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Alle Fotos (6)Biografie
Gert Voss, geboren am 10. Oktober 1941 in Shanghai, China, als Sohn eines Außenhandelskaufmanns, wuchs bis 1948 in Shanghai und anschließend in Deutschland auf, unter anderem in Hamburg, Köln und am Bodensee. Ein Studium der Germanistik und Anglistik in Tübingen brach er nach wenigen Semestern ab, um Schauspieler zu werden. Er nahm von 1964 bis 1966 Schauspielunterricht bei Ellen Mahlke und erhielt erste Theaterengagements unter anderem am Stadttheater Konstanz, am Münchener Residenztheater und Staatstheater Braunschweig. Der Intendant Hans-Peter Doll holte ihn schließlich ans Staatstheater Stuttgart (1972), wo er Claus Peymann kennen lernte, mit dem er 1979 ans Schauspielhaus Bochum wechselte. Dort sorgte er vor allem mit seiner Rolle des Hermann in der "Hermannsschlacht" (1982) für Aufsehen und wurde 1983 zum Berliner Theatertreffen eingeladen – die erste von insgesamt 20 Inszenierungen mit ihm, denen diese Ehre im Lauf der Jahre zuteil wurde.
1986 verließ Voss Bochum und ging, erneut mit Peymann, ans Wiener Burgtheater, dessen Ensemble er 26 Jahre lang angehörte. Er wirkte in zahlreichen, viel gerühmten Inszenierungen mit. Nicht zuletzt durch seine Interpretationen der großen Shakespeare-Rollen erlangte Voss Weltruhm. So spielte er unter anderem die Titelrollen in "Richard III." und "King Lear" sowie den Shylock im "Kaufmann von Venedig"; Thomas Bernhard widmete ihm und den Schauspielerinnen Kirsten Dene und Ilse Ritter 1986 sogar ein eigenes Stück namens "Ritter, Dene, Voss". Im komischen Fach brillierte Voss in Inszenierungen von "Die Sunshine Boys" und "Die Goldberg-Variationen". Zu den Regisseuren, mit denen er arbeitete, gehören unter anderen Peter Zadek, George Tabori, Luc Bondy, Andrea Breth und Thomas Ostermeier. Neben dem Burgtheater gab Voss Gastspiele am Berliner Ensemble, der Berliner Schaubühne und dem Theater an der Josefstadt.
Als Film- und Fernsehschauspieler war Gert Voss nur gelegentlich tätig, begeisterte aber auch hier stets die Kritik. In den 1980er und 90er Jahren wirkte er in einer Reihe von Theateraufzeichnungen fürs Fernsehen mit. 1994 gehörte er in der Nebenrolle eines Grafen zum Ensemble von Axel Cortis TV-Mehrteiler "Radetzkymarsch" (AT). Seine erste Hauptrolle in einem Spielfilm hatte er 1995 in Paulus Mankers "Der Kopf des Mohren" (AT), nach einem Drehbuch von Michael Haneke. In der grotesken Tragödie verkörperte Voss einen Wiener Ingenieur, der zusehends von paranoiden Wahnvorstellungen getrieben wird und sich vor der vermeintlichen Bedrohung durch die Außenwelt in seine Wiener Altbauwohnung flüchtet, die er zu einem Bauernhof umfunktioniert, um völlig autark zu sein.
Auch in Dominik Grafs schwarzhumoriger Satire "Dr. Knock" (1996, TV) spielte Voss einen kauzigen Charakter: Einen Landarzt, der die kerngesunden Bewohner seines Ortes davon überzeugen muss, dass sie in Wahrheit an diversen Krankheiten leiden. Unter der Regie von Marc Rothemund wirkte er in "Die Spur des Mädchenräubers" (1997) aus der Krimireihe "Anwalt Abel" mit, in der europäischen Co-Produktion "Balzac - Ein Leben voller Leidenschaft" (F/D/IT 1999, TV) sah man ihn als Victor Hugo an der Seite von Gérard Depardieu. Danach trat Voss erst 2009 wieder als Filmschauspieler vor die Kamera: In Sebastian Schippers "Mitte Ende August", einer freien Adaption von Goethes "Wahlverwandtschaften", verkörperte er den narzisstischen Vater von Marie Bäumers Hauptfigur. Helmut Dietl besetzte ihn kurz darauf in seiner Polit- und Mediensatire "Zettl" (2011) als verschwörerischen Leibarzt des Bundeskanzlers. Eine bedeutende Filmrolle hatte Voss noch einmal als Staatsanwalt Fritz Bauer in dem historischen Drama "Im Labyrinth des Schweigens" (2014), dessen Uraufführung er jedoch nicht mehr erlebte: Am 13. Juli 2014 starb er nach kurzer schwerer Krankheit in seiner Wahlheimat Wien.
Für seine Leistungen wurde Gert Voss im Lauf der Jahrzehnte vielfach ausgezeichnet: 1988 erhielt er den Gertrud-Eysoldt-Ring und die Kainz-Medaille, 1989 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, 1992 den Fritz-Kortner-Preis. Die London Times kürte ihn 1995 zum besten Schauspieler Europas, 1997 bekam er den Preis des Internationalen Theaterinstituts (ITI). 1998 folgte die Ernennung zum Kammerschauspieler, im Jahr 2000 der Nestroy-Preis. 2012 ehrte ihn die Konrad Adenauer Stiftung mit einer Hommage als bedeutendsten Schauspieler unserer Zeit. Für seine Verkörperung Fritz Bauers in "Im Labyrinth des Schweigens" wurde Gert Voss 2015 posthum für den Preis der deutschen Filmkritik sowie für den Deutschen Filmpreis nominiert.