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Deutschland, 1938: Der Komiker Hans Zeisig macht sich bei seinen Auftritten auf respektlose Weise über Hitler und die Nazis lustig – und muss über Nacht aus Berlin fliehen, um sein Leben zu retten. Mit falschen Papieren will er es bis nach Hollywood schaffen, landet jedoch lediglich in Moskau, wo er im berüchtigten Exilantenhotel Lux unterkommt.
Das Haus ist zum Zufluchtsort von Kommunisten aus aller Welt geworden, vor allem aus Deutschland: Im Hotel Lux trifft Zeisig seinen einstigen Bühnenpartner Siggi Meyer und die niederländische Untergrundkämpferin Frida wieder, beide fest von den Segnungen des Kommunismus überzeugt.
Derweil glaubt der sowjetische Geheimdienst, in Zeisig den abtrünnigen Leibastrologen Adolf Hitlers im Visier zu haben. Gemeinsam mit Siggi und Frida wird er in die Intrigenspiele in Stalins Machtapparat hineingezogen – der Beginn eines aberwitzigen Abenteuers, bei dem es für die drei allerdings um Leben und Tod geht.
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So lakonisch beginnt Leander Haußmanns tragikomische Abenteuergeschichte eines naiven, aber respektlosen Helden wider Willen und seines kongenialen Bühnenpartners, des jüdischen Parodisten Siggi Meyer, die vom „Hotel Lux“ zunächst wieder zurück ins Berlin der beginnenden 1930er Jahre führt, als beide mit ihrer Hitler- und Stalin-Nummer die Stars der hauptstädtischen Kabarett-Szene waren, umjubelt von den Roten wie von den Schwarz-Braunen.
Hans und Siggi schlagen sich prächtig auf den Brettl-Brettern, während sich die Anhänger der von ihnen verkörperten Weltgeschichts-Figuren draußen auf der Straße blutige Schlachten liefern. Drohen die „Braunen“ im Kabarett-Publikum die Oberhand zu gewinnen, tritt der jüdische Direktor Goldberg unter seinem Pseudonym Valetti selbst auf – als schauderhafte Karikatur eines Schacher-Juden.
Während Hans die Zeichen der aufkommenden Nazi-Diktatur ignoriert, tritt Siggi bewusst den Kommunisten bei, um ein Zeichen zu setzen, sich zu engagieren. Im Kostümbildner hat die KPD einen Verbindungsmann backstage, der sich zu hüten weiß vor dem als Nazi-Spitzel bekannten Schauspieler Hubert Kessel. Und Siggi falsche Papiere besorgt, damit er zusammen mit der so schönen wie scharfzüngigen holländischen Genossin Frida von Oorten in den Untergrund abtauchen kann.
„Die Menschen verschwinden wie der Humor – und die Rollen werden neu verteilt“: Was die Spatzen von den Dächern pfeifen, die bevorstehende Machtergreifung der Nationalsozialisten und damit verbunden ein Blutbad unter ihren politischen Gegnern, hat Hans Zeisig immer noch nicht kapiert: „Nach einem Jahr ist der Spuk vorbei.“ Zeisig will beim neuen Medium Film anheuern, träumt von einer großen Karriere jenseits des Großen Teichs, vorerst aber soll er, hier steht Veit Harlans Machwerk „Jud Süß“ Pate, in einer Ufa-Produktion einen Schacherjuden verkörpern. Was selbst diesem eleganten, ichbezogenen Lebemann gegen den Strich geht – und ihn so im Hotel Lux landen lässt.
Wo er auch ohne zusätzlichen Passierschein aufgenommen wird, denn Nikolai Jeschow, nur „der blutdrünstige Zwerg“ genannt, hält Hans für Hitlers Astrologen. Als der echte Jan Hansen auftaucht, ist alles zu spät: Längst hat sich Hans nicht nur die Sympathien, sondern auch das Vertrauen Josef Stalins erworben, was hier im „Lux“ kein zweiter von sich behaupten kann, und die NKWD-Leute schon gar nicht. Zeisig lernt schnell russisch, was Stalins Übersetzer das Leben rettet: Vor seinem eigenen Geheimdienst hat der mächtigste Mann Russlands am meisten Angst.
Eine muntere Ménage à trois beginnt, als Hans auf den unendlichen Fluren des „Lux“ auf seinen Bühnenpartner Siggi und dessen „Schleuserin“ Frida, die sich jetzt Clara nennt, trifft: Es geht ums nackte Überleben unter den kritischen Augen der „Hundertzehnprozentigen“ wie Johannes R. Becher, Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht und seiner späteren Gattin Lotte Kühn, der späteren SED-Elite in der DDR, sowie Kurt Funk, der später im Westen als Recklinghäuser Bundestagsabgeordneter Herbert Wehner eine steile SPD-Karriere machen sollte.
Nur Georgi Dimitroff lässt sich von den immer neuen Volten stalinistischer Säuberungsaktionen nicht beeindrucken und hilft dem Trio, als ausgerechnet Wassili Ulrich, genannt „der Henker“, die wahre Identität Zeisigs offenbart. Hans spielt nun im wahren Wortsinn um sein Leben, doch da Genosse Stalin sich nicht irren kann, muss der echte Hansen sein Leben lassen, während der inzwischen ordensbedeckte falsche fest im Sattel sitzt. Und bald auch noch, die Marx-Brothers lassen grüßen, im Flugzeug...
Die bis in kleinste Episodenrollen brillant besetzte, durchweg mit ironischem Unterton erzählte Komödie, deren Story frei erfunden ist vor der Folie tatsächlichen Geschehens, hat nichts Tragisches an sich hat außer der wahren, blutigen Geschichte des Komintern-Terrors am historischen Ort. „Hotel Lux“, am 19. August 2013 auf Arte erstausgestrahlt, wird getragen von den flotten Sprüchen des Ich-Erzählers Michael „Bully“ Herbig, von kabarettreifen szenischen Petitessen (Ulbricht und Lotte errichten eine Mauer aus Zuckerwürfeln) und von in ihrer Mehrzahl hintergründig-witzigen filmgeschichtlichen Anspielungen – von Charlie Chaplins „Der große Diktator“ bis hin zu Ernst Lubitschs „Sein oder Nichtsein“. Dennoch hinterlässt Leander Haußmanns Film zwiespältige Gefühle: Kann man so unernst-satirisch mit todernsten historischen Geschehnissen umgehen? Einerseits. Andererseits bringt Haußmann die Perfidität kommunistischer Säuberungen im Hotel Lux, die ja paradigmatisch steht für ein System der Unterdrückung bis zum Fall der Mauer, auch einem nur auf Unterhaltung gebürstetem Publikum nahe.
Naturgemäß konnte nicht in Moskau gedreht werden, so mutierte das Haus Cumberland am Berliner Kurfürstendamm, 1911 vom „Adlon“-Architekten Robert Leibnitz entworfen und im Jahr darauf im prachtvollstem Jugendstil erbaut, zum Hotel Lux. Der mondäne Bau mit Festsälen und Badeanstalt unter dem Dach war bis zum 1. Weltkrieg ein Luxushotel. Zuletzt Sitz der Berliner Oberfinanzdirektion ist unmittelbar nach „Lux“-Drehschluss mit dem Umbau zu einem Luxusappartement-Haus begonnen worden. Das Variete Valetti, in dem Hans Zeisig und Siggi Meyer einst für ihre Stalin- und Hitler-Parodien gefeiert wurden, lag übrigens nur ein paar Steinwürfe entfernt vom Cumberland im guten alten Westen der Hauptstadt.
Pitt Herrmann