Netzwerk der European Film Agency Directors (EFAD): Schwere Bedenken gegen den Entwurf zur Kinomitteilung

Das Netzwerk der European Film Agency Directors (EFAD) hat auf seinem traditionellen Treffen anlässlich der Internationalen Filmfestspiele in Cannes eine gemeinsame Erklärung zu dem kürzlich veröffentlichten Entwurf der EU-Kommission zur Kinomitteilung formuliert.

Aus Sicht der EFAD sind die überarbeiteten Kriterien, die darüber entscheiden sollen, ob die nationalen Filmfördersysteme mit den EU-Wettbewerbsvorschriften vereinbar sind, in dem aktuell vorgelegten Entwurf nicht akzeptabel.

Noch bevor die einzelnen europäischen Länder im Rahmen eines Konsultationsverfahrens bis zum 14. Juni detaillierte Stellungnahmen zu dem ersten Entwurf der Kinomitteilung einreichen, heißt es in der "Gemeinsamen Cannes Erklärung" der EFAD:

                                              European Film Agency Directors (EFAD)
                                                                Cannes Erklärung
                             Staatliche Beihilfen für Filme und andere audiovisuelle Werke
                                                                         Mai 2012

Ein dynamischer kulturell unterschiedlicher und vielfältiger europäischer Film ist auf staatliche Beihilfen überstaatlicher, nationaler und regionaler Ebene angewiesen. Die audiovisuelle Politik und die Fördersysteme der Mitgliedsstaaten bilden im Hinblick auf die kulturellen und wirtschaftlichen Grundbedingungen die Basis für eine zukunftsfähige audiovisuelle Industrie; Sie sind für den europäischen Film und den audiovisuellen Sektor eine unverzichtbare Voraussetzung.

Das Netzwerk der European Film Agency Directors (EFAD) fordert die Europäische Kommission dringend auf, ein klares und transparentes Regelwerk bezüglich der staatlichen Beihilfen zu schaffen, mit dessen Hilfe es den Mitgliedsstaaten weiterhin möglich ist, ihre umfassenden und wirksamen Maßnahmen zur Förderung des nationalen und regionalen Films und der audiovisuellen Industrie fortzusetzen. Diese Maßnahmen unterstützen die Schaffung und die Verbreitung europäischer Werke und beruhen auf der gemeinsamen Vision, dass audiovisuelle Werke ein wichtiges Mittel sind, um in Europa die kulturelle Identität, die Vielfalt und den gegenseitigen Austausch zu fördern.

Die EFAD begrüßt die Revision der Kinomitteilung von 2001 durch die Europäische Kommission, um Rechtssicherheit für eine größere Bandbreite von audiovisuellen Aktivitäten und der zugehörigen öffentlichen Förderprogramme zu schaffen. Dennoch haben wir eine Reihe von schwerwiegenden Bedenken bezüglich des vorgeschlagenen Entwurfes:

