Seneca

Deutschland Marokko Frankreich 2021-2023 Spielfilm

Inhalt

Rom im Jahre 65 n. Chr. Im Rhetorik-Unterricht mit seinem Mentor Seneca übt Kaiser Nero eine Rede. Leider vergeblich, das IQ-Gefälle ist augenscheinlich, der Herrscher spürt die Überlegenheit des Senators und wird ärgerlich. Und das ist nicht gut, hat er doch gar engste Familienmitglieder in blinder Wut um die Ecke gebracht. Seneca ahnt, dass das grausame Köpferollen bald auch ihn treffen kann, ist allerdings doch überrascht, als ihm Nero, auf dem Höhepunkt seines despotischen Regimes und meist als "Mr. President" tituliert, den Befehl erteilt, sich selbst zu töten. Dass sich Seneca die Pulsadern aufschneidet und dies auch seine um vieles jüngere Frau Paulina in den Suizid treibt, wissen wir seit Tacitus. Robert Schwentke lässt seinen Helden besonders lange bluten und in dieser "Zwischenzeit" den Bonzen-Senator im Furor nicht zuletzt vors Selbstgericht treten.

Das an Exzess-Pointen, Splatter-Sarkasmus und Liebe zur verbalen Preziose kaum zu überbietende filmische Feuerwerk ist hochspektakulär und hochaktuell und stellt im Kern die Frage: die intelligente Elite – Tyrannenopfer oder opportunistische Kollaborateure? Die Zeit ist wieder reif für politische Allegorien.

Quelle: 73. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)

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Heinz17herne
Heinz17herne
Rom im Jahre 65 nach Christus. Der berühmte Philosoph Seneca gilt als der weiseste Mann der Stadt. Zumindest bis sein nicht sonderlich gelehriger Schüler, der junge Nero, den er vor allem rhetorisch und gestisch auf Diktator-Niveau gepushed hat, den sorgsam geplanten Aufstieg zum Kaiser geschafft hat. „Ich mache was ich will“: Der lässt als erstes Gattin Octavia und die halbe Familie umbringen, damit er seine Mätresse Poppea (Nadia Benzakour) heiraten kann. Und verschont trotz Mum-Herz-Tattoo auf dem linken Oberarm auch seine Mutter Agrippina nicht.

Die Opposition um den Verschwörer Gajus Piso wird kurzerhand ausgeschaltet und Seneca in die Wüste geschickt: „Ich glaube nicht an noble Gemüter und ich scheiße auf Schlappschwänze wie diesen hier.“ Seneca führt vor seinen gutbürgerlichen Freunden sein blutiges Drama „Thyestes“ so naturalistisch auf, dass sich nicht nur Lucia mit Grausen abwendet und ungläubig fragt: „Ist das echt?“

Mit Felix schickt Nero einen skrupellosen Henkersknecht zu Seneca, um diesem sein Todesurteil als angeblicher Mitverschwörer Pisos zu verkünden. Dabei wird dem Philosophen die Gnade gewährt, sich binnen einer Frist selbst umzubringen. „Keine gute Zeit für Geselligkeit, jetzt geht’s ans Eingemachte“ lässt sich der Erzähler aus dem Off vernehmen: Zahlreiche Gäste verlassen Senecas Landsitz, zuletzt auch Lucia nach einer harschen Philippika auf Senecas Kollaboration mit dem größenwahnsinnigen, stets „Mister President“ titulierten Nero.

Zurück bleiben nur seine junge Geliebte Paulina, sein Schüler und Sekretär Lucilius sowie Freund Fabius und Diener Statius. Sie müssen sich eine letzte, schier nicht enden wollende lebensphilosophische Lektion Senecas anhören, der wie einst sein Vorbild Sokrates seinen Platz filibusternd in die Geschichtsschreibung zementieren will. Hier freilich im intimen Kreis seiner Jünger, in dem Seneca auch aus dem Leben scheiden will – allerdings zusammen mit Paulina…

Robert Schwentkes schwarze Komödie mit einem überragenden John Malcovich über die letzten Tage des antiken Philosophen Lucius Annaeus Seneca und die Anfänge von Kaiser Neros despotischem Regime im alten Rom stützt sich auf historische Quellen und auf Senecas Originaltexte. Einige Szenen stammen aus den Annalen des Tacitus, andere kommen bei Cassius Dio und Suetonius vor. Szenische Dialoge halten sich streng an Senecas schriftliche Dialoge, Briefe und Abhandlungen. Senecas tragisches Drama „Thyestes“, die Theateraufführung im Film, ist gekürzt, aber nicht verändert worden.

Seine Sprache ist allerdings modernisiert und umgangssprachlicher gestaltet, wie überhaupt der ganze Film, eine wilde Mischung aus Historie, Philosophie und Verbindung zum Heute (Panzer-Graffiti auf einer Mauer), als satirische Anklage gegen den Trumpismus durchgeht. Und daher – leider – aktueller denn je ist. Robert Schwendtke versteht „Seneca“ als Fortsetzung seiner Auseinandersetzung mit Formen des Opportunismus in totalitären Systemen, die mit „Der Hauptmann“ (2017) begann.

Der Untertitel „Über die Geburt von Erdbeben“ trifft den artifiziell überhöhten tragisch-komischen Ton Schwentkes sehr genau. Der Regisseur im Berlinale-Presseheft: „Nero wird nie mit ‚Kaiser‘ angesprochen, sondern immer mit ‚Präsident‘. Das hat natürlich sehr viel mit Donald Trump zu tun, mit diesen ganzen ‚starken Männern‘ und Despoten, die allerorten heute oft im Namen der Demokratie die Demokratie aushöhlen und unterwandern. Dabei ist der Film auch eine Satire, nicht nur auf Seneca, sondern auf die Eliten der Demokratie und ihre Unfähigkeit, mit starken Männern, Tyrannen und Despoten umzugehen. Nicht unähnlich unserer eigenen Zeit.“ Free-TV-Premiere ist am 5. März 2025 auf Arte.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Continuity

Kamera

Ausstattung

Kostüme

Ton-Assistenz

Mischung

Casting

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 25.09.2021 - 29.10.2021: Ouarzazate
Länge:
112 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 31.01.2023, 238674, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 20.02.2023, Berlin, IFF - Berlinale Special;
Kinostart (DE): 23.03.2023

Titel

  • Weiterer Titel (DE) Seneca - Oder: Über die Geburt von Erdbeben
  • Weiterer Titel (eng) Seneca - On the Creation of Earthquakes
  • Originaltitel (DE) Seneca

Fassungen

Original

Länge:
112 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 31.01.2023, 238674, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 20.02.2023, Berlin, IFF - Berlinale Special;
Kinostart (DE): 23.03.2023