Summary
Never Look Away
Writer-director Henckel von Donnersmarck's third feature film project sees him shooting in his native German language for the first time since his 2006 Oscar®-winning debut "The Lives of Others" (2006). Tom Schilling ("Oh Boy", 2012) heads up a glittering "Who's Who" of the German acting world cast as the young artist Kurt Barnert who fled to West Germany, but continues to be tormented by experiences made during his childhood and youth in the Third Reich and under the GDR regime. When he meets the student Ellie, Kurt is convinced that he has met the love of his life and begins to create paintings that mirror not only his own fate, but also the traumas of an entire generation.
Source: German Films Service & Marketing GmbH
Comments
You have seen this movie? We are looking forward to your comment!
Login or register now to write a comment.
Ausgerechnet eine kurze persönliche Begegnung mit dem ihr bis dahin verhassten Führer in Dresden bringt Elisabeth aus dem seelischen Gleichgewicht. Der Hausarzt Dr. Franz Michaelis ist sich nicht sicher, ob es sich nur um eine vorübergehende Depression oder um den Ausbruch von Schizophrenie, einer meldepflichtigen Erbkrankheit, handelt. Kurt muss mitansehen, wie seine geliebte Tante mit Gewalt in einen Krankenwagen gezerrt und in eine geschlossene Anstalt gebracht wird.
Berlin 1940. Professor Carl Seeband, der zu den monströsen SS-Ärzten der Euthanasie-Tötungsmaschinerie gehört, lässt Elisabeth zunächst sterilisieren und dann nach Großschweidnitz überstellen.
Großschönau, 13. Februar 1945. Der 13-jährige Kurt wird Zeuge, wie Bomberstaffeln der Alliierten das „Elbflorenz“ genannte Dresden auslöschen. In der gleichen Nacht stirbt Elisabeth in der Gaskammer der sog. Heil- und Pflegeanstalt. Im Mai 1945 wird Carl Seeband verhaftet. Er soll dem NKWD-Major Murawjow den Aufenthaltsort des Leiters des Euthanasie-Programms, des hochrangigen SS-Offiziers Dr. Burghart Kroll, verraten. Weil er Murawjows Gattin das Leben rettet bei der schwierigen, aber schließlich glücklichen Geburt des Stammhalters steht Seeband unter dem Schutz des späteren russischen Statthalters in der DDR.
Großschönau, 1948. In Kurt (nun ein unglaublich jungenhafter 36-jähriger Tom Schilling, der sich mit Richters Assistent Andreas Schoen akribisch auf die Rolle vorbereitet hat) scheint die Saat seiner Tante Elisabeth aufzugehen in Entsprechung zu den wogenden Kornfeldern, die er durchschreitet: Er möchte Künstler werden, muss sich aber zunächst als Plakatmaler verdingen, während sich sein Vater Johann als Schul-Hausmeister erniedrigt fühlt und sich erhängt.
Nach Befürwortung durch seinen Vorarbeiter Otto studiert Kurt an der Kunstakademie, kann sich aber mit dem Parteidiktat des Sozialistischen Realismus nicht anfreunden. Als Pablo Picasso, dessen Werke er schon als Sechsjähriger in der Dresdener Ausstellung „Entartete Kunst“ mit großem Interesse betrachtet hatte, nun vom SED-Genossen Professor Grimma als dekadenter und obszöner Formalist diffamiert wird, steht für Kurt fest, dass seines Bleibens nicht länger im Arbeiter- und Bauernstaat sein kann, obwohl er von den Aufträgen zu großformatigen Wandgemälden in öffentlichen Gebäuden sehr gut leben kann.
Dresden, 1956. Künstlerische Freiheit, Individualismus? Fremdworte für Kurt und seine Kommilitonen, darunter die im Bereich Mode studierende Elisabeth „Ellie“ Seeband. Aus einem Spaziergang im Park wird rasch mehr, doch als Tochter des wieder in alle Ämter eingesetzten, zum Vorzeige-Sozialisten mutierten Star-Gynäkologen Carl Seeband darf sie sich nicht unter Wert verlieben – und schon gar nicht schwanger werden von diesem Crétin mit offensichtlich minderwertigem Erbgut. Der Papa Professor nimmt die Abtreibung in der heimischen Villa höchstselbst vor unter Vortäuschung einer lebensbedrohenden Uterus-Erkrankung seiner Tochter. Als Murawjow nach Moskau zurückbeordert wird, setzt sich der einstige SS-Arzt in den Westen ab, wo der Wendehals tatsächlich bald eine Chefarztstelle in einer Oldenburger Klinik antritt.
