Deutsche Kinemathek und Bundesplatz Kino zeigen "Werkschau Gerd Conradt"

Zum 75ten Geburtstag und für 50 Jahre Arbeit mit dem Bewegtbild zeigen die Deutsche Kinemathek und das Bundesplatz Kino ab 30. Mai 2016 eine Werkschau des Berlinchronisten Gerd Conradt.

Die Eröffnung findet am Montag, dem 30. Mai 2016 um 19:00 Uhr in der Deutschen Kinemathek (Potsdamer Straße 2 in 10785 Berlin) im Kino Arsenal statt.

Über Gerd Conradt

Das Filmhandwerk lernte Gerd Conradt an der dffb (Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin). Als ihm sein Kameradozent Michael Ballhaus die erste Rolle Farbfilm in die Hand drückte, drehte Gerd Conradt 1968 seinen wohl bekanntesten Film "Farbtest – Rote Fahne". Nur ein Jahr später entdeckte er das neue Medium Video: Ich sehe – ich werde gesehen. Fortan videografierte er die Ereignisse vor seiner Haustür, die Menschen in den Kiezen seines Lebens. Von den Berliner Stadtgeschichten führten ihn seine Videoexpeditionen nach Indien, Sibirien, Afrika und China. Oft als Langzeitbeobachtungen entstanden Porträts von Menschen, die im öffentlichen Raum handelten, kulturpolitisch tätig waren und sind.

Gerd Conradt – der als Kind mit seiner Familie 1945 von seinem Geburtsort Schwiebus (heute Polen) nach Thüringen und von dort als Jugendlicher 1955 aus der DDR nach Westberlin flüchtete – fand Heimaten in seinen Filmen. Als Bilderfänger und -sammler, als Chronist, kehrt er immer wieder zu den Heldinnen und Helden seiner Filmheimaten zurück, sieht nach, was aus seiner großen unsterblichen Familie geworden ist - präsentiert sie neu. Vom Subjekt zum Projekt, wie Vilém Flusser es nennt.

Vollständige Programmübersicht im Bundesplatz Kino:
(Gerd Conradt ist bei allen Vorführungen anwesend)

Ort: Bundesplatz Kino
Bundesplatz 14 • 10715 Berlin
U+S-Bhf Bundesplatz, Bus 248 

Sa. 04.06., 16.00 "Starbuck – Holger Meins'', 2002

Starbuck, so heißt der Steuermann der Pequod in Herman Melvilles Roman Moby Dick. Starbuck, das war der Deckname von Holger Meins, der als erstes RAF-Mitglied 1974 in Untersuchungshaft im Hungerstreik starb. Der Filmemacher und Freund Gerd Conradt begibt sich anhand vielfältiger Zeitdokumente auf Spurensuche und spricht mit unterschiedlichsten Weggefährten.
Gast: Hartmut Jahn

So. 05.06., 11.00 "Poesie-Videos", 1985 – 1995

Gerd Conradts Poesie-Videos boten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Gedichte zu verfilmen. Einst als Auftragsarbeit für den SFB begonnen, gingen die Videos dann in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut als bewegte Klassenporträts in Serie. Gezeigt werden Videos nach Gedichten von: Hugo Ball, Blixa Bargeld, Helmut Heissenbüttel, Kurt Schwitters, Jürgen Spohn, Georg Trakl, Wolf Wondratschek.
Die Durchführung der Veranstaltung wird vom Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) unterstützt und Frau Beate Völcker, im LISUM zuständig für den Bereich Filmbildung, steht zum Gespräch bereit.

So. 05.06., 13.30 "Ich schreibe Tagebuch", 1988

Die Schülerin Andrea S. schreibt Tagebuch als Lebenshilfe. Mit ihren Freunden, Eltern, dem Bruder und der Oma spielt sie Episoden aus ihren Aufzeichnungen. Verknüpft sind diese Szenen von 1988 mit Ausschnitten aus einem vier Jahre früher entstandenen Tagebuchfilm.
Gast: die Tagebuchschreiberin Andrea S.

und danach "Schreibwerkstatt", 1988

Bericht über die vom Pädagogischen Zentrum Berlin veranstaltete Schreibwerkstatt im Wannseeheim für Jugendarbeit. Partnerschaftlich schreiben Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer eigene Texte, lesen diese einander vor und entwickeln unter fachlicher Anleitung Darstellungsformen für das Fernsehen. "So müsste Schule sein", fassen einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Erfahrungen zusammen.
Gast: Michael-André Werner

