Die 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin widmen dem britischen Regisseur Ken Loach eine Hommage und verleihen ihm den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk.
"Ken Loach ist einer der großen europäischen Regisseure. In den nahezu 50 Jahren seines filmischen Schaffens hat er eine außergewöhnliche Kontinuität bewiesen, dabei ist er jedoch auch stets innovativ. Ken Loach drückt sein tiefes Interesse für Menschen, ihre Schicksale und sein sozialkritisches Engagement mit unterschiedlichen filmischen Mitteln aus", so Berlinale-Direktor Dieter Kosslick. "Wir ehren Ken Loach als Regisseur, und wir verehren ihn als einen Menschen, der in seinen Filmen oft humorvoll gesellschaftliche Missstände widerspiegelt."
Als junger BBC-Regisseur erregte er 1966 mit "Cathy Come Home" beispielloses Aufsehen. Das halbdokumentarische Drama handelt von einer jungen Arbeiterfamilie, die in die Obdachlosigkeit abgleitet und von staatlichen Behörden auseinandergerissen wird. Zwölf Millionen Zuschauer, ein Viertel der britischen Bevölkerung, sahen den Film bei seiner Erstausstrahlung. Die Flut der Anrufer, die ihre Hilfe anboten, führte zum Zusammenbruch der BBC-Telefonleitungen; als so wirklichkeitsnah wurde das Dokudrama empfunden. Der soziale Wohnungsbau war danach jahrelang ein wichtiges Anliegen auf der politischen Agenda des Landes. Bis heute gilt "Cathy Come Home" als einer der einflussreichsten Filme der Fernsehgeschichte.
Die Leidenschaft, sich in eindringlichen Geschichten dem alltäglichen Leben von Menschen zu widmen, wie auch den Mut, Kontroversen über die gesellschaftliche Wirklichkeit anzustoßen, beweist Ken Loach seitdem in wagemutigen Grenzgängen zwischen Dokumentarfilm und Fiktion, für die auch die gelegentliche Wahl von Laiendarstellern charakteristisch ist.
Bereits mit seinem zweiten Spielfilm "Kes" (1969) gelang Ken Loach der internationale Durchbruch. Die Geschichte von einem fantasiebegabten Jungen und seinem Turmfalken gilt als Schlüsselfilm des europäischen realistischen Kinos. Danach drehte er zunächst vor allem TV-Filme, darunter "The Gamekeeper" (1979) über einen Wildhüter, der in einen Interessenkonflikt zwischen dem Großgrundbesitzer und den Dorfbewohnern gerät.
Der Spielfilm "Raining Stones" (1993), angesiedelt in der Umgebung von Manchester, erzählt von einem höchst vitalen Überlebenskünstler, der als arbeitsloser Vater um Würde kämpft und nichts unversucht lässt, um für seine Tochter ein Erstkommunionskleid zu kaufen. Zu den engagierten Spielfilmen, die unter den Vorzeichen wie auch den Nachwirkungen der Ära Margaret Thatcher stehen, gehört auch "Ladybird Ladybird" (1994) über eine Frau und Mutter, die unter der Gewalt derer zu leiden hat, die ihr eigentlich helfen sollten. "My Name is Joe" ("Mein Name ist Joe", 1998) erzählt die dramatische Liebesgeschichte zwischen einem vorbestraften Sozialhilfeempfänger und einer Sozialarbeiterin. In "The Navigators" ("The Navigators - Geschichten von den Gleisen", 2001) fordert die Privatisierung der British Rail die Solidarität der Eisenbahnarbeiter heraus. "Land and Freedom" (1995) führt in die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges und deutet zugleich Parallelen zum Großbritannien der Gegenwart an.
Und Ken Loach versteht es immer wieder, mit seinem Œuvre zu überraschen. So mit der Geschichte von der Entwicklung eines Jugendlichen zu einem rücksichtslosen Drogendealer in "Sweet Sixteen" (2002) oder der Komödie über einen arbeitslosen Postboten und einen Ex-Fußballstar in "Looking for Eric" (2009).
Ken Loach wurde vielfach ausgezeichnet. Auch im Wettbewerb der Berlinale und in der Sonderreihe Berlinale Special war er mehrfach vertreten, zuletzt im Jahr 2013 mit "The Spirit of '45".
Die Berlinale ehrt Ken Loach für sein außergewöhnliches Schaffen mit dem Goldenen Ehrenbären. Anlässlich der Preisverleihung wird "Raining Stones" (1993) aufgeführt. Im Rahmen der Hommage an Ken Loach zeigen die 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin eine Auswahl von zehn Filmen.
Dieter Kosslick und Rainer Rother freuen sich, dass die traditionsreiche Uhrenmanufaktur Glashütte Original, Co-Partner der Berlinale seit 2011, sich erstmals auch als Sektionspartner der Hommage und der Retrospektive 2014 engagiert.
Filme der Hommage:
"Cathy Come Home" (TV-Film, Großbritannien 1966)
"Kes" (Großbritannien 1969)
"The Gamekeeper" (TV-Film, Großbritannien 1980)
"Raining Stones" (Großbritannien 1993)
"Ladybird Ladybird" (Großbritannien 1994)
"Land and Freedom" (Großbritannien / Spanien / Deutschland 1995)
"My Name is Joe" ("Mein Name ist Joe", Großbritannien / Deutschland / Spanien 1998)
"The Navigators" ("The Navigators - Geschichten von den Gleisen", Großbritannien / Deutschland / Spanien 2001)
"Sweet Sixteen" (Großbritannien / Deutschland / Spanien 2002)
"Looking for Eric" (Großbritannien / Frankreich / Italien / Belgien / Spanien 2009)
Quelle: www.berlinale.de