Inhalt
Berlin 1943. Die Stadt ist von den Nazis als "judenfrei" eingestuft worden: Sämtliche Berliner Juden wurden ermordet oder in die Vernichtungslager deportiert. Tatsächlich aber halten sich noch 7000 Juden in Berlin auf. Auf unterschiedliche Weise versuchen sie, den Alltag zu meistern und der Entdeckung zu entgehen. Viele verstecken sich, andere gehen in den Untergrund, wieder andere tarnen sich als "Arier". Da ist Cioma, der sich mit dem Fälschen von Pässen über Wasser hält; Hanni, die ihre Haare blond färbt und hofft, nicht weiter aufzufallen. Eugen wiederum hat bei einer Familie Unterschlupf gefunden und versteckt sich bei drohender Gefahr im Kleiderschrank. Nachts nimmt er an Aktionen des Widerstands teil. Die Jüdin Ruth konnte sich als trauernde Kriegswitwe tarnen und arbeitet nun als Dienstmagd – bei einem NS-Offizier.
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Doch spätestens Anfang 1943 werden die letzten jüdischen (Zwangs-) Arbeiter verhaftet und wie Vieh in die Konzentrationslager transportiert. Im Februar des Jahres erklärt das Nazi-Regime die Reichshauptstadt für „judenrein”. Auch Eugen Friede ist gezwungen, zu „flitzen“, also unterzutauchen. Er hat Glück im Unglück, erlebt mit der Tochter Ruth seiner hilfsbereiten Gastgeberfamilie Horn sogar fast so etwas wie eine Liebesgeschichte.
Aber auch Eugen muss – wie alle „Unsichtbaren“ – bald weiterziehen: kaum ein Versteck ist auf Dauer sicher. Es laufen zu viele Denunzianten herum, sogar jüdische wie die schöne, von Nazi-Chargen umschwärmte Stella Goldschlag, die viele ans Messer liefert in der Hoffnung, so selbst davonzukommen. Nur bei einem, den sie von früher kennt, drückt sie ein Auge zu: Cioma Schönhaus.
Während sich Eugen Friede einer kleinen, geradezu todesmutigen Widerstandsgruppe um Hans Winkler (Andreas Schmidt in seiner letzten Rolle) und den aus Theresienstadt geflüchteten Werner Scharff anschließt, die mühsam vervielfältigte Flugblätter gegen den Nazi-Terror verteilt, nimmt Cioma Schönhaus eine andere Identität an. Der Grafiker fälscht in einer Werkstatt, die zur afghanischen Botschaft gehört und daher nicht kontrolliert wird, Pässe und rettet zusammen mit seinem Freund Ludwig Lichtwitz und dem Elektriker Werner Scharff Dutzenden jüdischen Verfolgten das Leben. Dank seines regelmäßigen Einkommens, ein gewisser Dr. Frank Kaufmann und seine Lebensgefährtin Helene Jacobs sind seine größten Abnehmer, schafft es Cioma sogar, sich ein Stück Normalität in Form von Segelausflügen oder Restaurantbesuchen zurückzuerobern.
Hanni Lévy ist Vollwaise und gerade 17 geworden. Sie muss sich allein durchschlagen und entkommt nur knapp der Verhaftung – weil sie einfach nicht öffnet, als die Gestapo an ihre Tür klopft. Dank ihrer blondierten Haare macht sie sich für ihre Verfolger unsichtbar, sie mischt sich unter die vielen Flaneure am Kurfürstendamm und ergreift oft die Gelegenheit, in dunklen Kinosälen abzutauchen. Was freilich nicht ohne ist: Sie muss sich immer wieder den Zudringlichkeiten junger Wehrmachtssoldaten erwehren. Bis Frau Kolzer, die Kino-Kassiererin, auf ihren Stammgast aufmerksam wird – und Hanni bis Kriegsende bei sich versteckt.
Ruth Arndt träumt zusammen mit ihrer Freundin Ellen Lewinsky von einem Leben in Amerika. Beide sind auf Vermittlung der unscheinbaren und im Grunde unpolitischen Frau Gehre, die schon Ruths Eltern in ihrer Küchenkammer versteckt hat, bei einer Freundin, Frau Liebhold (Irene Rindje), untergekommen. Die beiden attraktiven jungen Frauen haben die Chuzpe, sich als trauernde Kriegswitwen zu tarnen und servieren in der Wohnung des NS-Offiziers Oberst Wehlen bei geheimen Treffen Schwarzmarkt-Delikatessen...
Alle diese „Unsichtbaren“ leben Tag für Tag mit dem Bewusstsein, jederzeit verhaftet und deportiert werden zu können. Auch, weil mit zunehmender Bombardierung durch die Alliierten immer mehr Wohnraum für Bombenopfer requiriert wird. Ihr unbändiger Lebenswille, Erfindungsreichtum und nicht zuletzt die Hilfsbereitschaft ihrer zumeist christlichen deutschen Nachbarn geben ihnen die Hoffnung, es vielleicht doch bis zum Kriegsende schaffen zu können. Zumindest, das sei verraten, weil diese Szene zu den emotionalsten des Films gehört, ist es zweien gelungen: Jochen Arndt und Bruno Gumpel erleben die Befreiung in einem Luftschutzkeller – und können sich gegenüber den angesichts ihrer Jugend skeptischen GIs als untergetauchte Juden ausweisen, indem sie mit dem deutschstämmigen US-Army-Offizier das Kaddisch beten.
Ja, „Die Unsichtbaren“ ist ein Film, der auch an die Nieren geht. Aber er ist das genaue Gegenteil melodramatischer Hollywood-Produktionen: Zwischen den erschreckenden, aber immer wieder auch heiteren und in jedem Fall spannenden Spielfilmszenen mischt Claus Räfle Interviews mit vier Überlebenden, der in Paris lebenden Hanni Levy, der bis zu ihrem Tod 2012 in San Francisco glücklichen Ruth Gumpel geb. Arndt, dem bis zu seinem Tod 2015 in der Schweiz wohnenden Cioma Schönhaus und dem in Frankfurt/Main lebenden Eugen Friede – den realen Vorbildern der Filmfiguren.
Das hybride Doku-Drama ist am 8. Oktober 2017 beim 25. Filmfest Hamburg uraufgeführt und am 16. Januar 2019 in der ARD erstausgestrahlt worden.
Pitt Herrmann