Sa.11.06., 16.00 "Hold Me, Love Me – Irene Moessinger und das Tempodrom", 1995

Das "Tempodrom" als Veranstaltungsort im Zelt, umgeben von der Wagenburg, in der die Tempodromfamilie – unter dem Himmel von Berlin – lebte, war einer der wichtigsten experimentellen Kult(ur)-Orte in Westberlin. Es traten Menschen und Gruppen auf, die zu Stars wurden (Rio Reiser, Die 3 Tornados, Einstürzende Neubauten, La Fura dels Baus) und Weltstars eroberten sich ein neues Publikum (Leonhard Cohen, Bob Dylan, Nina Hagen, Gianna Nannini). Mit einer Erbschaft hat die Krankenschwester Irene Moessinger diesen Ort ermöglicht und sich damit einen Traum erfüllt. Sie riskierte alles, bis mit dem Fall der Mauer das alte Westberlin verschwand.
Gast: Irene Moessinger

So. 12.06.,15.30 "Menschen und Steine", 1998 
Fünf Geschichten zur behutsamen Stadterneuerung 1973 -1998.

Was wäre (West)Berlin ohne den Architekten und Stadtplaner Hardt-Waltherr Hämer? Er gilt als Erfinder der behutsamen Stadterneuerung. Durch sein visionäres Engagement wurden Straßenzüge und Stadt-Quartiere (Kieze) nicht abgerissen, sondern blieben modernisiert erhalten. Gerd Conradt hat Hämers Wirken über fünfundzwanzig Jahre dokumentiert.
Gast: Theodor Winters, Firma S.T.E.R.N.

Sa. 18.06., 16.00 "Atem – Stimme der Seele, Ilse Middendorf", 2009

Der Film ist eine Studie über den erfahrbaren Atem. Prof. Ilse Middendorf (1910–2009) spricht darin die wichtigsten Punkte ihrer Atemforschung an und demonstriert mit wissender Klarheit ihren Leitsatz: Atem ist – Atem ist jetzt – Atem ist Gegenwart. Im zweiten Teil des Films lädt sie uns zur Teilnahme an einer Behandlung ein. An Mitarbeiter Michael Maar demonstriert sie ihre Atemarbeit. Die Filmarbeit förderte und begleitete Ilse Middendorf mit großem Engagement – die Aufnahmen begeisterten sie.
Gast: Michael Maar, Ilse-Middendorf-Institut

So. 19.06., 15.30 Premiere: "VORLASS", 2016

Super-8-Aufnahmen, die Detlev von Uslar, Professor für Anthropologische Psychologie, 1980 in Zürich gemacht hat, zeigen Studentinnen und Studenten beim Betrachten, Hören, Lesen und Kommentieren von Kunstwerken. Sechs der 1980 Gefilmten sehen und kommentieren das Material 35 Jahre später. Vergleichende Blicke auf Gesichter von damals und heute – eine spannende Zeitreise. Nach seinem autobiografischen Film "Video Vertov", in dem Gerd Conradt begonnen hat, sein eigenes Filmarchiv aufzuarbeiten, fragt er in diesem Film: Was wollen wir vom kulturellen Erbe aus der analogen Welt der Bilder und Töne bewahren – für die neue digitale Welt der Suchmaschinen und Netzwerke? VORLASS – statt NACHLASS, ist seine Antwort.
Gast: Detlev von Uslar

Sa. 25.06., 16.00 "Anfangen", 2014

Als eine der schärfsten Kritikerin des Patriarchats prägte Prof. Dr. Christina Thürmer-Rohr ganze frauenbewegte Generationen. Ihre Arbeit kreist um die Kritik an Herrschaftsformen, Gewalt, Opfer, Mittäterschaft - auch Freundschaft. Bis heute inspiriert sie durch ihr vorausschauendes Denken. Der Film ertastet Momente aus dem Leben von Christina Thürmer-Rohr und erkundet die Bodenlosigkeit, die freies Denken auslösen kann.
Gäste: Christina Türmer-Rohr; Ines Kappert, Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung

So. 26.06., 15.30 "Video Vertov", 2014

Aus den in über vierzig Jahren gesammelten Dokumenten seines Video- und Filmarchivs hat Gerd Conradt einen Film gemacht, den er seinem Enkel gewidmet hat. Der Film handelt von Liebe und Revolution, roten Fahnen und Meditation – von Expeditionen in ferne Länder. Sein elektronisches Testament zeigt ein Leben zwischen Anpassung und Provokation. Ein Leben auf der Suche nach Erkenntnis. Agitation free, eine Krautrockformation aus den siebziger Jahren, liefern den passenden Sound.
Gast: Lüül, Agitation free.

Quelle: www.deutsche-kinemathek.de