Die Preisträger der 70. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen

Gestern wurden die Preise der 70. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen im Oberhausener Lichtburg Filmpalast verliehen. In vier Wettbewerben wurden 20 Preise und zahlreiche Lobende Erwähnungen vergeben. Die drei Auszeichnungen des MuVi-Preises wurden schon am Samstag, 4. Mai, verliehen. Insgesamt vergaben die Kurzfilmtage rund 43.000 Euro an Preisgeldern.

 

Internationaler Wettbewerb

Der mit 8.000 Euro dotierte Große Preis der Stadt Oberhausen, verliehen im Internationalen Wettbewerb, ging in diesem Jahr an den chinesischen Regisseur Wang Zhiyi für seinen Film "Chūn Èr shí sān" (Spring 23), die Geschichte eines jungen Mannes, der nach der Beerdigung seiner Eltern versucht, Feuerwerkskörper für das Frühlingsfest 2023 zu kaufen, bei dem Feuerwerk verboten ist. "Für die Fähigkeit, gleichzeitig humanistisch und subtil politisch zu sein, für die präzise Kameraarbeit und Schnitt, für die Mischung aus Tragödie und Humor", so die Begründung der Internationalen Jury. Auch die Fipresci-Jury der internationalen Filmkritik vergab ihren Preis an diesen Film.

Der Hauptpreis der Internationalen Jury, dotiert mit 4.000 Euro, ging an "The Many Interrupted Dreams of Mr. Hemmady" des indischen Filmemachers Amit Dutta, in dem der Filmemacher eine Sammlung von Streichholzschachteln zum Ausgangspunkt und Miniportal zu einer Traumwelt macht. "Eine eigene Art geisterhafter Animationsmagie. Für den Filmemacher wird Kino zu einer Reise durch Kultur, Musik und Schönheit", schrieb die Jury in ihrer Begründung.

Die Jury des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW vergab ihren mit 5.000 Euro dotierten Hauptpreis an die schwedische Produktion "On Hospitality – Layla al Attar and Hotel al Rasheed" von Magnus Bärtås und Behzad Khosravi-Noori, in dem die irakische Künstlerin Layla Al-Attar von den Toten zurückkehrt, um die Geschichte zu erzählen, wie ein schwedisches Unternehmen im Auftrag von Saddam Hussein in Bagdad ein luxuriöses Hotel für das Gipfeltreffen der Bewegung der Blockfreien Staaten 1983 baute. "Eine Stimme aus dem Jenseits und Schritte auf den Intarsien der Ideologie führen in ein erzählerisches Prisma, das es uns erlaubt, die Komplexitäten unserer Gegenwart und Untiefen der Macht verstehen zu lernen", so die Begründung der Jury.

Deutscher Wettbewerb

Im Deutschen Wettbewerb ging der mit 5.000 Euro dotierte Hauptpreis an Agnieszka Jurek für "Vermessung der Tristesse", ein Essayfilm, in dem die Filmemacherin Erinnerungen, Archivaufnahmen, Träume und schmerzliche Realität mischt. "Ein Moment und dann noch ein Moment, Sensationen, die wie Inseln im Lauf der Zeit liegen", schrieb die Jury in ihrer Begründung.

Den 3sat Nachwuchspreis im Deutschen Wettbewerb, dotiert mit 2.500 Euro, gewann Marian Mayland für "Outside". Ein Kurator, ein Archivar, eine Galeristin und eine Angehörige beschreiben in diesem Film ihr Verhältnis zu einer Künstlerin, die sich mit einer erfundenen Biografie als Holocaust-Opfer ausgegeben hat. "Der Fall der Künstlerin, die vorgab, Opfer des NS-Regimes zu sein, kehrt jetzt in neuer Bearbeitung zurück. Wir sind der Meinung: Der Diskurs, den diese Geschichte auslöst, soll die Möglichkeit bekommen, im Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens fortgesetzt zu werden", so die Jurybegründung.

NRW-Wettbewerb

Im NRW-Wettbewerb ging der mit 1.000 Euro dotierte erste Preis an den Spielfilm "Bei Gino" von Christoph Otto. "Eine ziellose Nacht in einer Kölner Bar. Neue und alte Bekanntschaften, Anekdoten und viel Wein begleiten die Protagonistin bei ihrer Suche nach etwas Unbestimmtem. Dabei sucht auch die Kamera nach ihren Bildern und entfaltet dabei mit feinem Humor einen sozialen Bezugsraum", so die Begründung der Jury.

Kinder- und Jugendfilmwettbewerb

Die Kinderjury zeichnete im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb die französische Animation "Frite sans maillot" (Die nackte Poolnudel) von Matteo Salanave Piazza mit ihrem mit 1.000 Euro dotierten Preis, gestiftet von der WBO Oberhausen, aus. Ein kleiner Junge merkt kurz vor dem Schwimmunterricht, dass er seine Badehose vergessen hat und muss schnell eine Lösung finden. Der ebenfalls mit 1.000 Euro dotierte Preis der Jugendjury, gestiftet von Rotary Club Oberhausen, ging an die amerikanische Produktion "Beyond Farewell" von Jackie Shijie Xing, in dem eine KI-Ingenieurin die Trauer um ihre verstorbene Freundin mit Arbeit bekämpft, bis sie zu ihrer Überraschung die Verstorbene durch eine neue AR-Brille sieht.

