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Adaption der französischen Komödie "Le Brio" von 2018: Der Frankfurter Jura-Professor Richard Pohl ist an der Uni bereits mehrfach durch grenzwertige Äußerungen negativ aufgefallen. Bislang hatte dies nie schärfere Konsequenzen. Doch als er nun die Studentin Naima mit sexistischen und rassistischen Seitenhieben diskriminiert, wird er gefilmt. Das Video sorgt nicht nur im Internet für Furore, auch die Uni-Leitung gerät in Zugzwang. Also wird Pohl dazu verdonnert, Naima auf einen wichtigen Debattierwettbewerb vorzubereiten. Als ihr Coach und Mentor könnte er Reue zeigen, sein Image beim Disziplinarausschuss aufpolieren und einer Entlassung entgehen. Zähneknirschend lässt Pohl sich darauf ein. Naima und er könnten zwar kaum gegensätzlicher sein, aber nach anfänglichen Konflikten raufen die beiden sich zusammen und werden ein verblüffend starkes Team.
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Die Hamids müssen ihren Lebensunterhalt selbst aufbringen, da sie nur Bleiberecht genießen. Das durch ihren kleinkriminellen Bruder Junis immer wieder gefährdet wird. Der nach immer neuen Rückschlägen das Ziel einer regulären Berufsausbildung aufgegeben hat. Und darauf verweist, dass selbst seine kluge Schwester nur Absagen erhalten hat auf der Suche nach einem Praktikumsplatz. Auch an diesem für sie so wichtigen Tag lässt er Naima im Stich. Weil Junis nicht auf den jüngsten Bruder Abu aufpassen will, muss sie diesen erst zur Großmutter bringen und betritt prompt fünf Minuten zu spät den vollbesetzten Hörsaal der Goethe-Universität. Was den arroganten Professor zu spitzen Bemerkungen veranlasst, die in diesen unseren Tagen aus dem Mund eines alten weißen Mannes als rassistisch ausgelegt werden: Von Kommilitonen ins Internet gestellt, geht das Video seiner harschen verbalen Attacke viral.
300.000 Klicks schon nach kurzer Zeit kann der Präsident der Universität, Professor Alexander Lambrecht, nicht ignorieren. Bis zur Entscheidung des Disziplinarausschusses bleiben nur wenige Wochen Zeit, um nach dem Shitstorm die Suspendierung seines alten Freundes abzuwenden. Er schlägt Pohl einen Deal vor: Bereitet er Naima erfolgreich auf einen bundesweiten interuniversitären Debattierwettbewerb vor, dessen Finale in der Mainmetropole stattfindet, könnte dieser durch den vermeintlich selbstlosen Einsatz seinen Ruf und seine Karriere retten. Die Studentin lässt sich nach langem Hin und Her von Mo überzeugen, das Angebot dieses „Arschlochs“ von Lehrmeister anzunehmen: einen Besseren werde sie für das eigene Weiterkommen nicht finden.
Aristoteles, Cicero und Schopenhauer, die Götter der Rhetorik, bestimmen fortan jede freie Minute eines bis an die physische und psychische Grenze fordernden Alltags, denn Naima muss sich weiterhin um die Familie kümmern, Aushilfsjobs annehmen und sogar für Junis in den frühen Morgenstunden Zeitungen austragen, weil dieser wieder Mist gebaut hat und verhaftet worden ist. Professor Pohl, der ihr deutlich gemacht hat, dass eine Migrantin in Deutschland niemals den Anwaltsberuf ergreifen kann, wenn sie nicht aus ihrer Opferrolle ausbricht, stärkt das Selbstbewusstsein seines Schützlings mit ungewöhnlichen Methoden wie einer öffentlichen „Faust I“-Rezension vor der Alten Oper oder einer Video-Debatte in der Glyptothek vor einer Putzfrau.
Nach dem noch mit aller Not überstandenen Vorentscheid wird Naima immer besser darin, nicht nur argumentativ („Ist der Islam eine gefährliche Religion?“), sondern auch mit den erlernten rhetorischen Kunstgriffen die Kontrahenten in den weiteren Stationen Heidelberg, Leipzig, Berlin und Köln zu schlagen. Bei den langen Zugfahrten kommen sich Professor und Studentin auch menschlich näher und Naima erfährt, warum aus dem berühmten Strafverteidiger ein zwar fachlich brillanter, aber äußerst überheblicher, ja zynischer Chauvinist geworden ist. Vor der Finalrunde in Frankfurt ist es erneut Mo, der Naima darin bestärkt, ihren Traum zu leben, obwohl er als Taxifahrer Angst vor dem sozialen Aufstieg seiner Freundin hat. Der im letzten Moment durch ihren Kommilitonen Benjamin gefährdet ist: Weil er es offenbar nicht verkraftet, dass sie seine Avancen zurückweist, steckt er Naima den Deal zwischen den befreundeten Professoren Pohl und Lambrecht…
Sönke Wortmann gilt seit seiner Leinwandadaption des Comics „Der bewegte Mann“ von Ralf König nicht nur als einer der erfolgreichsten deutschen Filmregisseure mit Schwerpunkt auf Roman-Verfilmungen, sondern nach dem Kammerspiel „Der Vorname“ auch als souveräner, wenn auch wenig eigenen Ehrgeiz entwickelnder Bearbeiter französischer Gesellschaftskomödien ins Deutsche. Nun ist mit „Contra“ eine weitere hinzugekommen, dessen Original „Le Brio“ von Yva Attal bei uns im Sommer 2018 unter dem Titel „Die brillante Mademoiselle Neïla“ in den Kinos lief. Die Relevanz des Themas ist beiderseits des Rheins hoch, der Drehort, die Frankfurter Universität in Hans Poelzigs denkmalgeschütztem IG-Farben-Haus aus den 1920er Jahren, mehr als nur eine großartige Location – und die beiden Protagonisten Nilam Farooq und Christoph Maria Herbst eine Klasse für sich. Nach der Uraufführung am 14. September 2020 zur Eröffnung der 20. Filmkunstmesse Leipzig erhielt „Contra“ den Publikumspreis der Gilde-Filmkunstkinos und für Nilam Farooq gabs den Bayerischen Filmpreis 2021 als beste Darstellerin. Nach dem Festivalstart am 1. Oktober 2020 in Zürich musste der Kinostart coronabedingt um ein Jahr verschoben werden.
Pitt Herrmann