Inhalt
Verliebt und glücklich erreichen Thomas und Hanna ihr neues Haus auf dem Land, wo sie den Sommer zusammen verbringen wollen. Doch unerwartet kündigt sich Friedrich an, der Bruder von Thomas, der gerade von Frau und Kind verlassen wurde. Nachdem Hanna anfänglich mit der spröden Art von Friedrich Schwierigkeiten hat, lernt sie nach und nach seine Verlässlichkeit und Verantwortung schätzen – Tugenden, die man dem witzigen und anarchischen Thomas nicht unterstellen würde. Am nächsten Tag holt Hanna ihre Patentochter Augustine aus Berlin ab. Zu viert arbeiten sie am Haus, gehen im See schwimmen, spielen Gitarre. Je mehr Zeit sie so miteinander verbringen, umso deutlicher wird, dass es für den Kindskopf Thomas ein Leichtes ist, sich noch einmal wie ein Teenager zu benehmen, während Hanna und Friedrich in unausgesprochener Intimität am Haus arbeiten, als wären sie die Eltern zweier Halbwüchsiger. Ein großer Eklat ist geradezu vorprogrammiert…
Regisseur Sebastian Schipper: "Ich war auf der Suche nach einem Buch. Als ich ′Wahlverwandtschaften′ aufklappte, trieb mich weniger Vorfreude als ′Buchnot im Urlaub′. Ich war immer ein Verehrer der Gescheiterten und Ausgestoßenen. Büchner. Heine. Kleist. Hölderlin. Goethe? Für mich ein Triumphator. Ein Sieger. Reich. Politiker. Einer von der CDU. Aber alles ist anders. Leicht. Hell. Wenige Möbel, viel Raum. Am Strand im Urlaub muss ich immer wieder aufstehen und ein paar Schritte gehen. Fassungslos und aufgeregt kehre ich dann schnell zurück. Noch bevor ich es weiß, steht fest, dass dies mein nächster Film wird."
Quelle: 59. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Schnitt. Einzug mit Sack und Pack in die soeben erworbene Immobilie. Eine ziemlich heruntergekommene Bruchbude, viel zu geräumig für ein kinderloses Paar. Irgendwo auf dem platten Land in Meckpomm, aber sehr idyllisch gelegen. Licht gibts nicht, Telefon auch nicht, und das Handy funktioniert nur am Baumarkt im hässlichen Einkaufszentrum einige Kilometer entfernt. Was Hanna entgegenkommt. Sie freut sich auf ungestörte Zweisamkeit mit Thomas. Ihr erster Satz ist überhaupt der erste komplett ausgesprochene des Films: „Ich mag deinen Schwanz so gerne.“ Sodass sie erst einen zweiten Anlauf braucht, um damit einverstanden zu sein, dass Friedrich für ein paar Tage zu ihnen hinauskommt. Der Bruder von Thomas ist Architekt, hat gerade Familie und Job verloren und befindet sich psychisch auf dem absoluten Tiefpunkt. Und könnte sich bei der Hausrenovierung als nützlich erweisen.
Sozusagen im Gegenzug darf ihre Patentochter Augustine das Quartett komplettieren. Hanna ist für die junge Waise so etwas wie eine zweite Mutter. Was „August“ freilich nicht daran hindert, bald mit dem chaotischen, einfach nicht erwachsen werden wollenden Thomas immer mehr Zeit zu verbringen. Andererseits fühlt sich die bodenständig-besonnene Hanna, die an Thomas’ Seite vergeblich auf Ausgeglichenheit, Ruhe und Lebens- Perspektive hoffte, zum so wortkargen wie offenbar stark liebesbedürftigen Friedrich hingezogen...
„Es geht um zwei Menschen, von denen einer gern Blödsinn macht, spontan leben will und sich sagt: ‚Jetzt gilts’, während der andere stiller ist, melancholischer, vielleicht auch klüger“: Sebastian Schipper hat aus seiner Urlaubslektüre am Strand von Kroatien, Goethes tragischem Roman einer Viererkonstellation, „Die Wahlverwandtschaften“ von 1809, eine ganz heutige Geschichte vom Erwachsenwerden im allerletzten Moment gemacht. Das Leben ist eine Baustelle: „Mitte Ende August“ krankt an der arg vorhersehbaren Story auch für den Kinogänger, der weder Goethes Roman noch eine seiner zahlreichen Leinwand-Adaptionen kennt, und beinahe mehr noch an der kammerspielartigen TV-Ästhetik, die Frank Blaus subjektive Wackel-Kamera eher noch verstärkt. Von Vic Chesnutts kitschigem Soundtrack ganz zu schweigen. Immerhin kriegt der am am 27. Januar 2012 auf Arte erstausgestrahlte allzu konventionelle Film nach 90 Minuten doch noch die Kurve – mit einem anderen Schluss als er beim ollen Goethe steht, soviel darf verraten werden.
Und auch dies: An den Schauspielern liegt das eher enttäuschende Fazit nicht. Schon gar nicht an Gert Voss, der egomanischen Größe des Wiener Burgtheaters, der sich einst unter Claus Peymann am Schauspielhaus Bochum zu „dem“ Star des deutschsprachigen Theaters entwickelte. Voss hat sich rar gemacht auf Leinwand und Bildschirm, die fulminante Darstellung der Episodenrolle des Bo wird im Gedächtnis bleiben: Der exzentrische Hamburger Verleger fliegt im italienischen Sportwagen samt blondierter St. Petersburger Geliebter zum Geburtstag seiner Tochter Hanna für eine nicht nur an Gesprächen reiche Nacht ein...
Pitt Herrmann