Außerdem stehen die Gewinner des 26. MuVi-Preises fest:

Zehn deutsche Musikvideo-Produktionen wurden aus über 230 Einreichungen für den 26. MuVi-Preis der Kurzfilmtage ausgewählt. Zwei Jurypreise und ein Publikumspreis im Gesamtwert von 3.500 Euro wurden am 4. Mai 2024 verliehen.

Die Jury:
Anne Haffmans, Geschäftsführerin Domino Recording Company Deutschland GmbH, Deutschland
Benjamin Moldenhauer, Journalist, Deutschland
Shahrzad Eden Osterer, Journalistin, Deutschland

1. Preis
dotiert mit 2.000 Euro

"Schleim des Nichtwissens (Back To Comm)"
Marc Richter
Deutschland 2024, Länge 5'36'', Farbe

Begründung:
Diesen Preisträger hatten wir zuerst nicht auf der Shortlist. Aber der Clip wächst mit jedem Sehen. In den detailreichen Bildern finden opulente Kostüme, Hieronymus-Bosch-artige Tableaus und KI-Ästhetik zusammen. Nicht nur die Hände der Figuren, die in diesen Tableaus apathisch auftauchen, sind deformiert, sondern fast alle ihre Körperteile. Die Menschheit ist hier weitgehend am Ende. Es bleiben Chemikalien, Mutationen, Pilze und freigelegte Gehirne. Eine hybride Freakshow, in der Zerstörtheit, Beklemmung und Schönheit sich durchdringen. Der Eindruck von Schönheit wird verstärkt durch die meditative Ruhe der Musik. Das Abartige wird gefeiert und verliert seinen Schrecken. Hinzu kommt, dass der Clip der einzige ist, bei dem Musik und Bild von einer Person gestaltet worden sind – die hier in den Bildern etwas ästhetisch wirklich Neues entwickelt hat.

2. Preis
dotiert mit 1.000 Euro

"Das Parlament der Dinge (F.S.K.)"
Juno Melián Meinecke
Deutschland 2023, Länge 3'40'', Farbe/schwarzweiß

Begründung:
Im Video der zweiten Preisträgerin liegen Bildästhetik, Tonalität der Musik und der Songtext nah beieinander. Es gibt keine Ton-/Bildschere: Wir hören ein Wort wie zum Beispiel das Wort Besen und sehen eine Zeichnung von einem Besen. Die Sängerin singt das Wort Sofa und wir sehen ein Sofa. Die Ästhetik der Bilder wirkt alt – Super 8, VHS, Samples aus alten Filmen –, aber nicht antiquiert. Beides, Klang und Bild, wirken virtuos-dilettantisch. Uns hat besonders gut gefallen, wie die Kinderzeichnungen Text und Musik nicht einfach verdoppeln, sondern beidem weitere Ebenen hinzufügen. Die Dinge und Kinderzeichnungen machen Spaß, der Clip ist bedeutungsoffen und von einer großen Freude an der Warengesellschaft bestimmt. Am Ende aber ist alles explodiert, und Hammer und Sichel applaudieren.

Lobende Erwähnung

"Google Your New Name (Golden Diskó Ship)"
Paula Reissig
Deutschland 2023, Länge 3'25'', Farbe

Begründung:
Unsere sehr und aus vollem Herzen lobende Erwähnung geht an einen Clip, der prekär gewordene Privaträume entwirft. Das klingt erst einmal etwas abstrakt, springt einem beim Sehen aber unmittelbar an: Ein Wohnzimmer wird von einer Quecksilber-artigen Flüssigkeit geflutet, Doppelgänger tauchen auf, und der eigentlich geschützte Raum des Privaten wird mehr und mehr vergiftet. Die Regisseurin Paula Reissig ist u.a. Computerspiel-Designerin und hat ein Szenario des Unheimlichen entworfen, das mit der Musik von Golden Diskó Ship wunderbar zusammenfindet. Und das, obwohl sie, die Musik, nach vorne geht, während die Bilder einen seelischen Ausnahmezustand in Szene setzen.

MuVi Online-Publikumspreis
ermittelt durch Abstimmung auf www.muvipreis.de und dotiert mit 500 Euro

"Das Parlament der Dinge (F.S.K.)"
Juno Melián Meinecke
Deutschland 2023, Länge 3‘40‘‘, Farbe/schwarzweiß

Die MuVi-Partner 2024
3sat
Byte.FM
kaput – Magazin für Insolvenz & Pop
kultur.west
netpoint media

Die Preisverleihung der MuVi-Preise fand am Samstag, 4. Mai 2024, um 22 Uhr im Lichtburg Filmpalast, Elsässer Str. 26, 46045 Oberhausen, statt.

Die vollständige Liste aller preisgekrönten Filme kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Eine Auswahl preisgekrönter Filme zeigen die Kurzfilmtage am Montag, 6. Mai 2024, um 17 Uhr im Oberhausener Lichtburg Filmpalast.

Von Montag, 6. Mai, 20 Uhr, bis Dienstag, 7. Mai, 20 Uhr, stehen alle preisgekrönten Filme online auf www.kurzfilmtage.de, der Zugang ist mit Registrierung frei.

Quelle: www.kurzfilmtage.de