Berlin, 13. März 1961. Gerade noch rechtzeitig, bevor Walter Ulbrichts „antifaschistischer Schutzwall“ die DDR-Bevölkerung einmauert, nimmt Kurt mit seiner frisch angetrauten Ellie die S-Bahn von Friedrichstraße zum Bahnhof Zoo. Mit dreißig will Kurt noch einmal von vorn anfangen und bewirbt sich beim berühmt-berüchtigten Professor Antonius van Verten an der Düsseldorfer Akademie. Wider Erwarten wird er von dem wortkargen Aktions-Künstler, der bevorzugt mit den Materialien Fett und Filz arbeitet und seinen Hut nie abzulegen scheint, angenommen. Doch er kommt zunächst mit der totalen Freiheit der sich avantgardistisch gebenden, im Grunde aber kommerziell ausgerichteten Kunst im kapitalistischen Westen nicht zurecht. Sein Atelier-Nachbar Günter Preusser dagegen hat sich spezialisiert: er arbeitet ausschließlich mit Nägeln.
Während Ellie sich als Näherin im Akkord durchschlägt, verzweifelt Kurt, als van Verten seine bisherigen Arbeiten verwirft: „Wer bist du? Das bist du nicht!“ Aber der berühmte Professor ist erstmals zu einem seiner Studenten ins Atelier gekommen. Und erzählt Kurt aus seinem Leben, den traumatischen Kriegserlebnissen, die er in seiner Kunst zu verarbeiten trachtet. Und er zieht beim Herausgehen demonstrativ seinen Hut vor Kurt. Durch Vermittlung seines Schwiegervaters hat Kurt einen zwar erniedrigenden, finanziell aber überlebenswichtigen Hausmeisterjob an der Düsseldorfer Klinik für Frauenheilkunde erhalten, nachdem Ellie überraschend schwanger geworden ist – und von der Lüge ihres Vaters erfahren hat. Ein Zeitungsfoto von der Verhaftung Krolls bringt Kurt auf die Idee, seine Traumata produktiv in Kunst umzusetzen: Er malt fotorealistische Bilder, denen er am Ende durch Verwischen eine Unschärfe verleiht.
Wuppertal, 1966. Sein Kommilitone Adrian Finck mutiert zu seinem Galeristen und organisiert eine erste große Einzelausstellung. Sie schlägt in der Kunstszene wie eine Bombe ein, Kurt Barnert wird als führender Vertreter der jungen westdeutschen Kunst gefeiert. Wie van Verten wirft Kurt Nebelkerzen, indem er gegenüber den Medien behauptet, dass die Bildmotive von ihm unbekannten Hobbyfotografen stammen: der Inhalt seiner Bilder sei unwichtig, es zähle allein die ästhetische Stimmigkeit. Was der Fernsehjournalist Hermann Schreiber solchermaßen auf den Punkt bringt: Kurt schaffe ein „Werk ohne Autor“…
Zeitgeschichte, die mehr als drei Stunden unter die Haut geht: Nationalsozialismus, DDR-Sozialismus und BRD-Kapitalismus, ein brisanter Streifzug durch gleich drei Epochen deutscher Geschichte, gespiegelt auch und gerade durch kunsthistorische Aspekte. Und zugleich ein sehr intimer Film über die biographisch grundierte Entstehung von Kunst selbst in abstrakter Formensprache. Ganze vier Wochen hat sich Anfang 2015 Gerhard Richter für den Filmemacher Zeit genommen, in seinem Haus in Köln-Hahnwald, aber auch in Dresden, an den Orten von Richters Kindheit.
Florian Henckel von Donnersmarck hat sich ausgehend vom berühmten, 1965 entstandenen Ölgemälde „Tante Marianne“ an der Biographie Richters orientiert, dessen Tante Marianne Schönfelder 1945 im Euthanasie-Zentrum Großschweidnitz bei Görlitz ermordet wurde unter wesentlicher Beteiligung seines ersten Schwiegervaters, des Gynäkologen Heinrich Eufinger, SS-Obersturmführer und Direktor der Städtischen Frauenklinik Dresden. Was im Übrigen erst Jahrzehnte später herausgekommen ist durch Recherchen des Berliner „Tagesspiegel“-Journalisten Jürgen Schreiber („Ein Maler aus Deutschland“). Skandalöserweise wurde das auf einem 1932 gemachten Foto basierende Gemälde „Tante Marianne“ im Sommer 2006 für umgerechnet 3,1 Millionen Euro bei Sotheby’s in London an einen taiwanesischen Sammler versteigert, nachdem der Freistaat Sachsen einen Ankauf für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden abgelehnt hatte, um das Bild als nationales Kulturgut für Deutschland zu bewahren.
Der Richard Attenborough-Schüler lässt mit seinem erst dritten Langspielfilm einige historisch längst widerlegte Legenden des Düsseldorfer Akademie-Professors und Richter-Lehrers Joseph Beuys wiederaufleben, weil sie dramaturgisch so hervorragend in sein Filmkonzept passen. Beuys heißt auf der Leinwand übrigens Professor Antonius van Verten, während Kurts Kommilitone und Atelier-Nachbar Günter Preusser unschwer Günther Uecker nachgebildet ist. „Werk ohne Autor“ wird am 28. Dezember 2020 als Free-TV-Premiere in der ARD gezeigt.
Pitt Herrmann