Summary
Seneca – On the Creation of Earthquakes
Rome in 65 A.D. Emperor Nero is rehearsing a speech with his mentor Seneca in a rhetoric class. But this is sadly in vain: the IQ gap between the two men is all-too evident. Sensing the senator’s superiority, the ruler flies into a rage. Since he has already bumped off several of his closest family members in violent rage, this is not a good sign. Seneca suspects that the cruel rolling of heads may soon apply to him, too. He is nonetheless surprised when Nero, at the height of his tyrannical powers and usually addressed as "Mr President", orders Seneca to kill himself. We know from Tacitus that Seneca then slashes his wrists and this drives his much younger wife Paulina to suicide.
Robert Schwentke has his hero bleed for a particularly long amount of time and, during this "interim period", the big-shot senator rails against the world but especially against himself. Schwentke has made a pyrotechnic display of a film that is almost peerless in its use of over-the-top punchlines, splatter-sarcasm and love of verbal precocity. Stunning and incredibly topical, Seneca asks: is the educated elite a victim of tyranny or an opportunistic collaborator? The time is indeed ripe for political allegories.
Source: 73. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)
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Die Opposition um den Verschwörer Gajus Piso wird kurzerhand ausgeschaltet und Seneca in die Wüste geschickt: „Ich glaube nicht an noble Gemüter und ich scheiße auf Schlappschwänze wie diesen hier.“ Seneca führt vor seinen gutbürgerlichen Freunden sein blutiges Drama „Thyestes“ so naturalistisch auf, dass sich nicht nur Lucia mit Grausen abwendet und ungläubig fragt: „Ist das echt?“
Mit Felix schickt Nero einen skrupellosen Henkersknecht zu Seneca, um diesem sein Todesurteil als angeblicher Mitverschwörer Pisos zu verkünden. Dabei wird dem Philosophen die Gnade gewährt, sich binnen einer Frist selbst umzubringen. „Keine gute Zeit für Geselligkeit, jetzt geht’s ans Eingemachte“ lässt sich der Erzähler aus dem Off vernehmen: Zahlreiche Gäste verlassen Senecas Landsitz, zuletzt auch Lucia nach einer harschen Philippika auf Senecas Kollaboration mit dem größenwahnsinnigen, stets „Mister President“ titulierten Nero.
Zurück bleiben nur seine junge Geliebte Paulina, sein Schüler und Sekretär Lucilius sowie Freund Fabius und Diener Statius. Sie müssen sich eine letzte, schier nicht enden wollende lebensphilosophische Lektion Senecas anhören, der wie einst sein Vorbild Sokrates seinen Platz filibusternd in die Geschichtsschreibung zementieren will. Hier freilich im intimen Kreis seiner Jünger, in dem Seneca auch aus dem Leben scheiden will – allerdings zusammen mit Paulina…
Robert Schwentkes schwarze Komödie mit einem überragenden John Malcovich über die letzten Tage des antiken Philosophen Lucius Annaeus Seneca und die Anfänge von Kaiser Neros despotischem Regime im alten Rom stützt sich auf historische Quellen und auf Senecas Originaltexte. Einige Szenen stammen aus den Annalen des Tacitus, andere kommen bei Cassius Dio und Suetonius vor. Szenische Dialoge halten sich streng an Senecas schriftliche Dialoge, Briefe und Abhandlungen. Senecas tragisches Drama „Thyestes“, die Theateraufführung im Film, ist gekürzt, aber nicht verändert worden.
Seine Sprache ist allerdings modernisiert und umgangssprachlicher gestaltet, wie überhaupt der ganze Film, eine wilde Mischung aus Historie, Philosophie und Verbindung zum Heute (Panzer-Graffiti auf einer Mauer), als satirische Anklage gegen den Trumpismus durchgeht. Und daher – leider – aktueller denn je ist. Robert Schwendtke versteht „Seneca“ als Fortsetzung seiner Auseinandersetzung mit Formen des Opportunismus in totalitären Systemen, die mit „Der Hauptmann“ (2017) begann.
Der Untertitel „Über die Geburt von Erdbeben“ trifft den artifiziell überhöhten tragisch-komischen Ton Schwentkes sehr genau. Der Regisseur im Berlinale-Presseheft: „Nero wird nie mit ‚Kaiser‘ angesprochen, sondern immer mit ‚Präsident‘. Das hat natürlich sehr viel mit Donald Trump zu tun, mit diesen ganzen ‚starken Männern‘ und Despoten, die allerorten heute oft im Namen der Demokratie die Demokratie aushöhlen und unterwandern. Dabei ist der Film auch eine Satire, nicht nur auf Seneca, sondern auf die Eliten der Demokratie und ihre Unfähigkeit, mit starken Männern, Tyrannen und Despoten umzugehen. Nicht unähnlich unserer eigenen Zeit.“ Free-TV-Premiere ist am 5. März 2025 auf Arte.
Pitt Herrmann