Inhalt
Verfilmung des gleichnamigen Klassikers von Siegfried Lenz, der sich mit der NS-Zeit und der Aufarbeitung derselben in den Nachkriegsjahren befasst. Im Zentrum der Handlung steht der als schwer erziehbar geltende Siggi Jepsen, der in einer Besserungsanstalt untergebracht ist, sich aber auch dort nicht anpassen will. Zur Einzelverwahrung verdammt, weil er der Aufforderung, einen Aufsatz zum Thema "Die Freuden der Pflicht" zu schreiben, nicht nachkommt, beginnt Siggi stattdessen über seine Erfahrungen während der Kriegsjahre zu schreiben. Dabei erzählt er, wie er aufgerieben wurde von den Spannungen zwischen seinem Vater, einem dem NS-Regime ergebenen Dorfpolizisten, der im Namen der Autoritäten für Recht und Ordnung sorgte, und seinem Patenonkel - einem Jugendfreund seines Vaters - dem Künstler Max Nansen, der von den Nazis mit Berufsverbot belegt wurde. Beide Männer versuchen Siggi für ihren jeweiligen Standpunkt zu gewinnen und lösen damit einen massiven Gewissenskonflikt bei dem Jungen aus.
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Rückblende. Der Zweite Weltkrieg kehrt in sein Ursprungsland zurück, anglo-amerikanische Bomberstaffeln auf dem Weg nach Hamburg dröhnen über den kleinen Ort an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste, in dem der überregional bekannte Künstler Max Ludwig Nansen lebt, hinweg. Bei Ebbe ist er mit seiner Staffelei ins Watt gezogen, wo ihm Siggis Vater, der Polizist Jens Ole Jepsen, ein Schreiben „aus der Hauptstadt“ überreicht: Nansens Malerei gilt den Nationalsozialisten als entartet, sie wird aus öffentlichen Sammlungen entfernt. Das gegen den Künstler ausgesprochene Malverbot soll ausgerechnet Jepsen überwachen, dem Nansen einst das Leben rettete.
Der Maler ist zudem Patenonkel des elfjährigen Siggi Jepsen und auch dessen älteren Geschwister Hilke (sinnlicher als im Roman: Maria Dragus) und Klaas sind für ihn und seine Gattin Ditte wie eigene Kinder. Trotz dieser engen Bande, die natürlich jeder im fiktiven Ort Rugbüll kennt und später in der Gastwirtschaft eifrig diskutiert, will der Polizeibeamte den Befehlen aus Berlin folgen. Ja, er macht sich sogar das Verdikt der Blut-und-Boden-Ideologen zu eigen, dass Nansens Bilder Ausdruck eines kranken Geistes sind und hängt das im Schlafzimmer hängende Porträt seiner Frau Gudrun (die dänische „Kommissar Lund“-Schauspielerin Sonja Richter), das ihr viel bedeutet, ab.
Siggi, der für seinen Vater im Atelier des Künstlers spionieren soll, ist hin und hergerissen. Seinem Vater ist er zu Gehorsam verpflichtet, seinem „Onkel“ Max zu Loyalität. Der ihm den Umgang mit Bleistift und Pinsel beibringt, um so das Malverbot umgehen zu können. Als alle in den letzten fünf Jahren entstandenen Bilder nach Berlin gebracht werden sollen, versteckt Siggi kurzentschlossen zumindest ein Gemälde und versteckt es in einem verlassenen Gehöft. In dem sich überall noch Spuren der offenbar geflüchteten – oder verhafteten – einstigen Bewohner finden. Hierher bringt Siggi auch seinen verwundeten Bruder Klaas, der desertiert ist, nachdem aufflog, dass er sich im Krieg selbst in den Arm geschossen hat.
Die Mutter, bei Lenz eine glühende Hitler-Verehrerin, bei Schwochow eine herzensgute, aber schwache Frau, steckt Siggi heimlich Brot für Klaas zu. Als dieser jedoch bei einem Tiefflieger-Angriff in den Dünen schwer verwundet wird, bleibt Siggi nichts anderes übrig, als seinen Vater um Hilfe zu bitten. Der zwar die Sanitäter ruft, gleichzeitig aber den Deserteur den Behörden übergibt – Pflicht ist Pflicht. Auch im allerletzten Moment, als die Engländer bereits am Dorfrand stehen: Jepsen findet unter den Trauergästen an Dittes Beerdigung nicht einen einzigen Freiwilligen für ein letztes Volkssturm-Aufgebot.
Als Jens Ole Jepsen aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, übernimmt er ganz selbstverständlich wieder seinen Polizeiposten. Die Verhältnisse haben sich ja auch nicht verändert, Pflicht bleibt immer noch Pflicht, da hat er sich nichts vorzuwerfen. Der Maler Max Ludwig Nansen aber feiert nun große Erfolge – bei einem internationalen Publikum…
In ihrer Leinwandadaption des 1968 erschienenen und mit 2,2 Millionen Exemplaren weltweit erfolgreichen Romans von Siegfried Lenz (1926 – 2014) hat Heide Schwochow, die Mutter des Regisseurs, Siggi Jepsens Rolle gestärkt – als ein von zwei Erwachsenen Missbrauchter, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Um jeden Verdacht eines verfilmten Schlüsselromans zu vermeiden, Lenz hatte sich an der wie wir heute wissen arg verfälschten Biographie des Malers Emil Nolde (1867 – 1956) orientiert, hat Gabriele Vinzer für die Bilder Nansens einen eigenen Stil entwickelt zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit.
Herausragend die Darsteller der beiden Antagonisten, Ulrich Noethen und Tobias Moretti. Beide versuchen mit kleinen Zeichen der Schwarz-Weiß-Zeichnung ihrer Rollen Gut versus Böse zu entkommen. Völlig zu Recht preisgekrönt die Arbeit des Bildgestalters Frank Lamm, der von März bis Mai 2018 in Schleswig-Holstein und Dänemark die symbolhafte Natur der Romanvorlage auf die Leinwand brachte: metaphorische Wolken und Wellen, stürmische See und wie gemalte Watt- und Dünenlandschaften.
Pitt Herrmann