Liebesleben

Deutschland Israel 2005-2007 Spielfilm

Inhalt

Das Regiedebüt der Schauspielerin Maria Schrader erzählt von einer Frau namens Jara, deren Leben bislang in wohlgeordneten Bahnen verlief: Sie hat einen sympathischen Ehemann, blickt einer viel versprechenden Karriere an der Universität entgegen und muss sich auch keinerlei materielle Sorgen machen. Dann aber lernt sie eines Tages den viel älteren Arie kennen, einen Freund ihres Vaters. Sehr schnell verfällt Jara der erotischen Anziehungskraft des faszinierenden und geheimnisvollen Mannes. Sie lässt sich auf eine "amour fou" mit Arie ein, die ihre bisherige Existenz vollkommen aus der Bahn zu werfen droht. Zugleich realisiert Jara, dass ihre Eltern seit vielen Jahren ein Geheimnis hüten, zu dem Arie der Schlüssel zu sein scheint.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Eine junge Frau hängt bunte Bänder an kahle Zweige von Sträuchern und kleinen Olivenbäumen – hoch über Jerusalem. Jara (der israelische Shooting-Star Netta Garti in ihrer zweiten Leinwand-Rolle) richtet ihrem Vater Leon ein Picknick in idyllischer Natur zu seinem 60. Geburtstag aus. Starker Wind kommt auf, die Bänder lösen sich, Petit Fours werden von der festlich gedeckten Tafel geweht. Und im Hintergrund eine bedrohliche Geräuschkulisse: Sirenen von Feuerwehr-, Kranken- oder Polizeifahrzeugen. So genau ist das in der israelischen Metropole nicht auszumachen. Ein neuer Palästinenser-Anschlag? Jedenfalls erscheinen weder das Geburtstagskind noch seine Gattin Hannah. Voller Sorge bricht Jara alle Zelte ab und eilt ins elterliche Haus. An der Tür öffnet ihr ein fremder Mann...

So spannend und gleichzeitig mysteriös beginnt „Liebesleben“, das fulminante Regiedebüt der Schauspielerin Maria Schrader, ein begeisterndes und ob seiner Bedingungslosigkeit zugleich verstörendes Porträt einer so leidenschaftlichen wie obsessiven Amour fou nach dem gleichnamigen Bestseller der israelischen Autorin Zeruya Shalev. Jara ist Bibelwissenschaftlerin mit guten Aussichten auf eine Karriere an der Uni. Professor Ross hätte sie gern als seine Assistentin, aber es fehlt immer noch ein Thema für ihre Magisterarbeit. Und die Zeit drängt: Kann sich Jara nicht entscheiden, kommt ihre beste Freundin Shira zum Zug.

Jaras Leben scheint auch sonst in ruhigen Bahnen vorgezeichnet. Sie führt nebenbei Touristen zu den Heiligen Stätten Jerusalems und ist seit wenigen Jahren mit Joni verheiratet, mit dem sie seit kurzem eine neue Wohnung bezogen hat. Dennoch stellt die Begegnung mit dem fremden, bei weitem älteren Mann an der elterlichen Haustür, der sich als Arie, ein alter Studienfreund ihres Vaters, entpuppt, Jaras bisheriges Leben auf den Kopf. Obwohl es warnende Anzeichen gibt, dreht sich künftig alles nur noch um den Fremden, der seit Jaras Geburt in Paris gelebt hat und nun, nach fast 30 Jahren, plötzlich wieder aufgetaucht ist. Angeblich, weil sich seine Gattin Josephine in einer Klinik einer schweren Behandlung unterziehen muss. Doch: Warum weigert sich Jaras Mutter Hannah, Arie zu begegnen. Und warum ist ihr Vater so nervös?

Nachdem Jara in der Wohnung ihrer verreisten Freundin Shira die Blumen gegossen und die Katze versorgt hat, sieht sie den geheimnisvollen Fremden auf der Straße – und folgt ihm. Was besagter Schmusekatze das Leben kostet (Maria Schraders platte Tier-Symbolik, zu der auch ein in der Grabeskirche verzweifelt umherflatternder Vogel gehört, der am Ende den richtigen Aus-Weg findet, sei der Newcomerin verziehen). Sie folgt Arie bis in die Umkleidekabine einer Boutique, wo sie statt ihres neuen aufreizend roten Kleides seine ablegte Hose anzieht.

