Das Zeughauskino Berlin zeigt von 10. bis 30. September 2020 eine Filmreihe über das Ende der nationalsozialistischen Filmproduktion und ihr Weiterleben nach dem Untergang des "Dritten Reichs".
Als die nationalsozialistische Filmproduktion Anfang 1945 allmählich zum Erliegen kommt und der Zweite Weltkrieg in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 endet, stellt sich den alliierten Siegermächten auch die Frage, wie mit dem Filmerbe des "Dritten Reichs" umzugehen sei. Der für Filmzensur zuständige Alliierte Kontrollrat veranlasst eine Sichtung der deutschen Filmproduktion und beschließt, die meisten der zwischen 1933 und 1945 entstandenen Filme unter Schnittauflagen oder ohne Beanstandungen freizugeben, über 300 Filme werden hingegen auf eine Verbotsliste gesetzt, ihre öffentliche Vorführung ist fortan untersagt. Doch was soll mit denjenigen Filmen geschehen, deren Herstellung vor Kriegsende erst begann und deren Endfertigung noch aussteht? Dürfen diese Arbeiten unter den neuen politischen Verhältnissen von anderen Firmen fertiggestellt werden? Sind sie für die Kulturarbeit im Nachkriegsdeutschland geeignet? Und wie wird das Publikum reagieren?
In der Geschichte des deutschen Nachkriegsfilms spielen die sogenannten Überläufer-Filme eine wichtige Rolle. Über 70 Filme sollen im Jahr 1945 bis zum Kriegsende begonnen oder hergestellt worden sein, über 30 von diesen Produktionen sind den Überläufer-Filmen zuzurechnen. Sie wechselten von einem System ins andere, vom "Deutschen Reich" in die alliierten Besatzungszonen, manche Produktionen erlebten ihre Premiere gar erst in der DDR oder Bundesrepublik. Die Retrospektive "Überläufer", die in Zusammenarbeit mit dem Filmhistoriker Ralf Schenk entsteht, stellt vierzehn Überläufer-Filme vor.
Kurioserweise widmete sich die Deutsche Film-A.G. (DEFA) besonders früh und intensiv der Fertigstellung der im Nationalsozialismus begonnenen Spielfilme. Géza von Bolvárys Operettenverfilmung "Die Fledermaus" (Spieltermin 13. September), schon wenige Wochen nach Kriegsende von der "DEFA in Gründung" endgefertigt, erlebte am 16. August 1945 ihre Premiere, zwei Monate vor der Uraufführung des ersten deutschen Nachkriegsspielfilms "Die Mörder sind unter uns". Aber auch andere Firmen zeigten reges Interesse an der Fertigstellung von Filmen aus nationalsozialistischer Zeit. Die Bavaria brachte unter anderem Hans Schweikarts Kriminalfilm "Die Nacht der Zwölf" (19. + 20. September) und Theo Lingens Verwechslungskomödie "Philine" (27. September) in die Kinos. Trenkers letzten Bergfilm im "Dritten Reich", "Im Bann des Monte Miracolo", stellte Tirol-Film fertig, und als 1953 das vom französischen Militär beschlagnahmte Filmmaterial von "Tiefland" (22. September) freigegeben wurde, sorgte die Riefenstahl-Film GmbH für dessen Fertigstellung und Uraufführung im Februar 1954.
Karsten Witte hat mit Blick auf das Dekor in den Überläufern eine Tendenz beobachtet, die schon den Überläufer-Filmen von 1933 eigen war. Während in diesen bereits die Moderne Einzug hielt und die Wohnungen mit Bauhaus-Möbel ausgestattet waren, sind in den Überläufern von Mitte der 1940er Jahre schon die Einrichtungsgegenstände der frühen 1950er Jahre präsent. "Denn die richtigen Überläufer haben ihren Ausgangspunkt, sieht man sie in Aktion, schon verlassen, ja: verraten" ("Die Überläufer ausliefern"). Ein irritierender Befund, der nicht zuletzt die Frage aufwirft, für welche Zeit und welches Publikum die Überläufer bestimmt waren – so seltsam aus der Zeit und ihren ästhetischen Formen gefallen erscheinen sie uns.
Quelle und weitere Informationen: www.dhm.de/zeughauskino/