• Der von der Kommission vorgeschlagene Text und die daraus folgenden Interpretationen ist nicht klar, und dadurch wird es unweigerlich zu weiterer rechtlicher Unsicherheit und zu Missverständnissen kommen.
• Obwohl der vorgeschlagene Anwendungsbereich erweitert wurde, bleiben wesentliche audiovisuelle Teilbereiche ausgeschlossen, zum Beispiel VoD- Plattformen, Videospiele sowie die Kinos. Diese Auslassungen werden nicht dem gerecht, was die audiovisuelle Kultur ausmacht. Zweitens werden somit die bedeutenden Herausforderungen für den audiovisuellen Sektor nicht angesprochen, insbesondere die Herausforderungen durch die Digitalisierung, die Marktfragmentierung und das fehlende Risikokapital.
Drittens zeigt der vorgeschlagene Text einen deutlichen Widerspruch in Bezug auf das MEDIA Programm und die übergeordneten politischen Ziele der Europäischen Kommission, wie sie in der EU-2020-Strategie festgeschrieben wurden.
• Die Europäische Kommission beabsichtigt, neue Elemente einzuführen um zu bemessen, ob die Höhe der Territorialisierung der Produktionsausgaben angemessen ist und im Einklang steht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in Bezug auf andere Sektoren. Die EFAD bedauert, dass diese Vorschläge gemacht wurden, ohne dass die Europäische Kommission den Nachweis erbringen konnte, dass die bisherigen Territorialisierungsauflagen der Mitgliedsstaaten irgendwelche nachteiligen Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen audiovisuellen Markt gehabt hätten – das heißt auf die Produktion und Verbreitung europäischer Werke. Ganz im Gegenteil hat die Studie der Europäischen Kommission zu diesem Thema bestätigt, dass territoriale Förderauflagen keinerlei negative Effekte bewirken.
Die vorgeschlagenen neuen Regelungen bedrohen eindeutig die Stabilität und die Nachhaltigkeit der europäischen öffentlichen Förderung des audiovisuellen Sektors sowie die Möglichkeit der Mitgliedsstaaten Maßnahmen und Strategien zu entwickeln und anzuwenden, um den zukünftigen Herausforderungen für den Sektor zu begegnen. Die vorgeschlagenen Kriterien werden die Hebelwirkung und den Multiplikatoreffekt der öffentlichen Fördermaßnahmen deutlich reduzieren, wenn nicht gar eliminieren. Daher gefährden sie die Existenzfähigkeit der nationalen und regionalen Filmförderungen in vielen Mitgliedsstaaten, führen zu zunehmender Unsicherheit der Produzenten, bedrohen Arbeitsplätze und das Niveau sowie die Vielfalt der europäischen Filmproduktion.
• Die vorgeschlagene degressive Förderintensitätsskala für nicht-europäische Filme würde einen negativen Einfluss auf Europa als Produktionsstandort haben und würde somit die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas erheblich bedrohen. Außerdem wäre eine Beeinträchtigung der Infrastruktur der Filmindustrien der Mitgliedsstaaten die Folge.
• Darüber hinaus glaubt die EFAD, dass die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen europäischen und nicht-europäischen Werken außerordentlich problematisch ist und Europas Bereitschaft zu Partnerschaften mit Drittländern auf bilateraler Basis gefährdet.

Zusammenfassend bedauert die EFAD, den Entwurf der Kinomitteilung in der vorliegenden Form nicht befürworten zu können, weil er für den audiovisuellen Sektor Europas ein großes Risiko beinhaltet. Wir bitten daher die Europäische Kommission, von jeglichen Änderungen am rechtlichen Rahmenwerk solange abzusehen, bis die Europäische Kommission sich zu einer umfassenderen Herangehensweise entschlossen hat - eine Herangehensweise, die der gemeinsamen Vision der Europäischen Kommission und der Mitgliedsstaaten in Bezug auf die audiovisuelle Kulturpolitik gerecht wird und die die spezifischen Charakteristika des audiovisuellen Sektors anerkannt.

gez.

European Film Agency Directors:
Österreichisches Filminstitut (Österreich)
Centre du Cinéma et de l'Audiovisuel de la Communauté française (Belgien)
Vlaams Audiovisueel Fonds (Belgien)
National Film Centre (Bulgarien)
Cultural Services of the Ministry of Education and Culture (Zypern)
Czech Film Chamber (Tschechien)
Danish Film Institute (Dänemark)
Estonian Film Foundation (Estland)
Filmförderungsanstalt (Deutschland)
Greek Film Centre (Griechenland)
Finnish Film Foundation (Finnland)
Centre National de la Cinématographie (Frankreich)
National Film Office (Ungarn)
Irish Film Board (Irland)
Ministero per i Beni e le Attività Culturali - Direzione Generale per il Cinema (Italien)
National Film Centre (Lettland)
Ministry of Culture - Department for Arts (Litauen)
Film Fund Luxembourg (Luxembourg)
Maltese Film Commission (Malta)
Nederlands Fonds v.d. Film (Niederlande)
Polish Film Institute (Polen)
Instituto do Cinema Audiovisual e Multimedia (Portugal)
Centrul National al Cinematografiei (Rumänien)
Instituto de la Cinematografia y de las Artes Audiovisuales (Spanien)
Ministry of Culture - Department for Cinema (Slowakei)
National Film Foundation (Slowenien)
Swedish Film Institute (Schweden)
British Film Institute (UK)

Quelle: www.ffa.de