Jara ist fasziniert von seinem spöttischen Hochmut, seiner eleganten Eitelkeit, seinem offen artikulierten Zynismus ebenso wie von seiner bisweilen geradezu väterlich-verständnisvollen Art. Ihre romantischen Gefühle erwidert der emotional völlig ausgebrannte, schamlose Sechziger mit schnellem, kaltem Sex im Flur seiner hochherrschaftlichen Villa. Nach dem sich die Dreißigjährige von ihm achtkantig herausschmeißen lässt. Widerstandslos, nur zornig. Was die offenbar dem Liebeswahn verfallene Jara nicht davon abhält, seiner Einladung zu einer Fahrt in die kleine Hafenstadt Akko zu folgen. Wo er dieser Demütigung einen wahren Alptraum folgen lässt: Arie vergreift sich zusammen mit Nathan, einem alten Kumpel, in dessen Hotel am Meer zu zweit an ihr.

„Das ist gut für dich“: Schneller Fick im Stehen, Geronto-Vergewaltigung ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Gibt es neben den bekannten Altmänner- nun auch Jungfrauenphantasien, die bis zur Perversion reichen? Am Ende muss es Mama richten – und den Versuch übernehmen, das Leben ihrer Tochter aufzuräumen. Die scheint nun immerhin ein Thema für ihre Magisterarbeit gefunden zu haben...

„Liebesleben“, uraufgeführt am 23. Oktober 2007 auf dem Int. Filmfestival Rom, erzählt eine schon recht gewöhnungsbedürftige Amour fou vor dem Hintergrund einer – letztlich – sehr gewöhnlichen Familiengeschichte um Liebe, Leidenschaft und Zeugungsfähigkeit. Beklemmend, und schon gar vor dem Hintergrund des Schauplatzes des Geschehens inmitten der arabischen Welt, ist die Behauptung einer – vor allem auch emotionalen - Befreiung einer Vater-Tochter durch bedingungslose sexuelle Unterwerfung. Bemerkenswert ist der Beitrag zweier Eidgenossen: Niki Reiser komponierte die Musik, Benedict Neuenfels, Sohn der Schauspielerin Elisabeth Trissenaar und des Theaterregisseurs Hans Neuenfels, steuerte opulente Bilder bei: Ganz-Nah-Einstellungen selbst intimster, ja auch Abscheu erregender menschlicher Entäußerungen und berückende Panorama-Perspektiven der Stadt Jerusalem noch im kitschigsten Sonnenuntergang.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 19.09.2005 - 21.12.2005: Israel, Köln
Länge:
3118 m, 114 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 21.11.2007, 111894, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (IT): Oktober 2007, Rom, IFF;
Erstaufführung (DE): 26.10.2007, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 08.11.2007;
Aufführung (DE): 29.01.2008, Saarbrücken, Max-Ophüls-Preis;
TV-Erstsendung (DE FR): 03.03.2010, Arte

Titel

  • Originaltitel (DE) Liebesleben
  • Originaltitel (IL) Haye ahavah
  • Weiterer Titel Love Life

Fassungen

Original

Länge:
3118 m, 114 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 21.11.2007, 111894, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (IT): Oktober 2007, Rom, IFF;
Erstaufführung (DE): 26.10.2007, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 08.11.2007;
Aufführung (DE): 29.01.2008, Saarbrücken, Max-Ophüls-Preis;
TV-Erstsendung (DE FR): 03.03.2010, Arte

Digitalisierte Fassung

Länge:
114 min
Format:
DCP, 1:2,39 (CinemaScope)
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:

Aufführung (DE): 25.10.2023, Hof, Internationale Filmtage

Auszeichnungen

Deutscher Filmpreis 2008
  • Lola, Beste Kamera
Bayerischer Filmpreis 2008
  • Beste Bildgestaltung
  • Beste Filmmusik