr Hollywood-Vertrag aus. Negris Popularität ist aufgrund der zahlreichen Skandale gesunken, ihr polnischer Akzent bereitet ihr im Tonfilm Schwierigkeiten. Sie geht nach Europa zurück und dreht Filme in England und Frankreich Ein Comeback gelingt ihr erst 1935 in Deutschland in Willi Forsts "Mazurka". Negri selbst – nie bescheiden – bezeichnet Szenen darin als die wohl höchste Form der Schauspielkunst, die man auf der Leinwand jemals habe sehen können. Vorwürfe der nationalsozialistischen Presse wegen angeblicher jüdischer Abstammung werden durch eine amtliche Mitteilung zurückgewiesen.
In den deutschen Filmen muß Negri nun Gewissen verkörpern. "Zudiktiert wurden ihr aufopferungssüchtige Mütter ("Tango Notturno", "Moskau-Shanghai", "Mazurka") und ebenso hingebungsvolle wie verkannte Ehefrauen. Pola spielte sie mit Schmerzensmiene, Seufzern und Tränenblick – aber auch weiterhin mit listenreicher, verführerischer Schönheit." (Schauer, 1964).
Bei Kriegsbeginn hält Negri sich in Frankreich auf, sie geht 1941 in die USA, wo sie 1943 in "Hi Diddle Diddle" eine Persiflage auf ihre alten Vamp-Rollen spielt. 1951 nimmt sie die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Filmangebote, u.a. von Artur Brauner, in Deutschland unter der Regie von Wilhelm Dieterle in "Die Herrin der Welt" eine Atomwaffe zu zerstören und damit die Welt zu retten, zerschlagen sich.
In San Antonio (Texas), wo sie seit Ende der 50er Jahre lebt, macht Negri eine Karriere als Geschäftsfrau, sie wird eine erfolgreiche Grundstücksmaklerin. Nur einmal noch kehrt sie zum Film zurück, um 1964 in der Disney-Produktion "The Moon-Spinners" eine exzentrische, juwelenverrückte Ägypterin zu spielen, die von sich selbst sagt: "Ich habe zwei Weltkriege überlebt, vier Revolutionen und fünf Männer." Unter ähnlichem Motto steht ihre Autobiografie "Memoirs of a Star", die 1970 erscheint und in der Pota Negri phantasievoll ein Starleben wie aus dem Bilderbuch kreiert, Wenn die meisten von Negris Filmen so gut wie vergessen sind und nur wenige den Sprung zum Klassiker geschafft haben, mit der Inszenierung ihres Lebens ist Negri aus der Filmgeschichte nicht wegzudenken.
Ihre erste, 1918 mit dem polnischen Grafen Dombski geschlossene Ehe wird 1920 geschieden. 1927 heiratet sie den georgischen Prinzen Sergius Mdivani, dessen Titel sich später als unecht erweist. Die Ehe wird 1931 geschieden. Pola Negri stirbt am 31. Juli 1987 in San Antonio, Texas.
CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film
© 1984ff edition text+kritik im Richard Boorberg Verlag, München.